Es war schon lange geplant, ein Teleskop Match in der Steiermark, dort, wo ich schon öfter zu Gast war. Dieses mal sollte es einen Paralleltest geben, meinen alten APM 100/800 Fluorit Triplet APO gegen einen mir wohl bekannten, extra scharfen TS 102/700 Triplet APO. Eine kleine Anmerkung: Der APM 100/800 stammt aus den späten 90-er Jahren. Er ist in dieser Form nur relativ kurze Zeit gebaut worden. Der TS 102/700 ist ein Produkt der frühen Zehnerjahre des aktuellen Jahrhunderts. In dieser Form ist er nicht mehr erhältlich. Wozu dann der Test? Weil beide Optiken gut sind, und es allemal interessant ist, einen direkten Vergleich zu haben.
Wir hatten diese Sache für den Juni geplant, weil dafür die Nacht lang genug sein sollte. Immerhin, dort steht die Sonne ein Grad tiefer unter dem Horizont, sollte der Himmel auch ein bisserl dunkler werden als in Juni Nächten des Weinviertels. Die Frage ist halt die mit dem Wetter. Passt es? Gerade der Juni 2020 hat sich mit wechselhaftem Wetter gezeigt. Ein Zwischenhoch, so hoch aber doch auch nicht, hat wenig zugelassen, und nicht überall. Also für's Weinviertel hätte ich keinen Pfifferling auf eine klare Nacht gewettet. In der Steiermark, an diesem Standort, sollte es passen.
Ein kurzes Telefonat, als es Zeit war für mich, einzupacken. Alles soweit ok. Was ich schon im Sat-Bild sah, und auch an den Wolken: Östlich von Mistelbach stand eine Gewitterzelle. Bis ich letztlich bereit war zu fahren, wehte heftiger Wind und es gab ein paar dicke Regentropfen. Reichlich skurril, wenn man aufbricht, um klaren Himmel zu haben. Ich war schon auf dem Weg, kurz vor Wien, erreichte mich ein Anruf aus der Steiermark: Blauer Himmel und kein Wölkchen. Na dann.
Ich hatte zwei Montierungen mit, die iOptron ieq45 und die CEM60. Mein alter 100/800 APO sollte auf die ieq45 mit Baader Hartholzstativ, der 102/700 auf die CEM60 mit Berlebach Stativ. Bis ich ankam, war es schon 21:30 Uhr geworden. In der Abendthermik hatten sich einige Wolken gebildet, und es wurden eher mehr als weniger. Ich machte mir aber keine großen Sorgen, das kenne ich. Also begann ich mit dem Aufbau, man hat ja einiges zu tun mit zwei Montierungen und zwei Teleskopen.
Die Dämmerung war so weit fortgeschritten, dass man erste Sterne sehen konnte. Ich hielt nach dem Polarstern Ausschau, fand ihn aber nicht. Das was ich anfänglich gemeint hatte, war viel zu hoch, es war Kochab. Rückfrage beim Gastgeber. Da ist auf dem Nordhang irgend ein "Gemüse" so hoch gewachsen. Ich musste einen anderen Stellplatz für die Teleskope suchen. Also ja, da stand schon was, und ich konnte zumindest die CEM60 auf weitgehend ebenem Asphalt aufbauen. Die ieq45 musste ich ein bissl weiter unten aufstellen. Es war kein wirklich guter Platz, den ich mir da "ausgesucht" hatte, sollte mich noch ordentlich feigeln.
So weit wurde es langsam, erst machte ich alles mit der CEM60 fertig, dann kümmerte ich mich um die ieq45. Und irgendwann war es geschafft, in beiden Teleskopen war die Vega als Alignmentstern im Okular. Es kann los gehen. Eines, obwohl ich den TS 102/700 erst auf die Montierung gesetzt hatte, er lag vorher noch in seinem Koffer. Während der APM 100/800 in einer offenen Pappschachtel (haha, mit der er einst geliefert wurde...) lag... Somit war der 100/800 schon besser temperiert, der 102/700 braucht noch ein Weilchen. Die Wolken hatten sich aufgelöst. Der Himmel war aber noch ein bisserl zu hell.
Vega und Umgebung: Im 100/800 war das 27 mm Panoptic drin (30x), im 102/700 das 22 mm Panoptic (32x). Was die Zenitspiegel betrifft: am 100/800 hatte ich einen von APM aus der damaligen Zeit. Für die damalige Zeit State-Of-The-Art, mit 96% Coating. Am 102/700 hatte ich den Baader Maxbright, sowieso einer der besten Zenitspiegel heute, 99% dielektrisches Coating. Der erste Vergleichsblick: So gut wie kein Unterschied. Vega in beiden strahlend weiß, keine Spur von Farbe, und scharfe, nadelfeine Sterne über das gesamte Bildfeld. Praktisch Gleichstand.
