Die spätsommerliche Hochdruckphase, die uns auch eine Reihe von klaren Nächten beschert hat, wird dem Ende zu gehen, das war klar. Vielleicht wäre es die letzte sicher klare Nacht, daher wollte ich nicht spekulieren, und plante eine Einsatz. Dass nicht der beste Himmel zu erwarten wäre, hat sich schon untertags gezeigt. Gegen die Sonne hin zeigte sich der Himmel milchig, selbst in die Gegenrichtung nur "schön blau", nicht so tief blau wie es mitunter sein kann. Ich hatte schon etwas Heikles auf dem Programm, man muss aber abwarten was der Himmel letztlich hergeben würde. Für irgend etwas zum "Genuss Spechteln" würde es schon reichen.
Ich war auch nicht bestens ausgeruht, vom Freitag her hatte ich noch etwas Schlafmangel, von einer langen Tagestour her. So etwas hängt mir schon drei bis vier Tage nach.
Unvorbereitet sollte ich nicht an schwierige Objekte herangehen. So suchte ich meine Objekte im Tri-Atlas C-Kartenset, und druckte Aufsuchkarten aus. Nebenbei hatte ich noch auf einem Zettel die Koordinaten notiert, sicher ist sicher. Das Jahr schreitet voran, die Tage werden nun merklich schnell kürzer. Ich musste mich sputen. Als ich am Beobachtungsplatz ankam, war die Dämmerung schon weit fortgeschritten. Ich konnte so unverzüglich an den Aufbau gehen: das alte C8 auf der iOptron ieq45, drunter das Baader Hartholzstativ. Nach dem Stern Alignment an Vega war der Himmel schon dunkel genug - es konnte los gehen.
Abell 39 (PK 47+42.1) war mein erste Ziel. Die Eckdaten dieses planetarischen Nebels: 13.7 mag, 2.5' Durchmesser. Prinzipiell kenne ich dieses Objekt, habe es etliche mal beobachtet, mit meinem 8" f/6 Maksutov-Newton, und einmal bin ich sogar so frech gewesen, mit dem kleinen 5.7" Maksutov-Newton mich dran zu versuchen - es war damit zwar vage, aber doch erkennbar. Mit dem 8" war es nicht gar so schwierig, so meine Erinnerung.
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Abell 39: Screenshot aus dem Tri-Atlas C-Kartenset. Die Ansicht im C8 mit Zenitspiegel ist natürlich seitenverkehrt.
Anmerkung: Das Objekt liegt knapp an einer Blattgrenze. Auf dem Nachbarblatt ist Abell 39 auch nur am Rand drauf. Diese oben gezeigte Karte ist besser nutzbar.
Als ich bei knapp 80x ins Okular blickte, fiel mir sofort dieses Sterntrapez südwestlich des Objekts auf. Wenn man die östliche Seite nach Nordost hin verlängert, kommt man zu einem "Doppelstern". Mit den beiden nördlichen Sternen des Trapez und dem "Doppelstern" bildet das Objekt ein unregelmäßiges Viereck. Da bleibt etwas Spielraum in der Abschätzung der Position. Freilich, ohne Nebelfitler war gar nichts vom Objekt zu sehen. Ich wollte mich nur orientieren, und die Position einmal etwas eingrenzen. Ich musste das Feld so verschieben, dass ich nur mehr die beiden nördlichen Sterne des Trapez im Feld hatte, dann sollte das Objekt etwa in der Feldmitte sein. Erster Versuch mit UHC Filter: Da könnte etwas sein, sehr vage, unsicher. Aber es sah einfach nicht nach Abell 39 aus.
Mit dem [O III] Filter war es erst mal zappenduster im Okular. Die Himmelshelligkeit spiegelte vom Filter zurück. Ich musste mit beiden Händen das Licht seitlich abschirmen, und dabei war es schon schwierig, das Auge noch richtig zum Okular zu positionieren. Mit Filter muss man nachfokussieren, und das auch mit indirekter Sicht. Dann versuchte ich es mit flächigem Blick, aber es blieb wieder nur beim Verdachtsmoment, da könnte was sein. Es war zäh, Abell 39 wollte nicht wirklich "kommen". Ich machte eine Pause, ging dann wieder ans Okular. Erst brauchte es erneut etwas Dunkeladaption, bis mehr und mehr Sterne sichtbar wurden. Dann, gerade als ich wieder mal die Einblickposition meines Auges korrigieren wollte, blickte ich links unterhalb der geschätzten Objekt Positon, und: da war er auf einmal - Abell 39! Dieses relativ große, geisterhaft bleiche Scheibchen, so wie ich es in Erinnerung habe, es mit meinem 8" Maksutov-Newton gesehen zu haben! Unweigerlich sprach der "akustische Detektor" an. Ich versuchte, ob ich den Nebel nochmals erwischen könnte, allein, es wollte nicht sein. Da es ja so eindeutig war, gab ich mich letztlich zufrieden, ich hatte noch eine heikle Suche vor mir, und wollte nicht meine ganze Energie jetzt gleich verpulvern.
