Kampf mit den Wolken - Komet C/2001 Q4 (NEAT) 

 10. bis 16. 5. 2004, Münichsthal, Niederkreuzstetten, Mistelbach

Kometen können zu den ärgsten "Schlafräubern" werden. Normal sind das die großen, hellen "Brummer", denen man ständig hinterher ist, manchmal können aber auch die Beobachtungsumstände zu vielen "Einsätzen" zwingen. Und wenn man endlich das Objekt der Begierde ausreichend gut vor der Linse hatte, mag es durchaus sein, dass man dem Ding bereits verfallen ist, und weiterhin dran bleiben "muss".

Der Komet C/2001 Q4 hätte um das Wochenende vom 7. Mai bis 9. Mai seine größte Helligkeit erreichen sollen. Eine Beobachtung war daher "dringend" angesagt. Während der Komet am 7. noch sehr tief am Dämmerungshimmel aufzuspüren gewesen wäre, strebte er mit jedem Tag höher, was bessere Beobachtungsbedingungen bedeutet. Am 9. Mai wäre vielleicht der "Schnittpunkt" gewesen. Allein, das Wetter war das ganze Wochenende über alles andere als gedeihlich. Tagsüber gab es starke Quellwolkenbildung, mit teilweise gewittrigen Schauern oder echten Gewittern. Zur Nacht hin begannen sich die Wolken zwar jedes mal aufzulösen, und die Nächte waren weitgehend klar. Ich ging Freitags und Samstags auf die Pirsch, doch hatte kein Glück mit den Wolken, der Himmel war jeweils in der späten Dämmerung noch stark bewölkt, nur da und dort eine größere Wolkenlücke. Am Sonntag schließlich war der Himmel bei Einbruch der Nacht sogar noch von dicken, schwarzen Gewitterrestwolken beherrscht.

Für den Beginn der neuen Woche war die Wetterprognose kaum besser. Am Montag, dem 10. Mai, sah es kaum anders aus. Am Morgen noch Sonne, dann immer mehr Wolken und schließlich bedeckter Himmel. Dabei war die Fernsicht recht gut , sowohl am Freitag wie auch an diesem Montag hatte ich den Schneeberg vom Weg zur Arbeit aus gesehen. Gegen Abend zeigten die Wolken einmal mehr Auflösungstendenz. Ich spekulierte zumindest auf ein Wolkenloch, und machte mich rechtzeitig in der frühen Dämmerung auf den Heimweg von der Arbeit. Als Gerätschaft hatte ich nur das 7x50 Fernglas, Digitalkamera und Fotostativ mit.

Auf dem Höhenrücken zwischen Großebersdorf und Münichsthal machte ich Station, und legte mich auf die Lauer. Ein Wolkenloch könnte eventuell richtig "dahinziehen" und die gefragte Himmelsgegend freigeben. Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Als erstes kam Capella in Sicht. Dann, nach langen Minuten endlich Venus. Wiederum dauerte es viele Minuten, bis endlich Saturn sichtbar wurde, später auch Castor und Pollux. Von Procyon. in dessen Nähe der Komet stand, sah ich aber fallweise nur einen Schimmer durch die Wolken, sonst nichts. Und meine Rechnung ging nicht auf. Bald nach 22 Uhr MESZ sah ich die Aussichtslosigkeit meiner Lage ein, und fuhr heim. Unterwegs kam ich sogar durch einen leichten Sprühregen. Also wieder nichts.

Daheim angekommen, ging mein Blick beim Aussteigen aus dem Auto routinemäßig nach oben. Aaaaah? Sterne! Tatsächlich, hier war kein Wolkenloch, sondern der Himmel klar, nur Castor und Pollux waren noch von einer kleineren Wolke verdeckt. Tief am Horizont schimmerte Procyon in rötlichem Licht. Ich schnappte sofort das Fernglas und visierte einmal hin. Nichts zu machen, irgendwie war immer eine der Straßenlaternen störend im Bild, entweder als Streulicht von vorn, oder von hinten als Spiegelung im Okular. Fix nocheinmal, dachte ich, das will ich jetzt aber genau wissen, setzte mich ins Auto und fuhr die paar hundert Meter den Hügel hinauf, bis ans Ende der Siedlung. Dort oben, hinter den letzten Straßenlampen würde man vielleicht noch was sehen. Beim Blick in den Feldstecher hatte ich aber nur Spiegelungen von den vielen Laternen hinter mir im Okular. In diesem Fall hilft nur: Brille runter, Gummiaugenmuscheln aufstellen, und Seitenlicht so gut es geht abschirmen. Also, geht ja doch. Daaaa ist also Procyon, aha, und ein bissl östlich und etwas nach oben, und --- Haha, Schurke! Hab ich dich! Ein deutlich zu erkennendes rundes Nebelfleckerl, ohne Schweif. Halt nur extrem knapp über dem Horizont, es war mittlerweile 23 Uhr MESZ geworden, aber immerhin, mein erster Blick auf diesen Kometen. Wird ja auch Zeit, dass Kometenman mithilft, wie seinerzeit bei Hale-Bopp.  :-)

Vielleicht noch schnell ein Foto? Dazu musste ich Stativ und Kamera hervorkramen. Als ich mich auf den Fahrersitz hockte, hörte ich irgendetwas klappern und ein Glas zu Boden fallen. Autsch, das war meine Brille, nun einer deutlichen Kaltverformung unterzogen, wobei es ein Glasl "geschmissen" hat... Na fein, das auch noch. Man hat ja eine Reservebrille im Auto, also her damit. Mit schnell war's also gar nichts: bis ich nun die Kamera endlich "schussbereit" hatte, war es endgültig zu spät für ein Foto, der Komet schon fast im Horizontdunst "ertrunken". 