Gleich weiter zu M57, da kenn ich mich gut aus, und kann mal schauen, wie tief ich komme, Sterngrenzgröße. Den 100/800 hatte ich mit einem Baader Eudiascopic 7.5 mm bestückt (107x), den 102/700 mit einem Zeiss Abbe 6 mm (117x). Leider habe ich keine engeren Vergrößerungen gefunden. Aber ja, es ist wie es ist. Man muss diesem Umstand Rechnung tragen. Austrittspupille am 100/800 somit 0.93 mm, am 102/700 liegen wir bei 0.87 mm. In der Bildhelligkeit konnte ich praktisch keinen Unterschied feststellen. Die Dreierkette entlang des Ringnebels, wo man 14.7, 15 und 15.3 mag hat, konnte ich in beiden Teleskopen "ankratzen". Ja, der 102/700 hat mal 2 mm mehr Öffnung, und natürlich ein modernes Multicoating auf allen Linsen. Der alte 100/800 muss mit einer unvergüteten Fluoritlinse leben. Es ist schon klar, dass der 102/700 insgesamt das etwas hellere Bild abliefern würde, hätte man Gleichstand. Und was ich noch dazu sagen muss: Nehmen wir den von mir auch sehr geschätzten 102/1100 Achromat, ha, mit dem hätte ich kein Problem gehabt, diese Dreierkette zu sehen. Die war bei 110x immer gut "präsent" für mich. Das ist aber der Vorteil eines Zweilinsers, ganz klar.
M13 - beide Refraktoren wie bei M57. Es war so, man musste sich schon hin setzen, mit beiden Händen das Seitenlicht abschirmen (auch wenn es nur Himmelslicht war), und ein Weilchen am Okular bleiben. Dann wurde man mit einem wirklich schönen M13 belohnt, mit nadelfeinen Sternen. Praktisch Gleichstand, wiewohl der 102/700 die etwas höhere Vergrößerung hatte, und damit die etwas kleinere Austrittspupille. Und wieder muss ich sagen: So wie mich M13 immer im 102/1100 Achromat bei 110x "angesprungen" hat, da können die Vierzoll Luftspalt-Triplets nicht mit, so fein sie auch sind. Oh doch, ein Öl -Triplet könnt hier sogar die Nase vorn haben gegen den Achromat....
Mit gleicher Okular Bestückung an beiden Refraktoren zu NGC 6826 (Blinking PN). Praktisch auch hier Gleichstand. Man sieht direkt den Zentralstern und innersten, hellen Teil des Nebels, indirekt eine schwächere äußere Nebelhülle.
Den 102/700 schickte ich einstweilen auf M71, mit einem 10 mm Eudiascopic Okular, bei 70x. Als ich zum 100/800 ging, und M71 in die Steuerbox eingeben wollte, stieß ich unabsichtlich an ein Stativbein. Blick ins Okular, weg der PN. 27 mm Panoptic her, wo ist der Kerl? Ups. Da habe ich etwas angestellt. Nun war es nicht lustig. Ich musste das Stativ mit allem Gewicht drauf nachrücken, um den Polarstern wieder in den Polsucher zu bekommen. Dann das Stativ erneut nivellieren, und die Poljustierung herstellen. Und noch mal Alignment an Wega, dann endlich zu M71. Ich gab nun das 12.5 mm Morpheus an den 100/800 (64x). Oh! Dieser Anblick! Pipi-nadelfeine Sterne über das ganze Feld, und drinnen dieses Sternwölkchen! Für Götter! Wirklich bezaubernd. Da haben sich wieder zwei gefunden, ein gutes Teleskop und das richtige Okular... Für mich war das ein traumhafter Moment. Ich nahm das 12.5 mm Morpheus auch an den 102/700 mit (56x). Auch hier gab es einen wirklich netten Anblick, aber irgendwie war dieser Eindruck nicht so zauberhaft wie im 100/800. Ob es das bissl Vergrößerung allein ausgemacht hat? Interessant auch ein rötlicher Stern im Feld. Wohl, auch der 102/700 hat die Farbe schön gezeigt, der 100/800 hat da aber noch eins drauf gesetzt. Dafür hat der 102/700 nun zu seiner Form gefunden, und die feinen Sterne waren halt noch ein bisserl feiner als im 100/800.
M27, wieder an beiden Refraktoren mit dem 12.5 mm Morpheus. Beide zeigten Strukturen im Nebel, etliche Sterne, inklusive Zentralstern. Praktisch Gleichstand. Und wunderhübsch in beiden.
