Neumondzeit und Wetterglück: Schon seit Tagen hatte sich ruhiges Hochdruckwetter eingestellt. Das bedeutet im Spätherbst und Winter mit höchster Wahrscheinlichkeit Nebel und Hochnebel in den Niederungen, über dem Nebel jedoch strahlend blauen Himmel und Sonne am Tag, und in der Nacht phantastischen Sternenhimmel. Die Ebenwaldhöhe hat dann Hochsaison. Nur ganz so genau weiß man doch nicht, was einen erwartet. Zum einen kann es vorkommen, dass auch die Ebenwaldhöhe noch im Nebel liegt, zum anderen können hohe Schleierwolken auch bei stabilem Hochdruckeinfluss den Himmel verunzieren. Walter hatte schon etliche Nächte im Zweitagesrhythmus hinter sich. Von ihm und auch aus den Berichten wusste ich von wechselnden Bedingungen - mal kalt, mal mild, mal windig, mal windstill. Ich war beruflich in diesen Tagen hart gefordert, so dass ich oft erst um Mitternacht aus dem Büro weg kam. Da hat man verständlicherweise keinen "Bock" mehr auf astronomische Aktivitäten, grad wenn der nächste stressige Arbeitstag wartet. Als sich jedoch ein wenig Entspannung abzeichnete, hielt auch mich nichts mehr. So kam es dazu, dass ich mich mit Walter für den 14. 12 auf der Ebenwaldhöhe verabredete. Ich war gespannt, welche Bedingungen ich antreffen würde. Gerade wenn man eine einzelne Nacht herauspickt, muss es noch lange nicht sein, dass man die beste erwischt.
Auf der Anfahrt zeigte mein Autothermometer in Kleinzell unten -4° C, und je weiter es auf den Berg hinauf ging, desto kälter wurde es. Komischerweise kam ich am Weg nach oben nicht durch eine dichte Nebelzone, es waren grad ein paar Nebelfetzen, und dann sah ich auch schon Sterne zwischen den Bäumen. Bevor ich am letzten Stück des Weges das Licht abschaltete, sah ich -6° C auf der Anzeige. Na bumm, dachte ich, das wird ein kühles Vergnügen. Ich traf um etwa 20:45 Uhr oben am Parkplatz ein. Walter war schon dort, und auch der halbe WAA. Jede Menge Spechtler und Fotografen. Wegen des anfänglich noch vorherrschenden Westwindes hatten sich alle im hinteren Gebiet des Parkplatzes zusammengedrängt. Walter lotste mich ganz nach hinten, da war neben ihm noch ein Platzerl frei. Wie ich aus dem Auto ausstieg, kam es mir sehr kalt vor. Ich zog mich daher erst einmal wieder in's Auto zurück um wärmere Kleidung anzulegen. So war es schon weit angenehmer. Die nächsten Minuten verbrachte ich mit dem Aufbau meines 5.7" f/6 Maksutov-Newtons. Der Wind hatte zum Glück schon nachgelassen, war kaum mehr zu spüren, und schlief im Laufe der Nacht weiter ein. Hinter der geöffneten Heckklappe meines Kombis spürte ich praktisch gar nichts vom Wind. Es war zum Glück auch nicht wirklich so kalt, wie ich vermutet hatte. So hielt ich es über längere Phasen ohne Handschuhe aus - beim Hantieren mit den Okularen hat man einfach einen besseren Griff ohne Handschuhe, und die kleinen Schrauberln am Okularauszug kann man "behandschuht" auch nicht wirklich gut bedienen.
Rundherum wurde schon über den Kometen Machholz (C/2004 Q2) geredet, er wäre schon mit freiem Auge zu sehen, und den Beschreibungen nach deuchte auch mir, dass da ein nebeliges Fleckerl wäre. Ich hielt einmal mit dem Teleskop auf diese Gegend hin, rührte ein bisserl am Himmel herum, und siehe da, auf einmal hatte ich den Kometen im Sucher. Das war mein erster Blick auf diesen Kometen, und ja, man findet ihn auch ohne genaue Aufsuchkarte. Bei 40x zeigte sich eine große, helle, auffällig türkisfarbene Koma, bei genauer Betrachtung entdeckte ich auch das kurze Stutzerl von Staubschweif und den dünnen Plasmaschweif, die in einem mehr als 100-gradigen Winkel zu einander verliefen.
