Abell 55 und Addendum zu NGC 6772

16. 9. 2023, Niederleis

Wenn ich irgendwo auf Unklarheiten stoße, will ich die Sache nochmals sehen. Es geht um die NGC 6772 Umgebung. Wie aus meinem letzten Bericht hervorgeht, war die Sternkarte bei der Aufsuche dieses Objekt nicht hilfreich. Ich konnte das, was ich mit dem C8 im Okular sah, nicht wirklich auf der Karte zuordnen, es lag aber nicht daran, dass im C8 mit Zenitspiegel das Bild gespiegelt ist. So auf die Schnelle konnte ich zumindest nichts zuordnen. Mit dem Objekt selbst gab es ja nicht wirklich ein Problem.

Die Nacht des 16. September brachte nochmals klaren Himmel. Das lockte mich hinaus. Als Teleskop wählte ich nun meinem alt bewährten 5.7" f/6 Maksutov-Newton, mit dem kann ich weitere Himmelsfelder einsehen als mit dem C8, und das Bild ist "astronomisch richtig", ich brauche nur die Karte entsprechend drehen, und muss nicht gespiegelt denken.

Gleich bei der Zufahrt gab es eine Überraschung. Baustelle, Sperre, durch den Ort konnte ich nicht zum Beobachtungsplatz zu fahren. Ich musste einen Umweg nehmen, den ich wohl kenne, weil ich öfter mal auch so ab fahre, vor allem wenn ich in der Senke unten stehe. Ich bin tatsächlich kurz stehen geblieben, um festzustellen: Ostwind - der trifft mich hier wie obe, wo ich üblicherweise stehe, oben kann ich aber den Klotz von Auto quer in den Wind stellen, und ich kann daneben im Windschatten aufbauen.

Als Montierung diente die iOptron ieq45 mit dem originalen Stahlrohrstativ. Als ich aufbaute, war es noch recht hell, mit freiem Auge sah ich den Polarstern noch nicht, aber ich fand ihn bereits im Polsucher der Montierung. So konnte ich den Aufbau recht bald abschließen, da war es noch nicht eimal richtig dunkel. Das Teleskop stand halt einige Zeit lang auf Altair ausgerichtet, meinen Alignment Stern. 

Derweilen blickte ich mich am Himmel um. Es war deutlich weniger Horizontdunst vorhanden als beim letzten Mal, als ich hier war. Schon am Tag hatte sich gezeigt, dass ein besserer Himmel zu erwarten war, das bestätigte sich nun auch. Über Wien eine dünne Wolkenschicht, die Lichtglocke strahlte weit weniger hoch aus. Da und dort bildeten sich auch hier ein paar Wölkchen, die auch so schnell verschwanden wie sie sich gebildet hatten.

Sobald der Himmel im Zielgebiet, im Adler, dunkel genug erschien, dirigierte ich mein Teleskop auf NGC 6772. Es ging mir ja in erster Linie um die Umgebung. Ich hatte 40fache Vergrößerung bei meiner Umschau. Die Sternkarte brauchte ich jetzt gar nicht, da ich mich sehr intensiv damit und dem DSS Bild auseinander gesetzt hatte. Also, weder die Sternkarte noch das DSS Bild entspricht dem, was man im Okular findet. Die Dreierkette, die im DSS Bild so hell erscheint, ist gar nicht so auffällig im Okular. Dafür die Kette südöstlich des Objekts, die ist doch relativ auffällig, im DSS Bild äußerst schwach, aber es passen einfach Sternhelligkeiten da und dort nicht. Auch ist der Stern, der nächst zum Objekt liegt, nicht so hell wie in der Sternkarte dargestellt. NGC 6772 liegt auch nicht irgendwie direkt dran, sonder schwebt irgendwo im "Niemandsland", daher ist es auch nicht gar so leicht, das Ding aufzuspüren. Man hat kaum Anhaltspunkte. Ich wusste aber schon wo ich etwa anpacken sollte, und mit dem [O III] Filter war ich bei 97x dann auch erfolgreich. Dreimal habe ich NGC 6772 erwischt, ein recht schwaches, relativ großes, leicht ovales Nebelfleckerl. Sicher, ein etwas besserer Himmel, aber ein deutlich kleineres Fernrohr - mit dem C8 letztens war der Nebel schon merklich heller. Jedenfalls, mit dieser Sache bin ich fertig, soweit alles klar - die Sternpositionen passen, die Helligkeiten nicht immer, diese Erkenntnis hatte ich im letzten Bericht ja auch schon geäußert.

