Sternenmeer über dem Nebelmeer

23. 11. 2014, Steyersberger Schwaig

Die wechselhafte Wetterlage mit immer nur kurzem Zwischenhocheinfluss lässt oft nur eine einzige Chance in der Neumondzeit zu. Die sah ich am Sonntag, dem 23. 11. 2014 gekommen. Im Weinviertel und in Wien war es zwar ein sonniger Tag, doch bevor die ersten Sterne in der Dämmerung sichtbar geworden wären, ist der Nebel wieder eingefallen. Im Wiener Becken hingegen hielt sich der Hochnebel "stabil", den ganzen Tag lang. Gut so. Auf 1300 Meter Seehöhe sollte man ausreichend drüber sein. Also wurde eine Reise auf die Steyersberger Schwaig ins Auge gefasst. Auf der Hinfahrt nahm ich einen kleinen Umweg über Neunkirchen und gabeltet Peter Retzer auf.

Bei der Anfahrt, die Bergstrecke hinauf, hatten wir die letzten Nebelfetzen bei etwa 950 Meter Seehöhe, dann blinkten schon die Sterne durch die Bäume. Oben angekommen - whow! Was für ein Himmel! Die Sterne knallen so richtig an einem sehr dunklen Himmel! Einzig der Nordosthorizont war etwas heller, sonst war der Himmel dunkel. Das Band der Milchstraße zog sich eindrucksvoll vom Schwan über die Cassiopeia, den Perseus, weiter durch den Fuhrmann, an den Füßen der Zwillinge vorbei und östlich am Orion vorbei runter ins Einhorn. Fabelhaft!

Zu meiner Überraschung war die Hütte schon geschlossen, kein Mensch hier, wir waren allein. Erst einmal war aber gefragt, wo wir uns aufstellen würden. Es war windig, ein bissl mehr als einem lieb ist. Daher zogen wir uns doch unten in die Nähe des Schilift Kassengebäudes zurück. Dort war es meist ruhig, fallweise war eine leichte Brise zu spüren. Der Wind war überhaupt wechselhaft, mal wenig, mal ganz weg, dann wieder etwas auffrischend. Gemäß unserem Standort war halt der Südhimmel ziemlich eingeschränkt, gerade so bis etwas über Südost konnte ich die relativ wenig über dem Himmelsäquator liegenden Gefilde erwischen bevor sie mir hinter den Bäumen verschwanden. Aber eh besser so, dass wir uns versteckten, der Orion war irgendwie schon fast furchterregend, wie er da stand mit seiner erhobenen Keule. Also wenn die Sterne so knallen, das hat schon was. Im Zenitraum hatten wir locker 6.4 mag, freisichtig. Was weniger gut war: Das Seeing. Das war nur im erweiterten Zenitraum ok, tiefer unten ein ziemlicher Graus. Von der Temperatur her war es mit 6° - 7° C mild, zudem war es trocken, kein Tau. Nichteinmal das Autodach oder die Scheibe der offenen Heckklappe meines Kombis beschlug. Es war locker ohne Handschuhe auszuhalten. Also durchaus angenehme Bedingungen. So ganz weiß man ja nie, was man heroben am Berg, außer dem erwarteten guten Sternenhimmel, antrifft. Der Himmel ist hier aber ziemlich verlässlich gut. Wenn es bei meinem letzten Besuch ein bissl zach war, mit sehr hellem Osthimmel, dann wurde ich heute dafür entschädigt. Das Seeing gibt meist die Großwetterlage vor. Es kann hier auch durchaus fein sein. Insgesamt erinnerte mich diese Nacht ein wenig an jene vom 31. Jänner 2011.

Mein Teleskop war der 102/1100 Refraktor, wie üblich auf meiner iOptron ieq45 Montierung. Peter hatte seinen 120/900 ED Refraktor dabei, auf einer HEQ5, er baute für fotografischen Einsatz auf. Wahrscheinlich eh ein Fehler, so einen Himmel sollte man wirklich für visuelle Beobachtungen genießen. Fotografieren kann man bald mal. Mei, jo, ich hätte auch ein anderes Teleskop mitnehmen können, meinen guten alten Ceravolo, oder auch den 6" Bresser Refraktor. Egal, ich wollte den langen dünnen Refraktor wieder einmal genießen, weil der sowieso ein unglaubliches Röhrchen ist. Da ist es immer wieder interessant, was man aus dem noch alles rauskitzeln kann.