Das war ja einmal ein ganz netter Einstieg. Nun richtete ich meinen Blick prüfend zum Himmel und schaute ein wenig umher. Die Wintermilchstraße war schön zu sehen, Saturn fast grell, Sirius ein richtiger "Lichtverschmutzer" :-) Ich konnte in der Polregion locker einen 5.9 mag Stern ausnehmen, das war ein Indiz dafür, dass die freisichtige Grenzgröße jenseits von 6 mag lag - Walter stellte 6.3 mag fest. In den nächsten Minuten beschäftigte ich mich auch im Teleskop eher mit dem Prüfen der Himmelsqualität als mit dem Studium der Objekte - ich ging auf Details los, die ich von früheren Beobachtungen mit Nebelfilter kannte, diesmal aber "ohne". So erspähte ich M42, den Orionnebel, als südseitig geschlossenen Ring, konnte die Konturen des "Ape Man" in den mild leuchtenden Nebeln von NGC 1973/75/77 erkennen. Das machte Hoffnung - ich hatte in dieser Nacht ja noch "Großes" vor...
Zwischendurch, zum lockeren Spechteln, schob ich ein paar Sternhaufen ein: M37 - eine Pracht, M36 - unter diesem Himmel macht auch dieser Haufen noch etwas her, und da juckte es mich schon, an einem subtilen Ding herumzuspechtlen: NGC 1931. Naja, nicht wirklich unbekannt für mich. Das kleine Nebelfleckerl fand ich bei 40x, nur der genaue Name war mir entfallen, dazu musste ich den "Karkoschka" bemühen. Bei 217x konnte ich drei Sterne im Nebel entdecken, der Nebel war aber auch bei dieser recht hohen Vergrößerung noch evident, und das Seeing erwies sich als gut - saubere Abbildung! Vorbei an der "nebeligen" (IC 417) Sterngruppe Stock 8 östlich des Sterns φ Aurigae ging es nun zu M38. Herrlicher Anblick, und selbst bei 40x waren im etwas südlicher stehenden Haufen NGC 1907 viele Sterne aufzulösen. Alles durchaus bekannte Sachen, aber schon lange nicht mehr so gesehen.
In der Folge wurde wieder an etwas Nebeligem herumgekletzelt, und dafür investierte ich etliche Zeit. Es ging um die Nebel IC 410 und IC 405 - den "Flaming Star Nebula" - der den Stern AE Aurigae großräumig umgibt. Auch Walter spechtelte bei diesen Objekten heftig mit. Zu Beginn gingen wir ohne Nebelfilter drauf los. An IC 410 waren die hellsten Nebelpartien, die im Bereich des Sternhaufens liegen, bei 32x leicht zu sehen. Mit UHC Filter erstreckten sich die Nebelmassen deutlich weiter, und ein erstes Indiz auf einen unregelmäßigen Nebelring mit dunklem Zentrum war gegeben. Dies wurde recht deutlich beim Einsatz des [O III] Filters. Dieser Filter war unter den gegebenen Umständen die eindeutig die beste Wahl.
IC405 zeigte ohne Nebelfilter eine diffuse, größere Aufhellung um den Stern AE. Das sind wohl die Reflexionsnebelanteile. Bei Einsatz des UHC Filters war der Eindruck so-so, von dem Nebel, der vorher zu sehen war, kam kaum was durch, dafür deuchte uns, dass eventuell - sehr unsicher - etwas von dem nach Süden führenden Ausläufer zu sehen wäre. Speziell die schärfer definierte Ostflanke fiel auf. Der [O III] Filter "tötete" alles Nebelige. Mit H-Beta war wieder der nach Süden führende Ausläufer verdächtig, sonst kaum etwas vom Nebel zu sehen. Bei so großflächigen Nebelgebieten ist es immer etwas heikel: mit dem "idealen" Punkt auf der Netzhaut kommt man nicht weit. Da geht es am ehesten mit einem Blick aus dem Augenwinkel und leichtem Schwenken des Teleskops.
