Für eine heikle Kletzlarbeit braucht man eine stabil klare Nacht. Diese sollte sich am 8. September ergeben, was die Wettermodelle betraf. Es sah auch alles danach aus. Wenige Wolken untertags, die sich in der Dämmerung auflösten. Also packte ich meine Sachen zusammen und fuhr auf den Höhenrücken östlich von Niederleis. Mit leichtem Wind würde ich rechnen müssen, das war soweit klar. Deshalb drehte ich mein Auto auch mit der Front in den Wind, Richtung NW, um hinter der geöffneten Heckklappe im Windschatten beobachten zu können.
Bei meiner Ankunft zeigte sich ein prächtiger Dämmerungshimmel, es war mit guter Transparenz zu rechnen. Im Südwesten stand noch eine massivere Wolkenbank, die sich nach und nach auflöste. Tief im Süden sah ich ein paar flache Wolkenstreifen. Da der Aufbau sowieso etwas Zeit in Anspruch nimmt, und ich dieses mal allein unterwegs war, ging ich unverzüglich an die Arbeit. Ich hatte die iOptron CEM60 auf Berlebach Planet Stativ mit, und als Teleskop diente das C11.
In der zu Ende gehenden Blauen Stunde war ich nach Balance des Teleskops und Poljustierung bereit für das Stern Alignment. Etwas verwundert war ich nach dem 3-Stern Alignment über den großen Polfehler, in der Gegend von 30 bis 40 Bogenminuten. Whut? So schlecht schätze ich die Sterne aber wirklich nicht, wenn ich sie im Weitwinkelokular zentriere. Es muss mit dem Spiegelshifting des C11 zu tun haben. Also gelernt für die Zukunft, da man sowieso meist in einem gewissen Himmelsareal nur wenige Objekte bearbeitet, besser ein 1-Stern Alignment in unmittelbarer Nähe zu den Objekten... So traf das Teleskop gar nichts. Also meine Abhilfe war, den Stern Albireo anzufahren, und einen Sync drauf zu setzen. Damit brachte mich das Goto doch so gut hin, dass ich meine Objekte im 27mm Panoptic (104x) zumindest im Bildfeld fand. Um mich nicht wieder von dem gespiegelten Bild narren zu lassen, was mir so oft passiert, hatte ich eine gespiegelt ausgedruckte Aufsuchkarte mit. So gelang es mir sehr rasch, mich im Okular zu orientieren und meine Ziele zu finden.
Meine erste Station war Campbell's Hydrogen Star. Dieses Objekt wird unter diversen Namen geführt: PK 64+5.1, He 2-438, auch BD+30°3639. Es ist ein Wolf-Rayet Stern vom [WC] Typ, mit Planetarischem Nebel in Ringform. Schon beim Studium des Feldes mit dem 27mm Panoptic Okular fiel ein rötlicher "Stern" ins Auge. Die Position passte mit der Aufsuchkarte zusammen, also drauf mit hoher Vergrößerung. Erst mit 280x, dann 370x, und schließlich mit 470x. Ich arbeitete ohne Nebelfilter. Ein kurzer Check mit dem H-Beta Filter hat kein bemerkenswertes Resultat gebracht. Letztlich war ein weißer Stern zu sehen, mit einem deutlichen, scharf begrenztem Halo, aus dem mir ab und zu ein bisschen Rot zufunkelte. Fallweise hatte ich den Eindruck, der Halo sei vom Stern durch einen dunklen Zwischenraum abgegrenzt, das hieße ringförmiger Halo. Aber das Seeing war nicht gut genug, dass ich dafür meine Hand ins Feuer legen würde. So weit, so gut, mehr gab dieses Objekt unter den gegebenen Bedingungen nicht her.
Als ich meine Auge wieder vom Okular löste, und gegen den Himmel blickte, bemerkte ich, dass die Wolkenstreifen von Süden her deutlich höher gestiegen waren, und, was mir gar nicht gefiel: Der Himmel war ziemlich bedeckt von "Wattebauschen", die ortsfest blieben, obwohl es windig war. Wie durch ein Wunder war das einzig größere Loch in der Albireo Gegend. Nun denn, weiter mit dem nächsten Objekt: M1-92, Minkowski's Footprint Nebula. Dieses Objekt wird den Protoplanetarischen Nebel zugeordnet, es handelt sich um eine bipolare Form.
Minkowski's Footprint Nebula ist an der Himmelssphäre gar nicht so weit weg von Campbell's Hydrogen Star. Das Teleskop machte nur einen kleinen Ruck und blieb wieder stehen. Kurz darauf "Piep". Meridian Limit erreicht. Also nochmals Albireo anfahren, das Teleskop dreht eine Runde um den Himmelspol, Sync drauf, und dann erneut auf den Footprint Nebula. Es ist ein sehr sternreiches Feld, an dem ich wohl früher immer wieder gescheitert bin. Wie oft war ich schon dran, diesen Nebel sehen zu wollen. Mit der Aufsuchkarte gelang mir doch recht bald die Orientierung, ich hatte den Zipfel gefunden, an dem ich anpacken musste. Was ungut war - der Wind hatte gedreht, und nun saß ich voll im Wind.
