Nach dem Tele Optik Nerius, der mich ja durchaus fasziniert hat, schnappte ich mir den "kleinen Bruder", einen 102/1100mm Refraktor, ebenfalls ein Achromat mit reduziertem Farbfehler. Ja, es ist definitiv so. Ich kenne die üblichen Achromate 90/900 oder 100/1000 sehr gut, bei denen ist der Blausaum weit heftiger als bei dem 102/1100. Die 10 cm längere Brennweite allein machen das nicht wett. Es ist kein "klassischer" Achromat, es eine neue Optikrechnung, die dies möglich macht.
Hier
der 102/1100 Refraktor anlässlich der Beobachtung auf der
Hohen Wand, in einer sehr
feuchten Nacht. Die Taukappe ist bereits taunass...
Der "Stilbruch" mit
dem schwarzen Sucher sei mir verziehen, ich habe einfach den Sucher,
den ich im Inventar habe, drauf gesteckt, und der ist halt schwarz.
Der Refraktor ist mechanisch sauber verarbeitet. CNC gefräste Rohrschellen, ein 2" Fokussierer mit Feintrieb, eine wirklich lange, einziehbare Taukappe, ein an der Taukappe verschraubbarer Staubschutzdeckel, das ist schon recht fein. Schwer ist dieser Refraktor nicht, aber eine lange Pfeife. Deshalb braucht es schon eine etwas kräftigere Montierung und ein solides Stativ drunter. Bei meinen Einsätzen war der Refraktor auf der iOptron ieq45, die schon seit einiger Zeit mein Arbeitspferd für alles geworden ist.
Aufgrund
der Tubuslänge
muss man das Stativ relativ weit ausfahren, um auch im Zenitraum noch
eine halbwegs angenehme Einblickposition zu haben.
Hier sieht man die
Größenverhältnisse deutlich, der Autor
- mit "Stahlhelm" sicher 1.90 Meter - und daneben der
Refraktor auf Arbeitshöhe...
Erster Test im September, Oberleiser Berg:
Wir, das sind Andi Berthold und meine Wenigkeit, erwischten ein paar Stunden mit klarem Himmel, bevor die nächsten Wolken heranrückten. Der September 2012 war ja vorwiegend von nur teilweise klaren Nächten gezeichnet. So war es auch dieses Mal. Für Weinviertler Verhältnisse war der Himmel nicht übel (5.8 mag freisichtig im Zenitraum). Was uns gleich beim ersten Blick durch den Refraktor aufgefallen ist: nadelfeine, aber wirklich so nadelfeine Sterne, wie man sich das von einem guten Refraktor erwartet!
Beobachtet haben wir einige gut bekannte "Standard Objekte", daran kann man die Leistung eines Teleskops schon mal einschätzen. So war M27, der Hantelnebel, gleich einmal eine Pracht. Bei 50x indirekt die "Ohren", und das ohne Nebelfilter! Dann das 10 mm Okular, 110x: Da blitze gleich einmal ein Stern im Nebel auf, und auch der Zentralstern, nadelfein!
M71 war nett anzusehen, ein Wölkchen von Diamantenstaub, wie ich das so nenne.
Bei M57 ging ich auf Grenzgrößen Jagd: erst mal 13 mag, das ist der Stern dicht am Ring, dann 13.7 mag, 14.1 mag, und auf einmal, mit goldrichtigem Blick, hatte ich die Dreierkette auf der anderen Seite des Ringes, mit 14.7 mag, 15 mag und 15.3 mag! Ich war erst ganz nüchtern bei der Sache, dann ist es mir aber gekommen: 102 mm Öffnung und 15.3 mag? Huihui! Da ist die Luft aber schon sehr dünn! Von der Wahrscheinlichkeit her, so schwache Sterne noch sehen zu können mit dieser Öffnung, liegt das sehr knapp am Limit, was überhaupt geht...
M13 brachte die nächst Überraschung. Ist das wirklich nur ein Vierzöller? Eine geballte Ladung an nadelfeinen Sternen! Auch M92 war wunderschön zu sehen. Der dritte Kugelhaufen im Sternbild Herkules, NGC 6229, diente als Test. Dass die Sichtung von 15 mag Sternen in der Umgebung des Ringnebels kein Zufall war, bestätigte sich hier. Der Refraktor zeigte im Halo des Sternhaufens Einzelsterne! Für einen Vierzöller eine wirklich tolle Performance!
Auch der "Blue Flash Nebula" (NGC 6905) war schön zu sehen.
Im Westen zeigten sich schon dichtere Wolken, daher nahmen wir nur noch ein paar Paradeobjekte ins Visier: die Andromeda Galaxie M31 mit den beiden Begleitgalaxien M32 und NGC 205 (M110), M45, die Pleiaden (wobei die hellen Sterne bei 40x ohne Blauhalo erschienen). Der Doppelhaufen h+χ Persei bildete einen wunderschönen Abschluss. Mit einem Wort, die Beobachtung war ein Hochgenuss, wir waren schwer beeindruckt von der Leistungsfähigkeit dieses Refraktors!
19. 10. 2012, Oberleiser Berg
Auch dieses Mal waren wir zu zweit, Andi Berthold hatte seinen 8" f/6 Dobson mit Pyrex Spiegel dabei. Das gab uns die Möglichkeit, einen Vergleich zu ziehen, wo wir wiederum ins Staunen kamen. Am Oberleiser Berg war es windig, dafür hatten wir keine Probleme mit Taubeschlag. Der Wind ließ später etwas nach, aber bevor uns noch der Tau zusetzen hätte können, hatten wir schon Schluss gemacht. Die Himmelsqualität war nicht ganz so gut wie beim letzten Besuch hier, aber auf 5.6 mag im Zenitraum kamen wir allemal.
Zum "Aufwärmen" delektierten wir uns an M71 und M27. Speziell der Hantelnebel hatte es uns angetan. Wenn man da aufmerksam beobachtete, konnte man tatsächlich Strukturen im Nebel erkennen, einige Sterne, inklusive Zentralstern, sowieso.
In der M57 Umgebung ging ich wiederum auf Grenzgrößenjagd. Dieses Mal war es mühsamer, aber ich kam erneut bis 15.3 mag. Im 8" Dob ging es nicht wirklich besser. Das Bild war im Achtzöller letztlich ein wenig heller, aber der Vierzöller hielt tapfer dagegen. Der Refraktor zeigte die Sterne einfach viel feiner als der Dob, wobei man der Optik des Dobs wahrlich nichts Schlechtes nachsagen kann.
M76 bot die nächste Überraschung. Gut, den "Korken" wird man in einem Vierzöller schon sehen, der ist nicht so schwierig. Aber bei längerer Betrachtung wurde ich auf ein vom Nordostende nach Norden abzweigendes Nebelfilament aufmerksam, das im Bogen nach Westen verlief. Was? Ein Ansatz des "Schmetterlingsflügels", und das in einem Vierzöller? Der 8" Dob zeigte keineswegs mehr, es war nur ein wenig heller!
M31 mit den beiden Begleitgalaxien M32 und NGC 205 (M110) war ein schöner Anblick. Die Spiralarme der Andromedagalaxie konnten wir weit hinaus verfolgen, auch die Sternwolke NGC 206 entging uns nicht, genauso wenig wie das sternförmige Zentrum der Andromedagalaxie.
Spannend wurde es noch einmal mit M33. Nicht nur die "S" Form der inneren Spiralarme kam recht gut, im Gegenteil, von der Ausdehnung der Dreiecksgalaxie, so wie wir sie sahen, erinnerte das an Fotos! Dicht neben dem Stern HD 9483 erregte eine große Sternwolke unsere Aufmerksamkeit. Dann kam der UHC Filter zum Einsatz - und wir staunten nicht schlecht, da stach die HII Region NGC 604 heraus, die wir ohne Filter nicht bemerkten. Toll!
M1 ging gerade über den Bäumen am Osthorizont auf. Dennoch konnten wir den dunklen Einschnitt in der "Nebelwolke" erkennen.
Den Abschluss bildeten einige Objekte einfach zum Genießen: M45, M36, NGC 1931, M37, M38 und der benachbarte "kleine" Haufen NGC 1907.