Zu bereits vorgerückter Stunde stand das Zielgebiet des Objektes meiner Begierde nun hoch genug. Jetzt sollte es ans Eingemachte gehen... Ich richtete mein Teleskop auf den Weihnachtsbaumhaufen (NGC 2264). Der wissende Leser wird schon ahnen, worauf die Sache rauslaufen würde: Auf einen Versuch, den Konusnebel zu beobachten. Ich selbst war schon mehrfach dran gescheitert, und wusste auch von erfolglosen Versuchen diverser Amateure mit durchaus stattlicher Öffnung, etwa 16" bis 18"... Andererseits fand ich Beobachtungshinweise im Internet, wo man sich ab 10 " Öffnung Hoffnung machen dürfe, und UHC Filter den Unterschied zwischen Sehen und Nichtsehen machen würde. Nicht zuletzt fand ich einen Bericht, der auf eine Beobachtung mit 8" hinwies, und aus einem Bericht von Jay Reynolds Freeman wusste ich von einer Beobachtung mit einem 6" Mak. Nun war ich recht gespannt. Würde es diesmal gelingen? Zum Abschätzen meiner Chancen begann ich bei 40x ohne Nebelfilter. Der Nebel um den Stern S Monocerotis war leicht und eindeutig zu sehen. Auch den Nebel um die etwas westlich von S Mon liegende Sternengruppe konnte ich leicht erkennen. Das sind ja die hellsten Nebelteile. Dann untersuchte ich die "Christbaumspitze" - auch hier war etwas Nebel zu erkennen. Während ich versuchte, die Intensitätsunterschiede festzustellen, und mehrfach den Blick zwischen den einzelnen Nebelfleckchen wechselte, fuhr ich so aus dem Augenwinkel heraus einmal zufällig über den Bereich der "Christbaumspitze", und - da war doch was: ein schwarzes Stricherl! Ich versuchte es nochmals, diesmal bewusst, und wieder dieser Eindruck! He, was such' ich denn da die ganze Zeit - entfuhr es mir. Da war er ja, der Konusnebel! Walter kam herbeigeeilt, und lugte ins Okular. Naja, so ganz überzeugt war er nicht, "könnte" sein, meinte er. Ich ging daraufhin mit UHC Filter auf nähere Untersuchung. Der Nebelfleck um die "Christbaumspitze" erschien nun deutlicher, aber so sehr ich mir auch die Augen ausspechtelte, der dunkle Konusnebel wollte nicht "kommen". Hm, langsam begann auch ich zu zweifeln. Ich nahm den Filter wieder weg, und da war auch der Konusnebel wieder. Aha. Das war wohl das Geheimnis - bislang bin ich immer mit allen möglichen Nebelfiltern draufgeknallt, und immer gescheitert.
Jetzt wollte ich das Ding aber so richtig, "ordentlich" sehen. Ich steckte zwei gewichtige Glastrümmer in die Taschen meiner Jacke und spazierte nach vorn, zu Roland Graf und Andi Berthold, um mir Rolands 18" Dob für ein paar Minuten auszuborgen. Roland hatte ein 30 mm Plössl im Auszug stecken, damit war aber gar nichts zu wollen. Ich wechselte auf mein 27 mm Panoptic - das gibt 74x. Dieses Okular brachte eine weit bessere Bilddefinition, aber wo war der Konusnebel? Nichts davon war zu entdecken. Nun versuchte ich es mit dem 22 mm Panoptic bei 90x. Mein Gott, der ganze Weihnachtsbaum war ein Nebelmeer, das kostete ja schon fast perfekte Dunkeladaption, und der Stern S Mon war ein richtiger "Blender". Ich nahm mir nun die "Christbaumspitze" näher vor. Mit einiger Augengymnastik wurde beim leichten Schwenken des Teleskops langsam die hellere Nebelflanke, die den Konusnebel begrenzt sichtbar, und auf einmal war er doch da. Sehr schwach im Kontrast, aber die sichtbaren Details gemahnten an diverse Fotos. Alex Pikhard, der in unmittelbarer Nähe stand, kam herbei, und bestätigte meine Eindrücke. Naja, das war alles andere als leicht, der Konusnebel war bei dieser Vergrößerung auch schon ein "Riesentrumm". Bevor ich wieder abzog, riskierte ich noch einen Blick durch den 8" f/4 Newton, den Roland als "Sucher" Huckepack am Dob montiert hat. Na bitte, da war der Konusnebel aber fast auf einen Blick zu sehen!
