Rückseitenwetter, klare Nächte kündigten sich an. Also diese Gelegenheit wollte ich nicht auslassen. Die Wetterberichte sprachen von ein paar dünnen Wolken über den Tag. Was da aber von Norden rein kam, wurde immer massiver. Ich wollte eventuell auf die Ebenwaldhöhe fahren. Doch, unter den gegebenen Umständen sah es nach einem gemütlichen Abend daheim aus, in der warmen Stube. Ich beobachtete dennoch das Satellitenbild, und es zeigte sich, der ganze Wolkenschwanz dreht sich im Uhrzeigersinn, das östliche Weinviertel sollte bald wolkenfrei sein, von Norden kam nichts mehr nennenswertes nach. Alsdann, es wird doch etwas, mir war klar, irgendwo speziell hinaus fahren bräuchte ich nicht. Der Höhenrücken östlich von Niederleis würde das einzige Ziel sein, dass ich sinnvollerweise anlaufen könnte.
Demnach war ich später dran als ich normalerweise geplant hätte. Beim Einladen der Gerätschaft ins Auto ging ich noch schnell alles durch, man wird halt vergesslich mit der Zeit. Aber alles war da, von Stativ über Montierung, Akku, Gegengewichte, Teleskop mit Sucher und Taukappe, Okulare, Zenitspiegel und sonstiges Zeug, passt. Heckklappe zu, auf geht's. Bis ich am Beobachtungsplatz ankam, war die Dämmerung schon weit fortgeschritten. Im Westen sah ich noch die abziehenden Wolken, sie sanken am Horizont immer tiefer, und lösten sich auch teilweise auf. Tief im Norden sah ich noch ein paar schmale Wolkenstreifen, die sich alsbald auflösten.
Warten musste ich auf nichts mehr. Der Polarstern war schon deutlich sichtbar. Alsdann, Aufbau und los starten. Kaum stand das Stativ da, und ich vor der Entscheidung: wie hoch fahr'ma die Haxen aus, bekam ich ein langes Gesicht. Wo ist mein Astrostuhl? Natürlich, der wollte nicht mit, habe ich ihn doch bei meinem letzten beiden Ausflügen hierher auch nicht benötigt... Also ja, dann mal das Stativ voll ausfahren, und im Stehen beobachten. Es war schon klar, ganz so fein wird es nicht sein wie wenn man bequem sitzen kann.
Der Himmel präsentierte sich für den Standort durchaus fein. Also wenn ich in der Deichsel des Kleinen Wagens knapp neben dem letzten Stern vor dem Polarstern den 5.8 mag Stern ankratze, dann haben wir sicher 5.8 mag Grenzgröße. Ich sah diesen Stern indirekt aber deutlich. Das heißt, wir waren da schon knapp an 6 mag dran. Dennoch, der Himmel ist halt im Weinviertel schon aufgehellt genug, die Grenzgröße täuscht ein wenig. Wien strahlt schon gewaltig aus. Darüber brauchen wir nicht diskutieren. Ein bisserl Wind aus West war gegeben. Wenn man schon einen Klotz von Auto hat, kann man diesen auch quer in den Wind stellen. Ich baute also so auf, dass ich am wenigsten vom Wind spürte. Fallweise war dann gar nichts mehr zu merken, dann wurde der Wind fast lästig, um wiederum kurz drauf einzuschlafen. Wechselhaft, allemal. Besonders kalt war es nicht, etwas kühler als in der letzten Nacht Mitte März hier.
Für mich war es nun der erste Einsatz wieder mit der iOptron CEM60. Und klar, allein hier, musste ich auch das C11 aufschnallen, es war zudem schon reichlich dunkel. Zähne habe ich noch, also LED Lampe zwischen die Zähne klemmen. Aber Howdii, da gäbe es doch Stirnlampen, schau mal ins Lager, im Regal liegt sicher eine. Weiß ich. Vom Hirn leuchtet es leider nicht immer dort hin wo ich das Licht brauche. Ich weiß schon, warum ich es so unorthodox mache. Ich nehme die Lampe halt so in den Schnabel, dass ich das Licht genau dort habe, wo ich es brauche. Ja, und meine Blödheit, den Astrostuhl daheim zu lassen, bedeutete, Montierung hoch hinauf heben, und das Teleskop noch höher. Sonst ging alles glatt, auch wenn das Handling der CEM60 beim Aufbau und Abbau des Teleskops etwas zeremonienhaft ist, dass man alles schön der Reihe nach macht und nichts vergisst. Bis ich startbereit war, war es auch schon dunkel.
Die ersten beiden Objekte auf der Liste strich ich gleich - NGC 3115 und NGC 3242 - sie waren schon in der Lichtglocke von Wien. So startete ich mit dem Leo Triplet. M65, M66 und NGC 3628. Besonders letztere hat es mir angetan. Ich ging bis 160x drauf. Da war das Staubband quer drüber erkennbar. Fein, hat mir gut gefallen!
