Wenn man das Teleskop nicht mehr spürt

11. 10. 2010, Hochbärneck

Durch die anhaltende Hochdrucklage plante ich eine zweite Nacht, und hatte das Hochbärneck im Visier. Auch Michael Stiendl wollte dort hin kommen. Also dann geht es nur mehr um den Termin. Da bot sich von der Wetterlage her die Nacht vom 11. auf den 12. Oktober als sichere Sache an. So war es auch. Wolkenfrei, ja, aber bei der Anfahrt von Norden her über Wieselburg und Scheibbs sah ich die Berge vor mir nur im Dunst. Kein grandioser Blick zum Ötscher, wie ich ihn mir gewünscht hätte. Hmm, das wird interessant, was der Himmel am Hochbärneck unter diesen Umständen kann...

Wir ("Canis Minor" und ich) kamen in der noch hellen Dämmerung an, und ein paar Minuten später traf Michael ein. Wir besprachen kurz, wie wir uns aufstellen würden, um auf dem abschüssigen Hang des Schotterstreifens vor der Astrostation eine möglichst ebene Stellfläche für die "Döbse" zu haben. Dann ging es unverzüglich an den Aufbau der Instrumente.

Ich hatte neuerlich den 12" GSO mit. Eigentlich wollte ich ursprünglich mit meinen 8" GSO ausrücken. Aber nach der Beobachtung auf der Steyersberger Schwaig war ich regelrecht gierig drauf, noch einmal mit dem 12" auf der neuen Rockerbox beobachten zu dürfen. Außerdem, eine andre Nacht, andere subjektive Eindrücke, ein weiterer Test unter ernsthaftem Einsatz würde sicher nicht schaden.

Zu meinem Erstaunen hatte der 12" GSO die Kollimation noch immer perfekt gehalten. Also von daheim den Transport zur Steyersberger Schwaig, den Rücktransport, ausladen, wieder einladen, und neuerlicher Transport zum Hochbärneck. Alle Achtung. Ich war aber eh froh darüber, weil die Justierung etwas fummelig ist, und nur mit Werkzeug erledigt werden kann. Meine Tuningmaßnahmen zur Versteifung des Tubus waren offenbar erfolgreich.

Wie sich die Nacht hereinsenkte wurde klar, dass auch der Hochbärneck-Himmel vom Dunst betroffen ist,  speziell der Horizont zeigte merkbare Aufhellung. So z.B. war die Lichtglocke von Mariazell gar nicht separat wahrnehmbar, der ganze Süden war etwas aufgehellt. Auch im Zenitraum habe ich den Himmel an diesem Standort schon besser erlebt. SQM-L Messungen zwischen Wega und Pol brachten keine erbaulichen Werte, so etwas bringen wir im Weinviertel in den besseren Nächten zumindest im Zenit locker zustande, mehr sogar. Gut, das ist aber auch die schlechteste Himmelsrichtung am Hochbärneck. Ich wartete daher relativ lange, bis sich die Milchstraße aus dem Zenitraum gedreht hatte, und nahm dann eine Zenit-Messung vor. Das Ergebnis lag nun bei 21.45 mag/sec2, was etwa  einer Grenzgröße von 6.3 mag bis 6.4 mag entspricht. Ok, dem kann ich zustimmen, der Zenitraum war einen Tick besser als letztens auf der Steyersberger Schwaig. Für ein Zehntel mag mehr so weit zu fahren ist aber auch herb. Nun, das ist es nicht, was allein für das Hochbärneck spricht. Es gibt dort ja einen freien Südhorizont, der normalerweise auch dunkel ist. Ich möchte hier nicht herumsudern über den "schlechten" Himmel, für mich war es der beste Himmel weit und breit den ich relativ leicht erreichen konnte, und allemal ausreichend für tolle Beobachtungen. Was ich aber zum Ausdruck bringen will: es geht hier bei passendem Wetter noch besser...

Im Vergleich zur Nacht auf der Steyersberger Schwaig war es mit 8° C regelrecht warm, und auch trocken, allerdings hatten wir es mit einem zunehmend auflebenden Wind aus Nordost bis Ost zu tun. Ich war diesmal wärmer angezogen, kam nie in die Verlegenheit, dass mir kalt geworden wäre.

Ich begann diesmal meine Beobachtungen tief im Süden.

Die Kugelsternhaufen M75 und M55 waren meine ersten Ziele. Ersterer ist ein harter Brocken, dem ich nur einen leicht grießligen Eindruck entlocken konnte. Die hellsten Sterne liegen bei 14.6 mag. Das Seeing war so tief herunten auch nicht dazu angetan, um hochpräzise Beobachtungen tätigen zu können. Die Sterne waren allesamt kleine Scheibchen, in denen ein helleres Zentrum herumeierte. M55 wiederum war, obwohl noch tiefer, bis ins Zentrum auflösbar, aber auch alles andere als ein genussvoller Anblick.

Weiter ging es mit NGC 6822 ("Barnard's Galaxy"). Für einen schönen Gesamteindruck verwendete ich 55-fache Vergrößerung. Dabei erschien das ganze Feld gesprenkelt mit Sternen, die Galaxie wirkte etwas grießlig, das waren sicher nicht nur alles Vordergrundsterne. Bei besserem Seeing, und wenn ich nicht noch andre Dinge vorgehabt hätte, wäre eine genauere "Untersuchung" angebracht gewesen. Da gäbe es ja einiges zu "kletzeln"...

Wenn man schon Barnard's Galaxy im Feld hat, nimmt man den Planetarischen Nebel NGC 6818 ("Little Gem") einfach mit. Es bedarf dazu ja nur eines kleinen Rucks am Teleskop... Ich gab mich auch hier mit relativ niedriger Vergrößerung (100x) zufrieden und genoss lieber den schönen Anblick mit feineren Sternen im Feld.

Auf dem Weg zu Pal 12 nahm ich noch einmal M30 "mit". Pal 12 ist sicher kein ganz einfacher, aber sicher auch nicht der schwierigste der Palomar Kugelhaufen. Ohne genauere Karte oder zumindest Ausschnittskarte ist man bei der Suche jedenfalls aufgeschmissen. Die Uranometria reicht dafür nicht aus. Etwa 12 mag auf fast 3 Bogenminuten Fläche verteilt, da ist eine harte Nuss vorprogrammiert. Die hellsten Sterne reichen an 14.6 mag heran, wären also drin. Nur, was erwartet einen im Okular? Erst einmal nichts. Bei 68x war auch der Himmel zu hell. Ich ging auf 100x und versuchte mein Glück erneut. Immer wieder versuchte ich die Position zu den Umgebungssternen genau zu erwischen und bei entsprechender Augengymnastik kamen zwei Einzelsterne zum Vorschein, wobei einer heller, der andere schwächer war, den ich nur seltener aufblitzen sah. Diese Sterne zu sehen erfordert eine andere Blicktechnik als ein "Nebelwolkerl" an dieser Stelle zu entdecken. Das geht besser mehr aus dem Augenwinkel heraus, bei leichtem Bewegen des Teleskops. Und da war eine gaaaanz schwache Aufhellung an der betreffenden Stelle zu erhaschen. Michael konnte nach einiger Zeit der Dunkeladaption am Okular meinen Eindruck bestätigen. Von den beiden Einzelsternen erwischte er aber nur den helleren.

Nun war einmal eine kleine Erholungspause angesagt und ein Schluck Tee. Und mit "freundlicheren" Objekten ging die Beobachtung weiter.

Z.B. mit NGC 7331. Gleich so beim Reingucken ins Okular bei 100x noch zwei Begleitgalaxien - ein zweifellos schöner Anblick. Das Ziel war aber Stephan's Quintet, was auf der Steyersberger Schwaig letztens nicht mehr sein wollte. Dabei ist es von NGC 7331 eh nur ein kleiner Ruck mit dem Teleskop... halt in die richtige Richtung muss er erfolgen ;-) Ich kenne diese Gruppe ja relativ gut, und weiß, dass zwei der Galaxien dicht beieinander picken, und eine dicht neben einem Stern, schaut selbst eher sternförmig aus. Somit war es doch nicht sehr schwierig, alle 5 Lichttupfen zu identifizieren.