Ich rief nun Andi an, um Bericht zu erstatten. Dabei bemerkte ich, dass sich die Wolkenschicht über Wien aufgelöst hatte, zumindest teilweise, und die Lichtglocke nun höher ausstrahlte. Auch hier sah ich immer wieder ein paar Wölkchen, die quasi aus dem Nichts entstanden, und genauso urplözlich sich auflösten. 

Für mein nächstes Objekt brauchte ich mich nicht gar so beeilen, wenn sich mein Zielgebiet weiter aus dem aufgehellten Bereich raus dreht, das kann nur gut sein. Was nun auf meiner Liste stand: 

Abell 55 (PK 33-5.1). 15.4 mag photographische Helligkeit (laut meiner alten Referenzen, so auch zu finden in Stellarium), etwa 20" Durchmesser. Andi wünschte mir viel Glück. Solche Angaben schrecken mich nicht, weil ich einst oft dazu Angaben im visuellen Bereich gefunden habe, die wesentlich machbarer aussahen. So fand ich beispielsweise einen Hinweis, dass Abell 55 einer der helleren Vertreter der Abell PN sei, und in der Nachrecherche, also nach der Beobachtung, eine Angabe von 13.7 mag visuell. Egal wie, für mich galt und gilt: probier's doch, es wird ja nichts kaputt wenn es nicht klappen sollte.

Abell 55 Aufsuchkarte aus dem Tri-Atlas C-Kartenset

Wer meinen letzten Bericht liest, findet dort auf der NGC 6772 Aufsuchkarte auch Abell 55, dieses Objekt steht etwas weiter im Westen und etwas nördlich von NGC 6772, für das Teleskop ist das nur ein kleiner Ruck. Siehe obige Abbildung, ich habe extra für diesen Bericht daraus einen Ausschnitt um Abell 55 erstellt.

Für Abell 55 hatte ich also die NGC 6772 Aufsuchkarte wieder in der Hand, um mich zu orientieren, bei 40x. Das war nun kein Problem, ich hatte mich sehr rasch zurecht gefunden, wusste, wo ich anpacken sollte. Es sind da zwei hellere Sterne, auffällig genug im Okular, sie ergeben eine Linie von Südost nach Nordwest. Nicht gerade in der Mitte, etwas versetzt zur Linie, ein deutlich schwächerer Stern. Das Objekt steht fast direkt nördlich dieses Sterns, und knapp südlich und etwas östlich eines Stern Pärchens, das relativ schwach erschien. Weiter nördlich, auf der Kartemehr im Schriftzug des Objekts versteckt, ein weiteres, etwas auffälligeres Stern Pärchen. Nimmt man von letzterem Pärchen den helleren Stern, dann kann man eine Linie durch das Objekt zu dem Stern direkt südlich des Objekts ziehen . Und als näherer Anahltspunkt dient das schwächere Stern Pärchen gleich beim Objekt. Es war also klar, wo etwa ich das Objekt zu erwarten hätte.

Nun ging es ans Eingemachte, mit Nebelfilter und natürlich höherer Vergrößerung. Erst gleich ein Hoppala, als ich mit dem anderen Okular im 1,25" Reduzieradapter kam, Nebelfilter dran, war es schwierig, den Fokus zu finden. Dabei hatte ich auf einmal den Helical Focuser in der Hand - zu viel daran gedreht. Ich musste das Okular wieder weg legen, und brauchte zumindest helleres Rotlicht, um mit dem Ding wieder in das Gewinde am Teleskop zu finden. Also langsam, Nebelfilter wieder weg, erst das Okular ohne dran, 97x, und scharf stellen. Dann mit UHC Filter drauf. Ich orientierte mich im Feld, und versuchte das Objekt zu erwischen. Nichts, nicht einmal nichts. 

Dann muss der [O III] Filter her. Ich legte das Okular samt Reduzieradapter dort ab, wo ich es zuvor auch abgelegt hatte. Doch bis ich zum anderen Filter greifen konnte, kam das Okular ins Rollen, fiel erst von dem Koffer, der auf der Montierungsbox lag, in den Kofferraum, von dort hinunter auf den Asphalt. Auwei, das zweite Hoppala heute, letztens ist mir schon der [O III] Filter aus der Hand geglitten, als ich ihn vom Okular abschraubte und klimpernd auf dem Boden aufgetroffen. Jetzt ist aber hoffentlich wieder genug damit, war eh drei mal was. Jedenfalls, sowohl der Filter als auch das Okular haben den Absturz überlebt, ich habe damit weiter beobachtet, ohne Beeinträchtigung. Was nun: Das Bild stand im Teleskop kopf. Ich tastete mich von unten heran, an die Position des Nebels. Das kam mir gelegen, weil ich da Orientierungshilfen hatte. Ich begann bei dem etwas helleren Pärchen, visierte die Linie zu dem Stern südlich des Objekts, und arbeitete mich mit dem Blick in Richtung zu dem schwächeren Pärchen vor.

Und auf einmal war da ein kompaktes, schwaches Scheibchen. Nun hatte ich eine genauere Idee von der Position, konnte gezielter dran gehen. Beim zweiten Versuch war der Eindruck gleich, beim dritten ebenfalls, und da konnte ich die Position gut festmachen - genau da, wo ich sie vermutete aufgrund der Sternkarte. Das war nun doch nicht so schwierig, zwar schwach, aber auch nicht am Limit.

Ich rief nochmals Andi an. Gerade eine halbe Stunde hatte ich gebraucht, mit zwei Hoppalas, die auch Zeit und ein bisserl Schreck kosteten. Nach dem Telefonat ging ich nochmals ohne Nebelfilter bei 97x drauf, um die Umgebung des Objekts zu begutachten. Da sind ein paar sehr schwache Sterne rundum, und auf einmal hatte ich dieses kleine Nebelscheibchen mit drin. Was? Der geht auch ohne Nebelfilter? Nicht gar so ungewöhnlich. Solche Erfahrungen hatte ich öfter, als ich vor etwa 20 Jahren viel mit solchen Objekten zu tun hatte. Erst sieht man nichts, nach der Beobachtung mit Nebelfilter sieht man das Objekt dann auf einmal auch ohne Nebelfilter.

Jedenfalls, beide Objekte sind zu schwach, dass man sie mit flächigem Blick erwischen hätte können. Man muss da schon gezielt indirekt dran. Was ich nun in den letzten Nächten am Teleskop gelernt hatte, ich muss meinen Blick unter das Objekt richten, sogar etwas nach links unten. So bin ich bei meinen letzten Beobachtungen immer zum Erfolg gekommen.

Um die Sache intensiver nach zu prüfen nahm ich M13 bei 97x ins Visier. Mit Blick oben drüber, oder rechts davon wurde das Objekt schwächer, mit Blick links unten drunter sah ich M13 so wie ich es gewohnt bin mit diesem Teleskop. Also wieder etwas gelernt, wie ich hinkünftig arbeiten muss, wenn ich mich mit so schwachen Lichtfuzerl abgeben will. Zumindest derzeit geht es noch so.

Ich sah mich nun nochmal am Himmel um: nun war die Schildwolke dort, wo ich sie letztens gar nicht mehr gesehen hatte, noch sichtbar, und sogar knapp drunter war noch etwas von der Milchstraße da, sehr schwach aber doch. Auch der Schütze in der Lichtglocke von Wien stand besser da als letztens.

Ich hielt mit dem SQML in den Himmel hinauf, etwas aus dem Zenit nach Nord versetzt: 21.10 mag/arcsec2. Nicht wahnsinnig besser, aber doch besser als in der letzten Nacht hier mit dem C8.

Der Wind war die ganze Zeit da, teils mit stärkeren Böen. Dort wo ich saß, dicht ans Auto gedrängt, habe ich fast nichts davon gespürt. Das war sehr angenehm. Die doch schwierigen Objekte, das fordert höchste Konzentration, hat mich schon mürbe gemacht. Saturn als Abschluss - das war nur ein Gezappel. 

Ich packte zusammen, nahm danach Canis Maior an die Leine, wir marschierten noch ein Stück des Weges und zurück zum Auto. Nicht schlecht, sich die Beine noch etwas zu vertreten, der Sitz am Teleskop ist nicht gerade so angenehm, aber allemal besser als stehen beim Beobachten, wie ich es in jüngeren Jahren praktiziert hatte.

Die Rückfahrt - so wie ich zum Beobachtungsplatz gekommen bin, retour, mit Umweg. Um 23:30 MESZ kam ich daheim an, zu einer noch fast "christlichen" Zeit.

Abschließend kann ich nur sagen: Unter dunklem Himmel, hier im Weinviertel ist der Südhimmel doch aufgehellt, wären beide Objekte mit dem 5.7" f/6 Maksutov Newton leichtere Beute gewesen. Mittlerweile bin ich aber etwas "faul" geworden. Eine Fahrt auf die Ebenwaldhöhe oder Steyersberger Schwaig kommt für mich eher nur noch in Frage, wenn hier gar nichts mehr geht, der Hochnebel über dem Weinviertel liegt, oder wenn ich auf einen besseren Himmel angewiesen wäre.

Howdii