Nach dem Aufbau braucht man sowieso Zeit für die Dunkeladaption, daher gab es erst mal lockere Kost. Auch das Teleskop braucht ja ein bisschen Zeit, sich an die Temperatur anzupassen. Meine ersten Beobachtungsobjekte waren die Sternhaufen im Fuhrmann, M37, M36, M38 und NGC 1907. Weiter ging es mit M35 und NGC 2158. Alles mit dem 22 mm Panoptic Okular, bei 50-facher Vergrößerung. Speziell NGC 2158, der "kleine" Haufen nahe M35, war sehr reizvoll. Auf den ersten Blick ein Nebelwölkchen, doch bei indirekter Betrachtung stachen ein paar nadelfeine Sterne raus, der Haufen wirkte grießlig. Höhere Vergrößerung hätte sicher geholfen den Haufen aufzulösen, aber sei's drum, ich wollte es so belassen. Insgesamt waren die Sternhaufen bezaubernd schön, diese nadelfeinen Diamanten auf samtschwarzem Grund.

Mein nächstes Objekt war NGC 2392, der Eskimo Nebel. Wie ich halt so bin, wollte ich gleich mit "Vollgas" drauf, aber 275x war dann doch zu viel. Man konnte ob des grausamen Seeings kaum scharf stellen. Ab und zu kamen aus den dicken Knödeln feine Spitzen zum Vorschein. Also weniger ist manchmal mehr, ich musste mich mit 183x zufrieden geben. Das war schon eher brauchbar. Wie erwartet zeigte sich der Zentralstern, eine hellere innere Scheibe und außen rum ein etwas schwächerer Halo. Auffallend war eine dunkle Stelle, und blickweise habe ich eine zweite erwischt. Nein, nicht das Clowngesicht, das geht sicher nicht bei 183x, und ein Vierzöller ist wohl doch ein bissl zu wenig dafür. Diese dunklen Stellen waren an der Grenze der inneren Scheibe zum äußeren Halo.

Nun wollte ich mein Glück mit dem Pferdekopfnebel (B33) versuchen. Sicher eine papperte Ansage mit einem Vierzoll Refraktor. Mein Pech, der Orion stand nur halbhoch am Himmel, und ich musste dennoch zusehen, einen Versuch hinzukriegen bevor die betreffende Himmelsgegend hinter den Bäumen verschwindet. Also den Flammennebel, NGC 2024, bei Alnitak (ζ Orionis) hatte ich ohne Nebelfilter auf den ersten Blick. Je mehr ich mich auf den Flammennebel konzentrierte, desto mehr Details offenbarten sich. Na nicht schlecht, weil wenn man den Flammennebel nicht ordentlich sieht, braucht man sich auf den Pferdekopfnebel sowieso keine Hoffnung machen. Nun war Umorientierung angesagt, weil ein Refraktor mit Zenitspiegel eben ein seitenverkehrtes Bild liefert, und ich bin bei diesem Objekt eher die "Newtonansicht" gewohnt. Erst versuchte ich es mit dem H-Beta Filter bei 55x, aber dazu hat der Vierzöller wohl doch zu wenig Licht. Ich wechselte auf den UHC Filter. Na schon etwas besser. Nach einiger Augengymnastik erhaschte ich manchmal etwas von der Nebelkante des IC 434. Aber für den Pferdekopfnebel reichte es nicht. Ok, war nix, das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit sicher nicht gesprochen. Ich hätte für einen neuen Versuch gern den Orion hoch am Himmel, und eine ebenso gute Nacht, wenn geht mit besserem Seeing. Der Winter kommt noch, vielleicht pack' ich es, zumindest einen weiteren Versuch.

Zwischendurch wieder etwas Lockeres, zur "Erholung": NGC 2261 - Hubble's Variable Nebula. Die "Kometenform" mit dem Sterndl (R Moncerotis) an der Spitze war deutlich zu sehen, bei 55x, und besser noch bei 73x.