Just da läutete mein Mobiltelefon. Andi war dran, und meldete, dass er Abell 46 jetzt auf einer fünfminütigen C8 DSLR Aufnahme sehen könne.
Ich blickte mich am Himmel um. Direkt im Zenitraum war die Milchstraße ja recht respektabel zu sehen. Die Schildwolke hingegen nur blass, und darunter gar nichts mehr von der Milchstraße vorhanden. Eine SQML Messung, etwas mehr nach Nord aus dem Zenit gehalten, damit ich nicht die Milchstraße mit messe, ergab 21 mag/arcsec2 geradeaus. Das übersetzt sich immer noch auf etwa 6 mag, aber das galt auch nur für den engeren Zenitraum. Schon auf etwa 50 Grad Höhe war es schon weniger, einen 5.8 mag Stern in der Deichsel des Kleinen Wagens konnte ich nur mit Mühe ankratzen. Darunter weiter leichter Abfall und die letzten 10 bis 15 Grad vom Horizont herauf war es recht trüb. Lichtglocke hin oder her, den Schützen hab ich schon wesentlich besser hier gesehen, die hellen Sterne des Sternbilds konnte ich nur mühsam zuammenkratzen. Südwind, daher viele Flugzeuge Richtung Wien direkt drüber, und die Erfahrung hat gezeigt, äußerst selten hat es bei Südwind guten Himmel gegeben.
Ich hatte es nicht sonderlich eilig, mein nächstes Objekt im Adler, dieses Gebiet kam nach und nach aus dem Bereich der Wiener Lichtglocke heraus.
NGC 7662 (PK 33-06.1), planetarischer Nebel, 12.7 mag, etwa 1.4', leicht oval. Dazu musste ich keine Koordinaten in die Handbox eintippen, den NGC Katalog hat ja jede Goto Steuerung drin.
NGC 6772: Screenshot aus dem Tri-Atlas C-Kartenset. Die Ansicht im C8 mit Zenitspiegel ist natürlich seitenverkehrt.
Anmerkung: Ich habe hier bewusst einen größeren Ausschnitt gezeigt. Grund: Siehe weiter unten.
Ich saß nun da, und versuchte irgend etwas von dem, was ich im Okular sah, auf der Karte zu finden. Allein, es gelang mir nicht. Nichts wo ich dachte, das könnte es sein, passte dann mit dem im Okular zusammen. Da Wind aufgekommen war und ich ein wenig mit dem Papier in der Hand raufen musste, legte ich es zur Seite. Nach dem Ende des Goto Vorgangs sah ich mir auch die Umgebung an. Ich verfuhr das Teleskop ein Stück, da fiel mir gleich eine Dreierkette von etwas helleren Sternen auf. Dort wo mich das Teleskop direkt hin führte, nach Eingabe des Objekts, fand ich einen Bogen aus etwas schwächeren Sternen, der nach Südwest hin in eine Gerade auslief.
Ich setzte auf Glück. Zuerst ließ ich Altair per Goto anfahren. Der Stern war fast in der Bildmitte, den kleinen Offset korrigierte ich, und setzte einen Sync Befehl ab. Dann wieder zum Objekt. Ich landete wieder dort mit dem Bogen aus etwas schwächeren Sternen. Nun müsste ich eigentlich in der Bildmitte fündig werden. Der Sternbogen führte nördlich herum. Irgend einen helleren Stern, an dem ich mich orientieren könnte, wie die Karte suggeriert, um das Objekt zu treffen, fand ich so nicht.
Bei knapp 80x nahm ich diesen Bereich einmal so unter die Lupe. Da hatte ich schon einen Verdacht auf ein Nebelfleckerl. Mit UHC Filter erhärtete sich der Verdacht, da ist definitiv etwas. Mit dem [O III] Filter war die Sache klar, nun gab es keinen Zweifel. Ich ging noch mit knapp 100x und [O III] Filter drauf. Auf einmal hatte ich da einen dicken, etwas ovalen Ring für einen Bruchteil einer Sekunde. Häh? Was war das? Aber genau so habe ich NGC 7662 beschrieben, mit dem 18" Dobson (1997), und das Objekt war damit gar nicht schwierig. So kam ich halt auf die Idee, zu versuchen, was mit einem Achtzöller auszurichten wäre.
So, gesehen hab ich dieses Ding. Aber mit der Sternkarte war ich nicht klar gekommen. Daheim warf ich Cartes du Ciel an, stellte NGC 6772 genau in die Bildmitte, und ließ das DSS Bild drüber legen. Ah, was ich hier zu sehen bekam, das kam mir gleich bekannt vor, das war so im Okular zu sehen. Natürlich nicht in diesem Sternenreichtum, es ist ein sehr dicht besetztes Milchstraßenfeld. Ich habe das DSS Bild in Gamma zurück genommen und den Kontrast erhöht, damit die helleren Sterne besser zur Geltung kommen, und dass das Bild weniger von den unzähligen schwachen Sternen überschwemmt wird.
DSS Ausschnitt mit NGC 7662, Gamma und Kontrast modifiziert. NGC 7662 ist hier klar als leicht ovaler "Annulus" zu sehen.
Eines kann ich fix sagen: NGC 6772 habe ich just dort gefunden, wo er auch auf dem DSS Bild drauf ist, kein Wunder.
Erst mal suggeriert die Tri-Atlas Karte, dass NGC 6772 und K 2-10 ein und das selbe Objekt sei. Ist das wirklich so? Bei NGC 6772 findet man keinen Hinweis auf eine alternative Bezeichung K 2-10. Frag doch Google, der weiß doch alles, oder? Weit gefehlt. Wenn es an solch "exotische" Suchbegriffe wie zu diesem Kohoutek Objekt geht, sind die Algorithmen schnell am Ende. Oder fehlt es einfach an Daten auf die man zugreifen kann? Alles mögliche an Kohoutek Objekten wurde mir angeboten, das gesuchte kam nirgendwo vor.
Mir blieb nur der Blick in mein altes Referenzwerk: Steven J. Hynes, Planetary Nebulae. Hier finden wir für beide leicht unterschiedliche Koordinaten, demnach auch eine unterschiedliche PK Nummer. K 2-10 wird hier unter PK 32-6.1 geführt.
Nehmen wir die 2000.0 Koordinaten und Info aus dem Hynes:
NGC 6772: RA 19h 14.6m Dec
-2° 42.3' > 62" Irregular
disk, traces of ring structure
K 2-10: RA 19h 13.3m Dec
-3° 31.9' 22" Ring
structure
Also, wenn die Koordinaten von K 2-10 richtig wären, dann sollten wir ihn sogar noch auf dem DSS Bild sehen, ziemlich unten am Rand, etwas weiter westlich als NGC 6772. Da ist aber nichts zu finden. Es scheint ein Koordinaten Mischmasch zu sein. NGC 6772 wurde visuell entdeckt, 1784, von Wilhelm Herschel. Der angegebene Durcbmesser wurde sicher fotografisch ermittelt. K 2-10, aus irgend einem Grund im Kohoutek 2 Katalog gelandet, der Durchmesser wohl auch von einer Fotoplatte, zwischen Blau und Rot kann da schon ein Unterschied bestehen.
Weiter: ich sah mir die Tri-Atlas Karte immer wieder an, und fand so gar nichts, was ich dem DSS Bild zuordnen könnte. Schon wollte ich schreiben: Wer's schafft, ich wäre dankbar für Hilfestellung. Nun, weit besser ausgeschlafen habe ich mich nochmals darin vertieft, und: Ja, ich finde nun eine Zuordnung. aber es immer noch schwierig. Die Sternhelligkeiten, wie sie in der Karte suggeriert werden, passen so gar nicht zum DSS Bild, und dem, was ich eben im Okular sah, weil das mit dem DSS Bild gut überein stimmt. Was ich immer noch suche, ist die helle Dreierkette aus dem DSS Bild. Wer selber nachsehen will: Karte Nr. 272 aus dem Tri-Atlas C-Set. Und zum Vergleich ein Blick durchs Okular mit dem eigenen Teleskop.
Wenn Stern Positionen passen, die Helligkeiten aber nicht, dann ist es immer noch ein Kartenfehler. Ein alter, weil auch in meiner alten Uranometria 2000.0 schaut es nicht wirklich anders aus. Freilich löst das Tri-Atlas C-Set besser auf als die Uranometria.
Jedenfalls, nach der Beobachtung von NGC 6772 war ich schon ordentlich müde. Eine Kontrolle stand noch an: Bei 150x nahm ich die Bildmitte nochmals ins Visier, ob mich hier irgend etwas an dicht stehenden schwachen Sternen täuschen hätte können. Ich fand nichts was verdächtig wirkte. Außerdem das Ansprechen auf Nebelfilter, UHC, und noch besser auf [O III], das kann kaum von einer Täschung kommen.
Ich "trank" noch etwas vom Licht des M13, wunderschön bei 150x, und riskierte auch einen Blick auf Saturn bei eben dieser Vergrößerung. Das Seeing erwies sich wenig kooperativ, nur selten gab es klarere Momente.
Ich packte zusammen. Dann nahm ich noch Canis Maior an die Leine, wir spazierten, wie üblich, ein gutes Stück des Weges entlang und zurück zum Auto.
Langsam rollte ich heimwärts, mit Smooth Jazz aus den Lautsprecher des Autos, ich war wirklich schon zum Aufstreichen weich. Um 1 Uhr bin ich gut daheim angekommen.
Howdii