Jetzt hatte ich erst einmal Zeit, meine deformierte Brille näher in Augenschein zu nehmen: Das Ding sah übel zugerichtet aus. Aber ich hab's geschafft, mit bloßen Händen das Ding wieder zurecht zu biegen und das Glas einzusetzen. Unglaublich, ich verließ die Stätte der Beobachtung mit meiner Originalbrille auf der Nase! Na, wenn mir Komentenman nicht dabei geholfen hätte, wäre die Brille beim Zurechtbiegen sicher gebrochen. Oder ist Kometenman eher schuld dran, dass ich mich überhaupt auf die Brille gesetzt habe? ;-) Ich weiß es nicht. Jedenfalls, was ich bislang vom aktuellen Kometen NEAT gesehen habe, ist das Ding alles andere als spektakulär. Was ist schon ein Komet ohne Schweif - da war Bradfield vor zwei Wochen mit seinem grazilen, langen Schweif dagegen die faszinierendere Erscheinung...

Also, ein Foto zur Erinnerung hätt' ich schon gerne. Nächster Versuch am Dienstag, dem 11. Mai. Am Morgen wolkenverhangener Himmel und Regen. Gegen Mittag heiterte der Himmel auf. Die sonnige Wonne war jedoch getrübt - im Nordosten Österreichs und benachbarten Regionen von Tschechien und Slowakei brauten sich gewittrige Schauer zusammen. Bis ich von der Firma heim fuhr, waren die Wolken allerdings schon in Auflösung begriffen. Ich hoffte auf meine Chance, und steuerte gleich einmal meinen gestrigen Beobachtungspunkt zwischen Großebersdorf und Münichsthal an. Und wie's der Teufel (oder auch Kometenman) will, war der Himmel weitgehend klar, nur im "Zielgebiet" hing eine mächtige Wolke - Rest eines Gewitterturms. Beim Kontrollblick mit dem 7x50 Glas entdeckte ich dennoch durch den Wolkenvorhang Procyon, und zapp, hatte ich auch schon den Kometen erspäht. No do, wie man im Weinviertel sagt, der Bursche ist recht flott unterwegs, was ich aus der Positionsänderung gegen gestern ablesen konnte. Auf ein rasches Abziehen dieser Wolke war nicht zu hoffen, daher fuhr ich weiter, und steuerte meinen nächsten "Unterwegs-Beobachtungspunkt" auf dem Höhenrücken östlich von Niederkreuzstetten an.

Die Sachlage war nicht wesentlich verändert. Dennoch gelang mir erneut eine Sichtung des Kometen, aber durch den Wolkenvorhang schon am Limit der Erkennbarkeit. An ein Foto war nicht zu denken, deshalb fuhr ich weiter, um meinen Beobachtungspunkt am Schneiderberg östlich von Mistelbach aufzusuchen. Eine Zeitlang machte es den Anschein, als könnte ich mehr Glück haben, und die Wolke würde sich auflösen. Doch es waren nur mehr oder minder kleine Wolkenlücken. Durch eine solche konnte ich den Kometen noch einmal, sogar recht gut, erkennen. Nu, geht's wirklich? Ich brachte schnell die Digitalkamera in Stellung, aber das Wolkenloch war schon wieder zu. Ein paar Minuten später noch ein Wolkenloch: Im Feldstecher sah es grad gut aus, also schaltete ich schnell die Kamera ein und drückte ab. Doch während die Belichtung noch lief, war die Sicht schon wieder dahin. Und mehr war auch nicht zu wollen, vom Horizont her kam keine Aufhellung, und die Wolke zog immer höher herauf. Also ließ ich es damit ein weiteres Mal bewenden, und fuhr heim.

Für den 12. Mai war Gewitterwarnung der Stufe 2 im gesamten Nordosten Österreichs angesagt. Doch Kometenman hatte es sich anders überlegt. Es gewitterte nicht, und gegen Abend lösten sich die Gewittertürmchen rundum auf - es bestand eine reale Chance den Kometen gut beobachten zu können. Bei der Heimfahrt von der Arbeit stoppte ich abermals auf der Höhe zwischen Großebersdorf und Münichsthal. Oh Wunder, des Südwesthimmel war wirklich fast wolkenfrei. Dem Kometen kommt natürlich schon seine hohe Stellung am Himmel zu Gute, am Horizont sind meistens Wolken. Bei meiner Ankunft war es noch sehr hell. Neben Venus und Saturn konnte ich auch Procyon schon freisichtig ausmachen. Es dauerte aber noch etwa ein Viertelstündchen, bis ich den Kometen erstmals im 7x50 Glas sah. In der fortgeschrittenen Dämmerung baute ich die Kamera auf und schoss meine erste Aufnahmenserie. Vor dem Umschalten der Speicherkarte auf das zweite Register kontrollierte ich einige Aufnahmen, und siehe da, etwas Nebeliges war drauf. