Eine klare Nacht kündigte sich an. Ich hätte sie für einen Kundentermin nützen können, doch wenn die Leute anderweitig verplant sind, habe ich die Wahl, was damit zu tun. Ich beschloss, ich schnapp mal wieder das C11, die iOptron CEM60 und das Berlebach Stativ, und fahr' hinaus. Es war ein heißer Tag, und auf freiem Feld ist es sowieso angenehmer als in der Stadt. Wohin? Der Höhenrücken östlich von Niederleis wäre ok, aber ich würde erst mal sehen müssen, ob es dort geht. Als Alternative hatte ich im Fall des Falles den Buschberg, dort ist man auf jeden Fall nicht direkt mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten konfrontiert, aber mein Programm würde ich so nicht durchziehen können.
Nach Sonnenuntergang packte ich mein Sachen ins Auto, langsam, schön langsam, damit man nicht so sehr ins Schwitzen kommt. Zum Beobachtungsort ging es natürlich klimatisiert.Was ich so sah, die Getreidefelder oberhalb von Niederleis alle abgeerntet. Am Ostende des Güterwegs angekomnen hatte es 21°, und es war noch recht helle Dämmerung. Ein Traktor mit Anhänger stand da im Feldweg nach Norden, aber niemand da. Sicheheitshalber positionierte ich mein Auto in diesem Kreuzungsbereich weiter nach Süden, dicht am Gras. Hinter dem Auto wollte ich nicht aufbauen, erstens, kein Polarstern, wenn ihn der Kübel verstellt, und das Auto strahlte noch genug Wärme ab. Canis Maior blieb im Auto, ich hatte aber alle Fensterund Türen offen, so war es auch ok, vor allem mit einem leichten Luftzug. Sowas empfindet man relativ - im Sommer als angenehm, im Winter bei heftigeren Minusgraden zermürbend.
Das Teleskop baute ich etwas links vor der Motorhaube auf, Wärmestrahung von dort bekam nich nicht ab, der leichte Wind kam von Nordwest. Neben meinem Teleskop würde man vorbeikommen, wenn irgendwer wollte oder müsste. Das Teleskop stand schon da, hörte ich ein Auto vom Ort her kommen, dann sah ich auch schon Licht. Es war ein Pickup, der zu dem Traktor fuhr. Im nächsten Augenblick war es dunkel. Dann Licht am Traktor, dieser setzte sich in Bewegung und fuhr die Strecke retour, die das Auto gekommen war. Ich bekam halt eine Ladung feinen Staubs ab, auch die Linse des Teleskops. Oida, häst halt schnell den Deckel aufgesetzt. Leider, der war in der Schachtel, und die schon wieder im Auto, tief vergraben im Kofferraum, davor schon anders Gerümpel ausgebreitet. So schnell hätte ich gar nicht umräumen können. Da es warm war, hatte ich auch keine dünne Jacke mit, die ich über die Optik hätte hängen können. Zumindest war danach Ruhe, keine Störung mehr.
Meinen Astrostuhl hatte ich mit, dafür die Taukappe für's C11 nicht. Aber ja, in dieser warmen Nacht, in dieser trockenen Luft, würde ich keine Tauprobleme bekommen. Die Poljustierung hatte ich schon erledigt, balanciert war auch schon, einzig das Stern Alignment fehlte noch. Es war noch viel zu hell um mit der Beobachtung zu beginnen, so schnappte ich mein Mobiltelefon, es war noch Zeit für ein Plauscherl.
Mein Programm umfasste ein starkes Dutzend Objekte. Da gibt es noch einige für mich unerforschte Dinge, die ich mal in Augenschein nehmen wollte. Keine Survey, eher wahllos herausgegriffene Objekte, mal schauen, was da kommt. Von halbwegs Nacht bis zum Mondaufgang blieben ja nicht mal zwei Stunden über. Am Nordhimmel hing immer noch ein hellerer Dämmerungstreifen, doch der Südhimmel würde eh nicht mehr dunkler werden, somit startete ich meine Beobachtung.