Ein Blick zum Himmel: Oh, die Nacht hat sich gemausert. Die Milchstraße stand beeindruckend da, vom Schwan bis hinunter in den Schützen. Jupiter und Saturn standen schon da. Ich fasste mal nach dem SQM-L und hielt mehrfach auf den Zenit Bereich. 21.7 mag/sec2, das kann man gut und gern auf 6.3 mag übersetzen. Dennoch, es war eine Juni Nacht, und der Himmel etwas heller als er hier sein kann.
Mein Gastgeber hatte anderes Geschütz bereits auf Jupiter gerichtet. Ich konnte es nicht lassen, ein paar Blicke auf diverse Highlights zu machen. Ich blieb gleich beim 100/800 sitzen, und zog mir M16, M17 und M8 rein. Ich hatte wieder das 12.5 mm Morpheus drinnen. M16 zeigte den Sternhaufen, und sogar ohne Nebelfilter konnte ich ansatzweise den Nebel erkennen. M17 als schwimmender Schwan. Und der Lagunennebel zeigte die helle Hourglass Region, und sonst noch etwas Nebel. Sicher, ich hätte alle drei Objekte mit Nebelfilter beackern können, und mehr mit der Vergrößerung spielen. Aber, was ich auch schon lange nicht gesehen habe, ist eben Jupiter.
Dann mal drauf auf den Riesenplaneten. Jupiter, im 100/800 mit dem Zeiss Abbe 6 mm (133x) und im 102/700 mit dem Zeiss Abbe 4 mm (175x). Ich habe auch das 4 mm Abbe mal an den 100/800 verpflanzt (200x), es war grenzwertig, was das Seeing betrifft. Gar so hoch stehen die beiden Planeten noch nicht, und offenbar kündigte sich der Wetterumschwung schon an. Mein Gastgeber hatte höhere Vergrößerung an den anderen Teleskopen, aber bis ich mal einen Blick durch werfen konnte, war das schon zu viel. Für den 100/800 hätte ich besser ein 5 mm verwendet (160x), ich habe ja ein monozentrisches Okular, ist mit den Zeiss Abbe gleich auf von der Abbildungsqualität. Die guten Ideen hat man halt oft erst nachher, wenn die Sache bereits gelaufen ist.
Jedenfalls, die 175x im 102/700 waren das Maximum, was man holen konnte. Was die Farben an Jupiter angeht, das haben beide Vergleichsgeräte schön gezeigt. Der 100/800 kann es halt ein bisserl besser. Es waren tiefe Brauntöne und ein Schwarzblau, nebst den weißen Streifen zwischen den Bändern. Das Seeing war aber viel zu unruhig für eine intensive Planetenbeobachtung.
Dann noch einen Blick auf Saturn, auch da war der 102/700 bestens bestückt mit dem 4 mm Abbe bei 175x, es gab den besten Eindruck. Die Cassini Teilung kam scharf raus. Jaja, der 102/700 hat auch seine extra Schärfe noch ausspielen können.
Mittlerweile guckte ein Zipfel des Mondes zwischen den Bäumen am Bergrücken im Südosten hervor. Wir saßen noch ein wenig zusammen und diskutierten, tranken Tee. Dann ging es ans Abbauen. Da war doch einiges "Gerümpel" wieder zu verstauen, und während wir gemütlich geplaudert haben, hat der Tau voll zugeschlagen. Alles war hübsch nass. Die Objektive zwar nicht, aber Tubus, Montierung, Stativ, Gegengewichte...
Bis ich mich verabschiedete, hatte die Dämmerung schon eingesetzt. Bei der Heimfahrt wurde der Himmel immer heller, vor Wien schon ging die Sonne auf, ich fuhr somit den Rest der Strecke bei Tageslicht nach Hause.
Nun zum Fazit des Vergleichstests: Die beiden Kandidaten nehmen sich nicht viel. Es sind beide Teleskope wirklich fein, hochkarätige Optiken. Die Talente des APM 100/800 sind so zu umreißen: Scharf, hoch farbrein, und er kann Sternfarben und Farben an Planeten wunderschön zeigen. Der TS 102/700 ist auch farbrein, kann auch Farben schön zeigen, seine Stärken sind jedoch: in der Schärfe setzt er noch eins drauf, und insgesamt hat er das etwas hellere Bild, wenn man an beiden gleich hoch vergrößern könnte. Die Unterschiede sind subtil. Man muss schon wirklich genau schauen, dass man sie findet.
Fazit zur Nacht: Ein Träumchen, dass es mit dem Wetter so gut gepasst hat - nach Plan, ein Träumchen, dass wir eine so schöne Juni Nacht hatten, ein Träumchen, beide Refraktoren im Vergleich zu sehen. Und ein Träumchen, was das 12.5 mm Morpheus an dem 100/800 bringt. Diese Abbildung, speziell M71 und Umfeld, das war magisch.
Alles in Allem: Morpheus, Gott der Träume, hat mich hart erwischt.
Howdii