Beobachtungen am 20. 10. 2012, Ebenwaldhöhe
Dier Himmel auf 1000 m Seehöhe ist ja doch etwas anderes als hier im Weinviertel. In den Tälern hat sich im Laufe der Nacht Nebel gebildet, dafür war es oben am Berg mild, windstill und trocken. Richtig angenehm. Ich war spät dran. Bis ich aufgebaut hatte, war der Mond längst untergegangen. Ich traf oben Günter Jenner, der alsbald nach meiner Ankunft Nachschau hielt, wer da gekommen war. Etliche Minuten später kam Tahir Saban angefahren. Wir standen letztlich zwar weit verstreut, aber dennoch wurde auch ein Gutteil der Zeit für's Plaudern verwendet. Fotografen is es egal, was sie tun, während die Aufnahme läuft, visuellen Beobachtern geht die Zeit ab. So ist das einfach, und deshalb ist meine Ausbeute an beobachteten Objekten eher gering. Die Qualität der Beobachtung war allerdings großartig, unter einem 6.2 mag Himmel! Und ein paar Worte mit alten Haudegen der Szene müssen einfach drin sein.
Dass der Cocoon Nebel (IC 5146) in meinem 4" APO geht, weiß ich ja. So war ich nicht soo sehr erstaunt, ihn auch mit dem 102/1000 Refraktor zu sehen. Es war einfach ein netter Anblick, unter den nadelfeinen Punkten von Sternen den langen Schlauch von Dunkelnebel zu verfolgen, und letztlich den Sternhaufen mit dem schwachen "Wattebausch" von Nebel. Das Geheimnis bei diesem Objekt liegt einfach darin, auf einen Nebelfilter zu verzichten.
Der Crescent Nebel (NGC 6888) war schon eine spannendere Sache. Dazu verwendete ich den UHC Filter. Der helle Teil des Bogens, "eingespannt" zwischen zwei helleren Sternen, war kein großes Problem. Indirekt gelang es mir aber doch, den Rest des Bogens zu erhaschen, und fallweise "kitzelte" mich etwas, was auf den kuren Mittelstrich eines "E" hin deutet... Allerhand! Ein guter Himmel und eine feine, kleine Optik, das gibt was her!
Der Cirrus Nebel (NCG 6960, NGC 6992/95) war einfach toll. Ich begann bei der "Hexenhand", also dem östlichen Bogen. Der UHC Filter war drinnen, bei 40x. Da war der Bogen als Ganzes zu sehen, jedoch bei 50x waren die Strukturen noch besser, kontrastreicher, zu sehen. Einfach bezaubernd, was der Refraktor hier an Details zeigte. Demnach war auch der westliche Teil, der "Hexenbesen", eine Sache für sich. Auch hier wurde ich überrascht von den sichtbaren Details. Und zwischen diesen beiden Teilen findet man den dreieckigen Nebelteil "Pickering's Triangular Wisp", auch im Vierzoll Refraktor!
Mit M27 beschäftigte ich mich eine ganze Weile. Ohne Nebelfilter bei 40x mit "Ohren", bei höherer Vergrößerung (110x) dann Strukturen im Nebel, mehrere Sterne, darunter freilich auch der Zentralstern - also ich habe gedacht, ich schau' durch ein größeres Teleskop! Das ist nicht nur recht ordentlich, das ist sensationell, was dieser Refraktor zeigt!
Der Helix Nebel (NGC 7293) war auch ein Hochgenuss! Deutlich als Ring mit dunklerem Zentrum, dann die seitlich offenen Enden des äußeren Ringes an der Westseite, und an der Ostseite ansatzweise als Doppelring! Auch hier war ich hell entzückt über die Kontrastleistung des Teleskops!
NGC 246 war mein letztes "Deep Sky" Objekt. Freilich geht dieser Planetarische Nebel in einem Vierzöller. Es war ein bezaubernder Anblick.
Jupiter war wohl der Höhepunkt des Abends. Das Seeing war gut, und ich konnte den Refraktor bis 275-fache Vergrößerung "ziehen". Das entspricht einer Austrittspupille von nur mehr 0.37mm, aber das Bild ist dabei noch nicht "zerfallen", sprich, dass es nennenswert körnig geworden wäre. Das ist hoch beachtlich! Jupiter ist aber heikel, und erlaubt so hohe Vergrößerungen nur bei exzellentem Seeing, so war es auch hier, bei 183x (Austrittspupille 0.55 mm) bot sich insgesamt das beste Bild. Und was für ein Bild! Freilich sieht man bei dieser hohen Vergrößerung den Jupiter in einem blauvioletten Hof, aber wenn man sich auf den Planeten direkt konzentriert, tritt der Blausaum praktisch in den Hintergrund, man nimmt ihn kaum mehr wahr. Jupiter ist fast weiß, es gibt kaum Farbverschiebungen. Die Kontrastleistung dieses Teleskops war auch hier unübersehbar, feine Strukturen in den Bändern waren zu sehen, wirklich beachtlich für einen Vierzöller. Das müssen auch APO Refraktoren erst einmal so zeigen! Nicht jeder, der sich APO nennt, wird da mit können!
