Es hat den Anschein, dass wir all das Schönwetter zur Neumondzeit für's Jahr schon ziemlich aufgebraucht haben. Sehr durchwachsen, aber der 21. April zeigte sich als sonniger Tag mit kaum einer Wolke am Himmel. Die vergangene Nacht war für mich unerwartet kürzer ausgefallen, ich war nicht wirklich ausgeschlafen. Daher habe ich am Nachmittag eine Siesta eingebaut. Als Andi anrief, war ich noch so am Dösen, und er dürfte mitbekommen haben, dass ich nicht ganz bei der Sache war. Meine Frage, was los sei, quittierte er mit Datum und Uhrzeit. Aha. Eine Supernova gäbe es, in einer kleinen Galaxie direkt neben M60. Ob wir etwas unternehmen könnten? Ja freilich, und es sollte sich ausgehen bis Meridiandurchgang, bevor Wolken aus dem Süden - ein Adria Tief war im Anrollen - bis zu uns vordringen würden.
Zeit war noch genug. Ich richtete schon die Akkus her, checkte, ob alle geladen sind, und ging etwas nach 18 Uhr MESZ in die Sternwarte, das Dach öffnen, den Newton justieren und den Lüfter für den Hauptspiegel anwerfen. Andi kam bald nach 20 Uhr, da war es noch sehr dämmrig. Egal, es braucht eh Zeit, bis man wirklich bereit ist, die Aufnahmeserie zu starten. Erst mal Flats ziehen. Dann Arktur anfahren, zum Fokussieren und zum Plate Solving. Komisch, bislang hatten wir den gewünschten Stern immer schon im Feld, nahe der Sensormitte, doch diesesmal gar nicht drauf. Was ist da wieder los? Jetzt im Nachhinein, wo ich diese Zeilen schreibe, kommt es mir: Ich hatte wohl den Newton zum Justieren waagrecht gelegt, und dann wieder ungefähr in Zero Position eingekuppelt. Was der Fehler war: Die Anweisung an die Steuerung zur Einnahme der Zero Position war nicht erfolgt. Aber auch wurscht, es hat letztlich geklappt, ASTAP sei Dank.
Nächstes Ziel war Vindemiatrix im Sternbild Virgo. Diesen Stern hatten wir gleich im Bild. Dann weiter zu M60. Andi zog ein Testbild von 3 Sekunden, da war M60 drauf zu erkennen, der Kern von NGC 4647 und auch die Supernova. Fertig, wir können abbauen!
Nein, so schnell nicht. Bis zum Meridiandurchgang waren noch mehr als 2 Stunden Zeit. Bis der Guider kalibriert war und alles startbereit war, vergingen weitere Minuten. Der Himmel war nun dunkler geworden, und unser Zielgebiet am aufgehellten Stadthimmel wird sowieso nicht mehr besser. Nach einem ersten 3 minütigem Testbild startete Andi die Serien. Andi wartete die ersten Bilder ab, und fluchte über die Sat Spuren - gleich eine mitten durch M60 auf dem ersten Bild, und im dritten noch mal eine Spur.
Ich verschwand einstweilen aus der Sternwarte. Da es nicht so kalt war, wollten wir die Supernova auch visuell knacken. Ich stellte das originale Stativ für meine iOptron ieq45 auf der Terrasse auf, nahe am Haus, wo die Granitplatten noch fest sind. Als die Montierung schon auf dem Stativ saß, überlegte ich kurz, welches Teleskop? Im Kopf hatte ich mein altes Ofenrohr, den 5.7" f/6 Maksutov-Newton. Der wurde es auch, weil hinten rein schauen, so knapp an der Hausmauer wird nicht gut möglich sein. Andi half beim Aufbau mit, so standen wir doch recht flott mit einem fertig aufgebauten Teleskop da. Natürlich ohne Poljustierung. Durchs Haus kann ich ja nicht schauen. So fuhr ich mal Arktur an, um zu sehen, wo der im Sucher hin fallen würde. Andi hatte schon gemerkt, dass die Polachse mehr nach Osten gedreht werden müsste, die Azimut Verstellung war schon auf Anschlag. Ich rückte kurz das ganze Stativ ein wenig nach, und blickte ins Okular. Ich nahm die Tastatur in die Hand und bewegte das Teleskop ein wenig, da fuhr Arktur schon am Rand durch das Sichtfeld des 27mm Panoptic Okulars. Gar nicht so übel. Dann mal diesen Stern zentrieren, und einen Sync absetzen. Nächstes Ziel: M60. Ein Blick ins Okular, da ist was, das sollte M60 sein. Ich nahm nun das 15mm Eudiascopic Okular zur Hand, und untersuchte, was im Feld zu sehen wäre. Da entdeckte ich die zweite Galaxie, NGC 4647, und hatte wohl einen goldenen Moment, weil dort wo ich die Supernova vermutete, stach ein Stern hart heraus. Andi kam nicht wirklich zurecht damit, das Herumfischen in der trüben Suppe ist kein Honiglecken.
Um andere Saiten aufzuziehen, räumte ich mal die verwendeten Okulare weg und holte den anderen Okularkoffer. Mal das 17.5 mm Morpheus. Sicher angenehmer, das größere Feld, aber besser war's auch nicht. Das 14 mm Morpheus allerdings war schon besser. Da war die zweite Galaxie auch für Andi schon sicher zu sehen, und er dürfte auch die Supernova schon angestreift haben. Nächste Station mit dem 12.5 mm Morpheus. Das war gut. Jetzt waren die beiden Galaxien klar definiert, und die Supernova leichte Beute. Optimal, wollte man sagen. Ich probierte dennoch das 9 mm Morpheus. Erster Eindruck, das ist schon wieder zu viel. Oder doch nicht? Man muss sich erst drauf einlassen. NGC 4647 hatte nun einen flächige Ausdehnung, nicht nur der helle Tupf in der Mitte, und die Supernova war indirekt für mich zu halten! Ein schönes Beispiel, wie man sich Objekte holt, wie man dem Auge die Arbeit durch die richtige Vergrößerung erleichtern kann, und wie damit auch die Beobachtung an Qualität gewinnt. Das war schon richtig gut, und ganz nach meinem Geschmack.
Etwas Zeit war noch, ein bisserl Genuss darf noch sein, M3 zum Beispiel, wunderschön mit dem 9 mm Morpheus, oder auch M13, knapp neben dem Haus erwischt. Ein feines Teleskop, die Morpheus Okulare, und der Zauber ist fertig. Diese Abbildungsqualität hat was. Egal, die Zeit war fortgeschritten, und unsere letzte Bildserie lief. Somit hieß es, das "Gerümpel" von der Terrasse entfernen, und dann in der Sternwarte aufräumen.
Freilich wäre wünschenswert gewesen, mehr Aufnahmen im Stack zu haben. Bei der Bearbeitung hatte ich schon ziemlich mit dem Rauschen zu kämpfen. Klare Sache, zwei Stunden drauf halten unter dunklem Himmel wäre weniger arbeitsaufwändig gewesen - die Fahrzeit aber hätte mehr betragen, und, vielleicht hätten wir auf der Ebenwaldhöhe schon während der Aufnahme mit Wolken zu tun gehabt. Egal wie, dieses Bild ist dennoch etwas mehr als eine reine Dokumentation der Supernova geworden.
M60, und NGC 4647 mit der Supernova 2022hrs: 8" f/5 Fotonewton auf der iOptron CEM120, ZWO ASI 2600 MC-Pro, 40x 3 Minuten
Zum Bild: Die helle elliptische Galaxie ist M60. Rechts oberhalb, die face-on Spiralgalaxie (eine Balkenspirale) ist NGC 4647. Die Supernova 2020hrs ist der relativ helle Stern in den Außenbereichen von NGC 4647 Richtung zu M60. Die auffällige linsenförmige Galaxie rechts unten ist NGC 4638, gleich links davon das kleine Ding ist NGC 4637. Das Bemmerl etwa in der Verlängerung der Linie NGC 4647 - M60, etwas links oberhalb eines helleren Sterns, ist LEDA 42846. Direkt oberhalb von M60 finden wir noch so ein schwaches Bemmerl, es ist LEDA 1397198. Damit hätten wir die auffälligsten Dinge im Bild erledigt.
Bei der Supernova 2022hrs handelt es sich um eine Supernova vom Typ Ia. Sie wurde am 16. April 2022 von Koichi Itagaki (ja, der schon wieder) mit einer Helligkeit von 15 mag entdeckt. Zu unserem Beobachtungszeitpunkt soll die Helligkeit 13 mag betragen haben. Visuell war sie am Ende doch recht leichte Beute, und auch fotografisch schon mit sehr kurzer Belichtungszeit drauf. In jüngeren Tagen gab es 1979 eine Supernova in NGC 4647.
Beide Galaxien, M60 und NGC 4647 sind gravitativ gebunden, sie sind im Arp Katalog mit der Nummer 116 gelistet, obwohl nach neuesten Ergebnissen eher (noch) nicht wechselwirkend. Es liegen doch 14 Mio. LJ zwischen diesen Galaxien. Freilich zählen beide zum Virgo Haufen.
Übrigens: auf dem Spätausgang mit Canis Maior, nachdem Andi heim gefahren ist, sah ich im Süden erste Wolken, sie standen aber noch unterhalb der Spica. Wir können sagen, mit Glück ist sich alles ausgegangen.
Howdii