Nächster Halt war bei M33. Erst ein Versuch, dieses Objekt freisichtig zu erspähen - ja, geht, gar nicht so schwierig! Was ein guter Himmel ausmacht! Dann der Anblick im Teleskop bei 68x - so schön habe ich diese Galaxie eigentlich noch nie zuvor gesehen, wunderschön die S-Form der Spiralarme, mit viel Umgebung im Feld "schwebend". Jedes Fernrohr hat ja seinen Himmel, und der 12" f/5 war da gerade richtig. In der Folge schraubte ich den UHC Filter rein, um Jagd auf NGC 604 zu machen. Na, war ja gar nicht schwer, und bei 150x war diese HII Region schon ein beachtliches Ding mit etwas Struktur. Zumindest zwei weitere HII Regionen waren ebenfalls relativ einfach sichtbar.

Einen kurzen Blick durchs Teleskop gab es auf M31, M32, NGC 205 (M110) und NGC 206 (große Sternassoziation in M31) , bevor ich mich auf die Suche nach G1 (Mayall II) machte. Eine genaue Aufsuchkarte hatte ich nicht dabei, aber die Gegend kenne ich ja, und es ist eine markante Sternformation, die man sucht, daher war es auch nicht allzu schwierig. Michael versuchte seinerseits, G1 im 15" Obsession zu finden. Er ging nach seinem Millennium Star Atlas vor (in meiner Uranometria ist G1 gar nicht eingezeichnet). Michael kam zu einer ganz anderen Sterngegend, mit der ich nix anfangen konnte. Ich stellte ihm "meine Position" auch im 15" ein. Er war etwas verblüfft, weil das in RA ein ordentliches Stück daneben ist. Zumindest weiß ich, dass in TheSky G1 auch falsch drinnen ist. Die Dreiergruppe, G1 mit den beiden Vordergrundsternen ist ja sehr markant, und dazu gibt's noch ein flaches, rechtwinkeliges Stern-Dreieck in der nächsten Umgebung. Welcher der drei Lichtpunkte nun G1 war, war wiederum nicht leicht feststellbar, weder im 12" noch im 15". Wir einigten uns schließlich auf einen "Kandidaten", und der war's auch (festgestellt bei der Recherche daheim), bestenfalls aber ein etwas zu dick geratener "Stern". Mehr war nicht zu wollen. Von der Helligkeit her (13.5 mag) ist G1 ja sicher auch in kleineren Fernrohren zu schaffen.

Komet 103/P Hartley bot mir die beste Ansicht, seit ich ihn verfolge. Die Koma wirkte dreieckig langgezogen, mit Schweifansatz und einer asymmetrischen Aufhellung, im Winkel von etwa 120° zum Schweifansatz. Unter diesem guten Himmel war der Komet eigentlich eine recht große "Pletschn". Daheim im Garten hatte ich vom Kometen selbst im 12" nur den innersten Komabereich gesehen.

Den Abschluss meiner Beobachtungen bildeten die Pleiaden. Ich konzentrierte mich speziell auf NGC 1435 (Tempel's Merope Nebula), der recht deutlich und langgestreckt zu sehen war,  und IC 349 (Barnard's Merope Nebula), das kleine "Bemmerl" dicht an Merope. Letzterer Nebel war nicht arg schwierig, speziell wenn man ihn einmal geknackt hat (im Frühjahr dieses Jahres mit dem 8" Maksutov-Newton), weiß man, was einen erwartet.

Damit hatte ich mein Programm durch, packte zusammen und machte mich auf den Heimweg. Michael meinte, er werde vielleicht noch ein bis zwei Stündchen weiter beobachten. Der 12" GSO war auch in dieser Nacht die reinste Freude. Wie das Teleskop beim Nachführen, beim suchenden Herumschwenken mitgeht, so schön g'führig und butterweich, das macht regelrecht süchtig! Man spürt den Dobson nicht mehr, man strömt dann sozusagen einfach durchs Okular und ist in einer anderen Welt.

Howdii