Die Heimfahrt von der Ebenwaldhöhe war weniger angenehm. Ziemlich viel Nebel, vor allem dichten Nebel, gab es. An manchen Stellen sogar sehr feucht, so dass der Scheibenwischer immer wieder in Aktion treten musste.
22. 10. 2012, Hohe Wand
Das gute Seeing auf der Ebenwaldhöhe verleitete uns, da die meteoblue Prognose wiederum solches versprach, zu einem Ausflug auf die Hohe Wand. Wir (Andi und meine Wenigkeit) wollten Jupiter beobachten und auch per Webcam fotografieren. Allein, es kommt immer anders als man denkt. Das Seeing war nur mittelprächtig, und wenn man glaubt, es wird besser, wenn Jupiter höher steht, muss das auch nicht unbedingt so sein. Es wurde tatsächlich schlechter. Feucht war es genug, der Teleskop Tubus war schon nach ein paar Minuten nass. Wir hatten auf unserem Platz beim Tiergehege noch Glück, südlich von uns sind immer öfter und immer stärkere Nebelfetzen drüber gezogen, ein paar haben auch uns fallweise erwischt. Jedenfalls, das, worauf wir heiß waren, war so nicht. Man kann nichts erzwingen. Dafür war die Heimfahrt in der dichten Nebelsuppe, die hatte es fast durchgehend auf der ganzen Strecke, anstrengend und nervtötend. Im Nachhinein weiß man es besser, aber diese Fahrt hätten wir uns sparen können...
Fazit: Diese Optik überzeugt! Scharfe, kontrastreiche Bilder im Deep Sky Bereich, und selbst am Planeten eine hervorragende Leistung! Kontrastleistung ist es, was kleine Öffnungen so toll macht. Ich kenne das von meinem Ceravolo HD 145, dem 5.7" f/6 Maksutov-Newton. Wir haben auch ein paar Objekte, die ich mit dem Refraktor auf der Ebenwaldhöhe beobachtet hatte, bei etwas wechselnden Bedingungen auf dem Oberleiser Berg mit dem Ceravolo "nachbeobachtet". Und freilich, der ist eine Klasse für sich. Würde man beide direkt nebeneinander stellen, der Ceravolo profitierte schon von seiner größeren Öffnung, herschenken tut der nicht viel mit seiner geringen Obstruktion. Der Refraktor hält aber nicht nur tapfer dagegen, sogar sehr tapfer. Nur zwei Linsen, hohe Transmission, und mit einer scharfen Optik verschenkt der fast gar nichts an Kontrastleistung. Die feine Optik macht es auch aus, dass man den Refraktor bis in die "Übervergrößerung" ziehen kann. Genau das ist ja der Zauber, der guten Refraktoren nachgesagt wird. Und dieser 102/1100 Achromat ist ein würdiger Vertreter seiner Gattung. Preislich liegt er zwar deutlich über der Vierzoll Achromaten Konkurrenz, aber in der Performance auch deutlich darüber. Der Preis ist auf jeden Fall heiß, etwa 500 Euro zahlt man dafür. Die langen, dünnen "Pfeifen" sind irgendwie aus der Mode gekommen. Kaum jemand weiß noch die Vorzüge einer solchen Optik zu schätzen. Und nun noch eine freche Ansage: Dieser Refraktor muss sich vor einem Zeiss AS 100/1000 sicher nicht verstecken. Auch wenn ich von diesem Refraktor schwärme, wirklich farbreine und gute Apochromate sind deswegen nicht obsolet geworden. Es sind aber nur ein paar "Spezialbeobachtungen", wo der 102/1100 das Nachsehen hat. Ansonsten darf sich jeder 4" Refraktor an der Kontrastleistung dieses 102/1100 "reiben". Farbreinheit ist nicht alles...
Howdii