Mai - Neumondzeit kommt. Man macht sich so seine Gedanken über klare Nächte, wann und wo es sie geben könnte. Aus langjähriger Erfahrung wissen wir, dass Astronomie Flexibilität erfordert, unverhofft kommt oft, und manchmal muss man schon auch sich dort hin begeben, wo es Sternenhimmel gibt.
Allein, für diese aktuelle Woche, und auch weit in die nächste Woche schaut's gar nicht rosig aus mit dem Wetter. Was salopp mit einer südwestlichen Höhenströmung, die für feucht-labile Luftmassen sorgt, beschrieben wird, zeigt sich auf den Wetterkarten so, dass einem der Kopf raucht. Da tanzen Tiefdruckgebiete miteinander Ringelreigen, Warm- und Kaltfronten verschränken kunstvoll ihre Arme - mit einem Wort: es ist angerichtet in der Wetterküche. Ab und zu ein bisserl Sonnenschein heizt das Szenario nur an.
Wenn man so alle möglichen Wetter Prognosen im Internet durchstöbert, erkennt man, die Lage ist miserabel bis aussichtslos, was klaren Sternenhimmel betrifft. Man ergibt sich in sein Schicksal und meint, na, wird schon wieder, es kommt der nächste Neumond. Im Hinterkopf aber hängt eine kleine Hoffnung, dass es vielleicht doch eine Chance geben könnte. Und tatsächlich zeigt Meteoblue in der Detailprognose für den 12. Mai in Mistelbach eine klare Nacht an. Das entlockt mir ein Achselzucken und ein müdes Lächeln. Wo bitte sieht der eine Chance auf klaren Himmel, so aus dem Nichts heraus?
Und am Mittwoch ist die Prognose abgeschwächt: nur teilweise klare Nacht, man müsste mit Störungen rechnen. Der Mittwoch beginnt mit tiefen, finsteren Wolken, kein Sonnenstrahl dringt irgendwie durch. In den frühen Abendstunden beginnt es auch noch zu regnen. Fein. Die Meteoblue Prognose passt zwar oft punktgenau, liegt aber auch genug oft daneben. Doch beim routinemäßigen Check des Satellitenbildes sehe ich, hoppla, da reißen die Wolken auf, vom Burgenland bis ins Waldviertel rauf hat sich ein breiter Spalt gebildet. Das Weinviertel liegt aber noch immer unter Wolken. Da klingelt das Telefon, Martin Springinklee ist dran. Er sagt, in Wien gäbe es Sterne. Ja klar, seh' ich auf dem Satbild. Ob es für's Weinviertel reicht? Neues Satbild, hm, könnt was werden, die Wolken ziehen sich weiter nach Norden zurück, ein Spalt reicht jetzt bis Mistelbach herauf. Ein Blick aus dem Fenster, tatsächlich, ich sehe schon Sterne, die dünne Wolkendecke hat Risse bekommen und zerfällt zusehends. Noch ist nicht klar, ob das so hält.
Schon oft konnte ich beobachten, dass sich Wolken auflösten um im nächsten Augenblick wieder aus dem Nichts zu entstehen. Ich schlug vor, die Sache noch etwas zu beobachten. Der nächste Anruf von Martin kam, wie er schon auf der Fahrt war. Nach Schrick raus. Der gute Mann hat Mut zum Risiko, dachte ich ;-)
Dennoch, da es auch hier in Mistelbach immer schöner wurde, kramte ich meine Sachen zusammen und lud den Krempel ins Auto ein. Für mich ist Schrick ja ein "Katzensprung". Von der Ortschaft rauf zu unserem Beobachtungsplatz wurde es auf einmal leicht nebelig, dann wurde der Nebel dichter, und noch dichter, Naaaaaaah!!! dachte ich, das darf doch nicht wahr sein! aber da war die Nebelwand auf einmal auch wieder aus und der Himmel voller Sterne! Hep, also über dem Nebel :-)
Martin war bereits am Beobachtungsplatz angekommen und hatte sein Teleskop schon aufgebaut. Rundum zeigte der Himmel noch ein paar Wolken, aber es wurden immer weniger und auf einmal war es einfach eine unterwartet klare und schöne Nacht. Sogar mit gutem Seeing! Aber ja, wo wäre denn auch die große Tageserwärmung gewesen, die die Luftmassen so stark in Bewegung gebracht hätte. Unter solchen Umständen, Aufklaren erst spät am Abend, hatte ich öfter schon Glück mit gutem bis exzellentem Seeing.
Natürlich habe ich auch bald nach meiner Ankunft mit dem SQM-L am Himmel rumgefummelt. Da zeigte es 21.32 mag/sec2 im Mittel an. Später wurde es sogar besser, 21.41 mag/sec2. Halt, irgendwas passt da nicht. Der visuelle Eindruck des Himmels war überhaupt nicht nach den entsprechenden 6 mag und mehr. Ich hätte nicht einmal 5.6 mag vergeben, das Messergebnis würde auf etwas besser als 6 mag hindeuten... Woher diese große Diskrepanz, wo doch bislang die gemessenen Werte gut mit der visuellen Einschätzung zusammengepasst haben? Sicher nicht schlecht für's Weinviertl, aber ich habe hierzulande schon besseren Himmel gesehen.
Nun aber zu den teleskopischen Beobachtungen ein paar Worte.
Martin hatte bereits M51 in seinem 5" William APO eingefangen. Erst noch bei niedriger Vergrößerung, doch ich ermutigte ihn, etwas mehr "Gas zu geben", und siehe da, auf einmal ließ sich die Spiralstruktur erkennen! Mit so wenig Öffnung kenne ich diesen Effekt aber doch eher von besseren Standorten. Das stand gegen meinen visuellen Eindruck vom Himmel mit freiem Auge.