Weiter mit NGC 4631. Die Walgalaxie bei 160x andeutungsweise marmoriert, an einem Ende spitz zulaufend. Daneben ein kleiner Nebeltupf, NGC 4627. Begeistern konnte mich auch NGC 4656/57, die Hockey Stick Galaxie. Bei 160x ein langer "Stiel", schwach auslaufend, am hellen Ende der Knick, indirekt deutlich zu erkennen. Und dann noch NGC 4565, die "Needle". Ebenfalls bei 160x. Ein wirklich schöner Anblick, das Staubband nicht nur direkt unter dem hellen Bulge, es war etwas weiter hinaus verfolgbar. Ein riesiges Ding im Okular, besser indirekt aus dem Augenwinkel raus erfassbar.
M63, die Sunflower Galaxy, bei 160x aus dem Augenwinkel heraus ein recht großes Ding im Okular, flockige Struktur angedeutet. M64, Black Eye Galaxy, bei 160x die dunkle Stelle unter dem Zentrum deutlich, ein sehr schönes Objekt im C11.
M94, eine Spirale in Draufsicht. Ich bin mit 160x und 224x drauf gewesen. Es zeigte sich um das helle Zentrum ein etwas dunklerer Ring, subtil, bevor es in die weniger helle Scheibe rundum ging. Durchaus interessant zu sehen.
Der planetarische Nebel im Sternbild Corvus, NGC 4361, zeigte bei 160x den Zentralstern in einem nebeligen, unförmigen Ding. Es ist irgendwie keine reine Scheibe, es scheinen zwei Zipfel zu sein. Auch 224x half nicht wirklich weiter, detto war mit [O III] Filter nicht mehr rauszuholen. So ganz klar über das Aussehen dieses Objekts wurde ich nicht.
M104, Sombrero Galaxie: Bei 160x eine Spirale in Kantenlage, mit Staubband, aber so richtig "Sombrero" wollte es nicht werden.
Der Kugelhaufen M53 zeigte bei 160x etliche hellere Einzelsterne, auch quer über das Zentrum, es blieb jedoch ein feiner Grieß von unzähligen Sternen im Zentrum. Ein sehr nettes Objekt im C11. Ein Kugelhaufen der ganz anderen Art ist NGC 5053. Locker verstreute schwache Sterne über ein größeres Feld, aber bei 104x war es leicht, man konnte aus dem Augenwinkel eine Aufhellung im Feld erkennen, und wenn mit indirektem Blick das Feld abtastend, waren viele schwache Sterne erkennbar, was in Summe doch den Haufencharakter hergab.
Die M84 - M86 Umgebung im Virgo Galaxienhaufen ist durchaus interessant. Von M86 bis zu M88 hinauf zieht sich Markarians Galaxienkette, die ich bei 104x vor allem im Ansatz von M86 her verfolgen konnte. Da tut sich schon einiges an Galaxien. Es wäre eine Sache für sich, das alles mit genauerer Aufsuchkarte zusammenzukletzeln und die einzelnen Galaxien zu identifizieren. Übrigens, M88 ist mir dabei auch ins Okular gekommen. Einen kurzen Blick warf ich auch auf M87, die Zentralgalaxie des Virgo Haufens. Nun ja, die elliptischen Vertreter der Galaxien geben im Okular nicht viel mehr her als einen Nebeltupf. M87 selbst wäre schon wieder interessanter, vor allem mit höherer Vergrößerung. Da gäbe es zwei kleine aber helle Galaxien nahe dran, und den Jet zu beobachten. Ein andermal, für solche Späßchen war mir bei stehender Beobachtung nicht danach.
Drei Galaxien in Kantenlage checkte ich noch, NGC 4216, NGC 5746 und NGC 5907. Alle drei nett im Okular, ich würde sie gerne genauer und unter dunklerem Himmel näher betrachten. Die gebückte Haltung, um ins Okular blicken zu können, forderte ihren Tribut.
Schnell vielleicht noch den Kometen C/2019 Y4 (ATLAS) anschauen, bevor er komplett zerfleddert. Doch, obwohl ich beim Umschwenken auf die Westseite einen Sync auf Capella gemacht hatte, da war nichts im Okular. He, gibt es doch nicht, so schwach kann der nicht sein. Da hat's was. Zurück auf Capella als Goto Ziel, genauso daneben wie beim ersten Anfahren von der Ostseite her. Aha, da kann Goto nichts dafür. Es sind die Tücken der SC Beobachtung auf einer parallaktischen Montierung. Wenn das Teleskop stark in RA drehen muss, kippt der Hauptspiegel offenbar unkontrolliert hin oder her. Man trifft so gar nichts. Es war ernüchternd bis frustrierend. Ich schichte das Teleskop wieder auf die Ostseite, zu M3. Diesen Kugelhaufen traf ich wieder perfekt, ohne Sync dazwischen, er war bei 127x ein Zuckerstück. So was, die Sache mit dem C11 und Goto. Dabei hatte ich etliche Objekte dieser Beobachtung bei 160x angefahren und sie waren im Feld, auf der Ostseite des Meridians.
Kalt war mir auch schon, und das Kreuz spürte ich ordentlich. Zeit, das Zeug abzubauen und nach Hause zu rollten. Dieses mal mit feiner Jazz Musik von John Coltrane aus dem Slow Dance Album.
Howdii