Ich begab mich daraufhin wieder zu meinem 5.7" Röhrl, und spechtelte nochmals nach dem Konusnebel. Nun versuchte ich es eher mit dem idealen Punkt auf der Netzhaut, und siehe da, ich konnte meinen Eindruck verbessern, es war nicht einfach nur ein dunkles Stricherl, es war wirklich ein dunkler Keil! Bei einem neuerlichen Versuch war auch Walter erfolgreich, und noch zwei weitere Beobachter konnten sich davon überzeugen, dass es wirklich mit so wenig Öffnung geht.
Mitternacht war nun schon vorbei, es wurde Zeit für mich, ans Heimfahren zu denken. Zum Abschluss riskierte ich noch einen Blick auf Saturn: Oh, wirklich feines Seeing! Bei 217x stand der Ringplanet da wie ausgestanzt, mit umlaufender Cassini-Teilung, dunklerer Polregion, Wolkenband, C-Ring und etlichen Monden.
Um 1 Uhr verließ ich die Ebenwaldhöhe - ich war weder der erste, noch der letzte, der nach Hause fuhr. Beim Wegfahren zeigte das Autothermometer +1° C, unten in Kleinzell waren es dann -7 ° C, brrr. Der Nebel hatte sich weiter in die Niederungen gesetzt, z.B. hing er nun am Gerichtsberg, und auf der Straße gab es einen pelzig weißen Reifbelag.
Zum Abschluss möchte ich noch ein bisserl über die Beobachtung des Konusnebel resümieren. Meines Erachtens geht er in einem - sagen wir - Sechszöller oder Achtzöller leichter als der berühmtberüchtigte Pferdekopfnebel. Während letzterer aber mit zunehmender Öffnung einfacher wird, kommt beim Konusnebel offenbar ein Schwierigkeitsgrad dazu, je mehr Öffnung man einsetzt: Der Dunkelnebel ist nicht gar so dunkel. Das ist speziell auf H-Alpha Aufnahmen dieses Nebelgebietes deutlich zu sehen. Wo es Strahlung auf der H-Alpha Linie gibt, ist meist auch in den dem Auge zugänglichen H-Beta und [O III] Linien etwas vorhanden. Dass es hier der Fall ist, beweist das Ansprechen auf UHC Filter. Und weil man auch das schwache Leuchten, das durch den Dunkelnebel dringt, sieht, hat man mit großer Öffnung wenig Kontrast (ein Bericht von Steve Gottlieb mit 17.5" Öffnung bestätigt den schwachen Kontrast). Bei kleiner Öffnung geht dieses Licht unter, man sieht nur die hellen Nebelflanken. So war der Konusnebel in meinem 5.7" Maksutov-Newton pechschwarz (auch nach Jay Reynolds Freeman's Beschreibung), im 8" f/4 Newton schon nicht mehr so dunkel. Geht man mit der kleinen Öffnung mit Nebelfilter drauf, kommt man auf denselben Effekt, dass der Kontrast zwischen Dunkelnebel und Umgebung dramatisch sinkt. Zudem ist es wohl auch mit kurzbrennweitigen Teleskopen moderater Öffnung vom optimalen Sehwinkel her idealer; in den "großen Brummern" ist genug Brennweite vorhanden, um aus dem Konusnebel ein ziemlich "formatfüllendes" Ding werden zu lassen. Das erschwert wiederum die Sichtbarkeit. Als ideale Lösung zur Beobachtung des Konusnebel würde ich nun einen Achtzöller oder Zehnzöller sehen, bei dem man auf ca. 40 bis 50-fache Vergrößerung bei 4 bis 5 mm Austrittspupille kommt. Dann braucht nur mehr der Himmel gut genug sein, und der Konusnebel sollte relativ einfache Beute werden. Wirklich leicht war es mit meinem 5.7" Maksutov-Newton nicht, aber auch nicht wahnsinnig schwierig - ich hab' mit diesem Röhrl definitiv schon "heftigere" Dinge beobachtet.
Howdii