NGC 5897, der "Geist-Kugelhaufen", war mein erstes Ziel. Da war ich erst kürzlich mit dem C8 dran. Was nun? Eine nebelige Aufhellung fand ich nicht mehr (110x, 125x), allerdings mehr schwache Sterne, die in Summe schon einen recht lockeren Kugelhaufencharakter annahmen. Allerdings weit weg von spektakulär, und ich musste mir die schwachen Sterne rundum indirekt abklappern. Im Hirn baut man draus dann einen Kugelhaufen, oder etwas, das dem zumindest ähnelt. Werfen wir noch einen Blick auf die Daten: Visuelle Helligkeit 8.6 mag, etwa 13 Bogenminuten Durchmesser, schwache Verdichtung. Die hellsten Sterne liegen bei 13.3 mag, die Helligkeit dermeisten Sterne beginnt bei knapp jenseits von 16 mag. Da kommt man nicht gar so leicht ran, und damit ergibt sich halt nur ein "Geist" von einem Kugelhaufen.
M80 ist ein ganz anderer Kandidat. Die visuelle Helligkeit liegt bei 7.3 mag, der Durchmesser bei knapp 9 Bogenminuten. Die hellsten Sterne gibt es ab 13.4 mag, die Helligkeit der meisten beginnt bei 15.8 mag. Dieser Kugelhaufen ist sehr dicht, ein richtiger Knaller im Okular (knapp 215x). Man kommt leichter an Sterne ran, die man auflösen kann, quer drüber, und auch direkt vor dem hellen und sehr kompakten Zentrum konnte ich etliche Sterne auflösen. Klingt toll, dennoch, ich war Anfang Juli da mit dem alten C8 dran, und fiel nicht weit ab von dieser Beobachtung. Dazu später noch ein Kommentar.
Die nächsten Objekte waren NGC 6144, NGC 6235, NGC 6287 und NGC 6284. Ich fuhr sie der Reihe nach an, und sah erst mal gar nichts. Ha? Was ist da los? Ich hatte immer noch die hohe Vergrößerung, und rechts am Sichtfeldrand im Okular spielgelte sich das Wiener Himmelslicht. Bei NGC 6284, wenn ich mit beiden Händen das Seitenlicht abschirmte, hatte ich auf einmal rechts im Bild doch etwas, was nach Kugelhaufen aussah. Also gut, dieses Ding mal zentrieren und einen Sync drauf setzen. Jetzt juckte es mich, und ich ging die Reihe nochmals zurück.
Bis ich wieder bei NGC 6144 war. Dieser Haufen liegt auf der Linie von Antares zu M80, näher an Antares dran als M4. Bei 215x fand ich aber nichts, was an einen Kugehaufen, der Art wie die anderen, erinnern würde. Vielleicht ein paar versprenkelte schwache Sterne. Sehen wir uns die Daten an: Die Gesamthelligkeit von 9 mag klingt nicht so schrecklich. Der Durchmesser von etwa 9 Bogenminuten, was man davon sieht, vielleicht die Hälfte - der Durchmesser kommt immer aus fotografischer Analyse. Die hellsten Sterne ab 13.4 mag, die Helligkeit der vielen dann ab 16.5 mag. Was ist da los? Da sollt man doch wenigstens einen nebeligen Fleck sehen und ein paar Sterne auflösen können. Was festzuhalten ist, mehr in der Lichtglocke, und wenn die Sachlage ähnlich dem "Geist" Kugelhaufen ist, ist das ein weiterer? Ich muss da nochmals ran.
NGC 6235 - werfen wir gleich einen Blick auf die Daten. 10 mag Gesamthelligkeit, auf nur 5 Bogenminuten Fläche. Die hellsten Sterne gibt es ab 14 mag, die mehreren dann ab 16.7 mag. Es zeigte sich ein Nebelfleck, mit schwacher Verdichtung, ein paar Einzelsterne waren raus zu picken. Mehr nicht. Aber auch in der Lichtglocke, dennoch, das sah schon nach typischem Kugelhaufen aus.
NGC 6287: hier hat mich meine Datenquelle, der DSFG zur Uranometria 2000.0 im Stich gelassen. Im Verweis auf Seite 337, dort findet man aber keinen Eintrag. Dann schauen wir mal in den NGC 2000.0, was dort zu finden ist. Gesamthelligkeit 9.2, Durchmesser 5.1' Sterne 16 mag, graduell zum Zentrum verdichtet. Das war auch mein Eindruck, und teilweis konnte ich den Haufen ankratzen, in Sterne auflösen.
NGC 6284: Aus dem DSFG - 8.9 mag, der NGC2000.0 meint: 9 mag Gesamthelligkeit. Da ist nicht viel um. 5.6 Bogenminuten Durchmesser sagen beide Quellen., Der NGC 2000.0 gibt eine Verdichtung zum Zentrum hin an, die meisten Sterne gibt es ab 16.6 mag, sagt der DSFG, 16 mag, sagt NGC 2000.0. De facto im Okular ein etwas mehr zum Zentrum verdichteter Haufen, wenige Sterne ankratzbar.
Die letzten drei Kugelhaufen waren in gewisser Weise recht ähnlich. Mehr oder weniger in ein paar Sterne aufzulösen, etwas mehr oder weniger zum Zentrum hin verdichtet. Das Teleskop schaute schon mehr in die Lichtglocke. Da darf man sich auch nicht all zu viel erwarten.
M19 war mein nächstes Ziel. Wieder so tief wie etwa Antares am Himmel. Ich blieb gleich bei 215x. Mit 6.7 mag ist dieser Kugelhaufen deutlich heller, der Durchmesser wird mit 13.5 Bogenminuten angegeben. Die Sternkonzentration ist moderat. Die hellstern Sterne gibt es ab 14 mag, und die meisten dann ab 15.3 mag. Durch die Himmelsaufhellung und den Dunst bleibt die Ausbeute geringer als sie hätte sein können, jedoch konnte ich Einzelsterne auflösen und den Haufen einigermaßen grießlig sehen.
M62 ist nochmal ein paar Grad tiefer am Himmel. 6.7 mag Gesamthelligkeit, 14 Bogenminuten Durchmesser, relativ hohe Sternkonzentration, die hellsten Sternen ab 13 mag, die meisten dann ab 16.3 mag. Klingt jetzt nicht soo hart, aber den Umständen entsprechend, war die Beobachtung schwierig. Mehr als den Haufen angegrießelt zu haben, war nicht zu wollen. Die Vergrößerung war gleich wie bei M19.
Es war an der Zeit, dass ich wieder höhere Himmelsgebiete anvisiere. Mein nächstes Objekt war M9. Die Daten zum Vergleich: Gesamthelligkeit 7.3 mag, etwas mehr als 9 Bogenminuten im Durchmesser. Eher geringe Verdichtung zur Mitte. Die hellsten Sterne ab 13.5 mag, die meisten dann ab 16.2 mag. Den dunkleren Himmel nach gab dieser Haufen gleich mehr her. Es grießelte deutlich und ein paar hellere Sterne fielen auf. Die Vergrößerung lag wieder bei 215x.
Weiter zu NGC 6356. Das Fernrohr fuhr nur ein kleines Stück weiter. Der Kugelhaufen war im Bild. Die Daten: 8.2 mag, etwas mehr als 7 Bogenminuten Durchmesser. Ziemlich hoch zum Zentrum hin verdichtet. Die hellsten Sterne ab 15 mag, die meisten dann ab 17.7 mag. Als Vergrößerung hatte ich weiterhin 215x. Obwohl die Daten weniger freundlich wirken, war das Beobachtungsergebnis nicht gar so schlecht. Grießlig allemal.
Nun ein großer Sprung am Himmel, zur anderen Seite der Lichtglocke, aber relativ hoch. NGC 6760. Der letzte Kugelhaufen auf meiner Liste. 9.1 mag Gesamthelligkeit, Durchmesser 6.6 Bogenminuten. Sternkonzentration relativ niedrig. Die hellsten Sterne ab 15.6 mag, die meisten dann ab 17.5 mag. Der wesentlich höheren Position am Himmel geschuldet war die Beobachtung nicht so schlecht. Wenn es viele Sterne einer gewissen Helligkeit gibt, erhascht man indirekt schon mehr davon. Also auch dieser Kugelhaufen war grießlig zu sehen.
An dem offenen Haufen NGC 6755 war ich Anfang Juli schon mit dem C8 dran. Mit dem C11 (110x) kam ich freilich auf schwächere Sterne als mit dem alten C8, so sah dieser Haufen doch sternreicher aus. Den Eindruck, dass es Häufung an zwei Stellen gibt, hatte ich auch diesesmal. Nicht uninterressant zu sehen. Dieser Haufen bildet mit NGC 6756 möglicherweise einen Doppelhaufen. Ich ging mit der gleichen Vergrößerung drauf. Ich fragte mich, häh, wo ist da der Sternhaufen? Ich fand etwas abseits der Bildmitte eine Gruppe aus schwächeren Sternen, auf den ersten Blick ein längliches Wölkchen. Als ich das Feld etwas abfuhr, befand ich ein "Loch" in der Mitte, diese Sterngruppe etwas außerhalb der Mitte, und rundum im Ring hellere Sterne. Ein sehr eigenartiges Ding. Hier wäre weniger Vergrößerung hilfreich gewesen. Ich wollte aber nicht noch meine längerbrennweitigen Okulare extra raus kramen.
Weitere Abwechslung, ein planetarischer Nebel: NGC 6741, "Phantom Streak Nebula" genannt. 11.4 mag, 6 Bogensekunden Durchmesser. Bei 215x fiel mir schon ein grünliches, helles Ding im Feld auf. Indirekt war es auch deutlich dicker als ein Stern. Ich steigerte die Vergrößerung nun auf 330x. Es zeigte sich ein grünliches, längliches Nebelfleckerl, immer noch recht hell. Ja, an diesem Ding habe ich mich schon öfter, mit diversen Teleskopen abgearbeitet. Und es hat immer noch so hohe Vergrößerung gebraucht, um die etwas längliche Gestalt zu erkennen.
Auch NGC 6790, ebenfalls ein planetarischer Nebel, ist mir von früheren Beobachtungen bekannt. 10.5 mag, 7 Bogensekunden Durchmesser. Bei 330x ein grünliches kleines Scheibchen, aber recht hell.
Jupiter war aufgegangen, bis Mondaufgang blieb noch etwa eine halbe Stunde. Mit meiner Liste war ich mal durch. Aber was kostet es, ich hielt mit 330x auf M71 drauf. Jessas, bei dieser Vergrößerung sieht dieses Ding komplett anders aus. Also an die Sterne, an die man relativ leicht herankommt, die waren komplett aufgelöst, es sah eher nach offenem Haufen aus. Schwächeren "Grieß" fand ich nicht.
M27 bei 330x, ein Riesending im Okular. Viele Sterne im Nebel, der Zentralstern sowieso, und Strukturen im Nebel.
Saturn, bei 330x, keine Augenweide. Schwimmschule.
Nun trat ich mal zur Seite, richtete meinen Blick gegen den Himmel. Die Milchstraße war von der Cassiopeia, durch den Cepheus bis zum Schwan recht gut zu sehen, im Schwan auch, doch weiter nach Süden verlor sich der Glanz. Die Schildwolke war nur mau und ging fast im Dunst verloren. Die omnipräsente Lichtglocke von Wien hatte einen dunklen Streifen drin. Insgesamt, der Himmel weit nicht so gut wie bei meiner letzten Beobachtung zu Beginn des Monats, ebenda.
Ich baute erst mal ab, und verstaute meine Sachen im Auto. Derweilen ging auch der Mond auf. Nun nahm ich noch Canis Maior an die Leine, ein paar Schritte gehen. Als ich zum Auto zurück kam, stand der abnehmende Halbmond etwa drei Grad hoch, und das reichte schon, um den Himmel merklich aufzuhellen.
Was ich damit noch sagen will, man hat es an M80 gemerkt, da bin ich mit dem C11 nicht allzuviel weiter gekommen als ich schon mit dem alten C8 zu Beginn des Monats dran war. So kann es eben laufen, dann hilft eine wesentlich größere Optik auch nicht viel weiter. Die Wahl, das C11 für diese Beobachtung zu nehmen, war jedenfalls kein Fehler.