Etwas länger Zeit als beim Pferdekopfnebel hatte ich bei meinem nächsten Beobachtungsobjekt - dem Weihnachtsbaumhaufen NGC 2264, bis mir dieser hinter den Bäumen entschwinden würde. Ich startete meine Beobachtung bei 50x, um erst mal den ganzen Weihnachtsbaum betrachten zu können. Der Reflexionsnebel um den Stern S Monocerotis war leicht zu sehen. Ich achtete nun auf die Nebelgegend an der Westseite des Haufens - auch deutlich sichtbar. Nun nahm ich die Spitze des Haufens näher ins Visier, und auch da konnte ich indirekt Nebel ausmachen. Also die Zutaten wären da, wo versteckt sich der Konusnebel? Erst einmal nichts, auch mit Augengymnastik nicht. Just wenn ich vom Okular weg wollte oder grad hin ging, streifte ich die Partie um die Christbaumspitze aus dem Augenwinkel. Und da stach immer wieder etwas Dunkles raus. Ha! Auf der Spur! Ok, ich hatte Zeit, deshalb nahm ich mir diese auch. Ich wechselte erst mal auf 55-fache Vergrößerung. Wenig mehr macht bei einem Vierzöller oft mal viel aus. Zwischendurch eine Stärkung, etwas essen, Tee trinken, mal bei Peter nachschauen, was der so treibt. Peter hatte zufällig ein Bild des Weihnachtsbaumhaufens auf seinem Notebook Bildschirm, "frisch" vom Himmel gezogen. Da hatte ich Gelegenheit, mir die Gegend um die Christbaumspitze genauer anzusehen. Mittlerweile stieg der Christbaumhaufen höher. Als es langsam "drängend" wurde, einen weiteren Versuch zu starte, ging ich wieder ans Okular. Ein bissl einschauen, orientieren, und was? Was erlauben, bitte? Da waren die beiden hellen Nebelflanken des Konusnebels sichtbar! Eine etwas deutlicher, und länger zu verfolgen, die andere etwas verkümmert, kürzer. Aber die Nebelflanken waren da! Gar nicht sooo schwierig, auch Peter konnte sie sehen. Also das hätte ich nicht erwartet! Die beiden Nebelflanken indirekt zu erwischen ist insofern leicht, weil man Anhaltspunkte hat: sie laufen genau je auf einen schwachen Stern zu. Das hilft ungemein. Dass der Dunkelnebel nicht sonderlich dunkler erschien als der umgebende Himmel liegt auf der Hand, das ist alles Dunkelnebel dort an der "Basis" des Konus. Die ganze Weihnachtsbaumhaufen Gegend ist ein wilder Mix aus HII Nebel, Reflexionsnebel und Dunkelnebel.

NGC 2264 mit 120/900 ED Refraktor auf HEQ5. 3x 10 min, ISO 800, Canon EOS 1000 D. Foto: Peter Retzer.
"Verhungerte" Belichtung, weil das Objekt von Peters Standplatz noch schneller hinter den Bäumen verschwand als von meinem Standplatz
aus.
Dafür ist das Foto näher am visuellen Eindruck dran.

Der Höhepunkt des Abends war wohl erreicht. Jetzt noch was zum Abspann. Zum Beistpiel M44, Praesepe. Ich muss zugeben, so intensiv als hellen Fleck am Himmel habe ich Praesepe noch kaum jemals vorher gesehen. Im Teleskop nahm ich diesen Haufen bei 40x, im Weitwinkel Okular war es ein Genuss. Wenn schon, darf der Haufen M67 nicht fehlen, sehr spektakulär sind die paar Sterndl aber nicht.

Den echten Abspann machten M97 und M108. M97 war gut zu sehen, und he? Da war eine Dunkelstelle drin! Bei 73x stach auch eine feine Spitze raus. Der Zentralstern, nach einigen Quellen 16 mag, aber das ist wohl nicht ganz zutreffend. Hynes, Planetary Nebulae, weist den Zentralstern mit 13,2 mag aus, das kommt wohl eher hin. UHC Filter hat an M97 praktisch nichts gebracht. Ich war doch etwas überrascht, was der Vierzöller an M97 gezeigt hat! M108 ist eine Galaxie, fast in Kantenlage. Sie hat ein helleres Zentralgebiet, der Rest ist ziemlich lichtschwach, aber indirekt kam die Galaxie bei 73x durchaus schön raus. Nicht übel!

Das war es aber auch, das Beste der Nacht hatten wir sicher schon gesehen. Von Norden rückten dünne hohe Wolken herein, der Nordosthimmel war merkbar heller geworden, und auch der Zenitraum etwas matter. Wenn auch immer noch gut, mit 6.3 mag. Es war schon weit nach Mitternacht, sowieso Zeit, an die Heimfahrt zu denken. Der Nebel um die 900 Meter hatte sich als Reif niedergeschlagen. Unten in Molz ist der Nebel relativ dick gewesen. Wie wir über Feistritz raus auf die B54 gekommen sind, war der Himmel teilweise aufgerissen, Sterne waren zu sehen. Und daheim angekommen, fand ich unerwartet einen so genannten klaren Himmel vor. Aber welch ein Unterschied zu diesem Himmel auf der Schwaig!

Howdii