Bei 280x hatte ich einen ersten Verdacht, ein flächiges Ding gesehen zu haben, obwohl, es waren alle Sterne irgendwie dick, das Seeing halt. Dieses Ding war aber auffällig. Nun gleich mit 470x drauf. Da wurde es deutlich, ich hab' ihn. Eine "Acht" quasi, mit einem helleren, dickeren Bauch, und einem schwächeren, kleineren Bauch. Bei niedriger Vergrößerung hatte ich den helleren Teil schon gesehen, aber noch sternförmig. Nun, bei 470x, Seeing Gewusel, kam fallweise im helleren Bauch etwas helleres andeutungsweise raus. Sucht man im Web nach Fotos, findet man auf jeden Fall das HST Bild. Ich kann es nicht wirklich zuordnen, was das sein wollte. Weiter dran zu gehen, vielleicht mit noch höherer Vergrößerung, war nicht angebracht. Das Seeing war schlecht genug, dass es nichts gebracht hätte, und der Wind rüttelte auch schon merklich am Teleskop, bei dieser Vergrößerung wackelt das Bild dann schon. Ich musste aufgeben. Immerhin, jetzt habe ich dieses Ding definitiv mal geknackt.
Damit wäre diese Geschichte ja beendet. Aber ich darf etwas nachlegen. Am 12. September stand ich mit Andi an selbigem Beobachtungsplatz, selbiges Instrumentarium, wir wollten diese beiden Objekte mit dem C11 bei voller Brennweite ablichten. Es war wiederum ein guter Himmel für den Standort, aber auch diese Nacht war nicht komplett wolkenfrei. Unsere Arbeit bliebt aber weitgehend unbehelligt. Vor dem unvermeidlich anstehenden Meridian-Flip spielten wir mit der Belichtungszeit, um ein Gefühl zu bekommen. Es ist ja nicht so, dass diese Objekte so schwach wären. Nein, sie sind auch für kleinere Instrumente prinzipiell sichtbar, aber halt wunziklein, und dafür braucht es dann eben doch Öffnung und Brennweite um irgendwas rauszuholen.
Nach dem Meridian-Flip installierte ich den Autoguider, wir fuhren Albireo an, Sync drauf, nochmals nachfokussieren, und zuerst auf Campbell's Hydrogen Star. Die optimale Belichtung hatten wir bei ISO 400 und 5 Sekunden gefunden. Wir rissen eine 30er Serie an mit Autoguiding an. Dann auf Minkowski's Footprint Nebula, eben falls bei ISO 400, aber 16 Sekunden, wiederum eine 30er Serie. Nachfolgend die Ergebnisse.
Campbell's Hydrogen Star: Stack aus 30 Bildern, Canon 1000D astromodifiziert, ISO 400, 5 Sekunden
Anmerkung: Dieses Bild bestätigt meine Beobachtung. Rot kommt vom Halo, der Stern ist weiß. Dass er hier nicht schön mittig sitzt ist ein optischer Artefakt. Wir haben das Objekt zwar weitgehend in die Bildmitte zentriert, aber offenbar nicht gut genug, und ohne Korrektor ist das Bild eines SC Teleskops halt komabehaftet. Das ist hier bei den Sternen sichtbar, und der rote Halo des Planetarischen Nebels ist ebenso komatisch elongiert.
Anmerkung: wir hatten bei dieser Aufnahmeserie leichten Wind, deshalb sind einige der Bilder nicht im Stack enthalten. Aber egal, diese sechs Bilder hätten das Kraut nicht fetter gemacht. Der Footprint Nebel ist das Objekt links neben dem hellen Stern im unteren Bildteil. Man sieht den helleren Bauch und den schwächeren, kleineren Bauch. Damit ist meine Beobachtung auch schön bestätigt. Das Seeing hat auch hier ein besseres Ergebnis verunmöglicht. Die schwächeren Sterne sind allesamt diffuse Tupfen. Zumindest war das Objekt besser im Bildfeld zentriert. Eine Schwierigkeit gab es mit dem Guider - einen isoliert stehenden Stern zu finden. Manchmal hatte ich zwei oder gar drei dicht beieinander stehende Sterne, die durch das Seeing fallweise zu einer unförmigen Kraxn verschmolzen sind. Was der Guider dazu meint, braucht man sich gar nicht erst ausmalen. Kaum hatte ich einen brauchbaren Stern gefunden, war der Käse gegessen. Erstaunlich, dass es mit einem 8x50 Sucher so gut gelaufen ist, bei nur 180mm Brennweite für den Guider.
Sagen wir so, mehr als ich visuell gesehen habe, haben die Fotos auch nicht gebracht, bei dem zappeligen Seeing, was wir heuer meist haben. Letztlich hat auch meine Beobachtung drunter gelitten, weil ich durchaus noch etwas höher vergrößern hätte können. Zumindest meine Beobachtungsergebnisse sind durch die Fotos bestätigt. Wirklich toll sind diese Fotos halt nicht, was will man - wir haben im Prinzip auch die Kamera als "elektronisches Auge" eingesetzt, das ist durchaus eine Form der Beobachtung, weit abseits vom Anspruch auf "pretty pictures".
Howdii