Ich hatte mein 8" Dobsi mit der Eigenbau Rockerbox wieder dabei, und meinte, M51 würd' sicher im Achtzöller was hergeben. Allein, im Zenitraum ist ein Dob suboptimal. Ich bin schon mit dem Astrostuhl halb um das Teleskop herumgerutscht und bin immer noch nicht zum Ziel gekommen. Auf den Knien herumrutschen war angesichts der spitzigen kleinen Steinchen, die da auf dem Asphalt verstreut waren, sehr unangenehm - wäre vielleicht für einen Fakir ein Genuss gewesen - ich habe letztlich aufgegeben. Eine Stunde später geht's doch sicher besser anvisieren.
Statt dessen habe ich - halb aus Frust - halt M13 anvisiert. Das hat aber gleich entschädigt. Bei 55x indirekt ein feiner Grieß, ein entzückender Anblick. Auch dieser Eindruck passt eher zu einem besseren Himmel als ich freisichtig geschätzt habe.
Martin wollte M64 sehen, die "Black Eye" Galaxie. Liegt ein bissl im "Irgendwo", aber vom Coma Sternhaufen aus find ich doch relativ leicht hin. Um die Dunkelstruktur zu zeigen, war schon ordentlich Vergrößerung notwendig. Bei 120x war indirekt schon eine Andeutung da, bei 160x war es dann deutlich zu erkennen. Martin war recht begeistert. Auffallend war auch der helle, sternförmige Kern der Galaxie.
Nun schlug Martin M97 vor. Gut, wenn mir schon fad im Hirn ist, gehe ich gern auf Vorschläge ein. Auswendig weiß ich die Position nie genau, nachschau'n war mir zu fad, deswegen rührte ich einfach mit dem Teleskop herum am Himmel bis M97 im Okular erschien. Bei 55x vor allem M97 und M108 beide im Gesichtsfeld. Dieser "Kontrast", eine entfernte Galaxie und ein vergleichsweise relativ naher Planetarischer Nebel, hat Martin ganz besonders gefallen. In der Folge machten wir uns an M97 noch näher zu schaffen, um vielleicht ein Auge oder beide zu erspähen. Bei 80x war die ideale Vergrößerung gefunden. Zumindest ein Auge zeigte sich bereits. Mit Einsatz des UHC Filters waren jedoch beide Augen möglich, wenn man indirekt den richtigen Punkt erwischt hatte. Hm, eigentlich auch ein Ergebnis, das besseren Himmel bedingt.
M108 hingegen war aufgrund der Längenausdehnung besser aus dem Augenwinkel heraus zu erfassen. Die Knoten kamen bei 80x aber auch besser als bei 55x.
Im NNW bildete sich eine Nebelwolke aus dem Nichts, die immer größer wurde, und wohl teilweise bis über das Mistelbacher Stadtgebiet geragt hat, weil sie von unten grell beleuchtet war. Die Wolken breitete sich auch immer mehr aus, war auf einmal bis in den Süden vorgedrungen.
Ein "Betthufperl" wollt ich noch sehen. Die "Needle" Galaxie, NGC 4565. Hm, schwach. Was ist los, ah, Fernrohr patschnass, Okular angelaufen. Ok, Okular in der Hand anwärmen, und schon geht's weiter. Aber der Eindruck blieb schwach. So ist das mit dem Galaxienspechtln im Weinviertel halt, und dieses Ergebnis passte eher mit meinem freisichtigen Eindruck des Himmels zusammen. Oder war auch der Fangspiegel schon beschlagen, und ich hatte es nicht bemerkt? Möglicherweise habe ich den Himmel freisichtig unterbewertet. Kommt manchmal vor, dass ich einen "schlechten Tag" erwische, und meine Nachtmyopie tut das ihre dazu, dass ich freisichtig den Himmel tendenziell unterbewerte. Die Diskrepanz zwischen freisichtiger Einschätzung und meinen teleskopischen Beobachtungen beruht ja darauf, dass ich das Teleskop nachfokussieren kann, die Brille aber nicht. Die Lösung des Rätsels wäre vielleicht: das Messergebnis, speziell das zweite, war etwas zu optimistisch (habe das Gerät nicht in der Jackentasche gehabt wie sonst immer, bei kaltem Gerät kann es zu hohe Werte anzeigen), ich war einfach schlecht drauf (dafür gäbe es sogar einen triftigen Grund), und beim letzten Objekt war der Fangspiegel wirklich schon leicht beschlagen.
Irgendwie sind die Tiefdruckgebiete bei ihrem Tanz wohl müde geworden, und haben eine Pause eingelegt, eine Pause, die uns unerwartet einen Blick zum Sternenhimmel ermöglicht hat. Nach Mitternacht sind es allerdings immer mehr Nebelwolken geworden, mal da, mal dort, egal, ein paar schöne Stunden waren es. Dass die Nacht nicht gänzlich ungestört verlaufen würde, hatte Meteoblue richtig prognostiziert, so ist es auch gekommen. Bei meiner Ankunft daheim war letztlich der Himmel zu 50% von Wolken bedeckt, was sich aber bei längerer Beobachtung rasch änderte. Das ist halt typisch für die Nebelwolken, die kommen und vergehen, blitzartig - bedingt durch die hohe Luftfeuchtigkeit und die Wärme der Stadt. Zeitlich fängt es zu "herbsteln" an...
Howdii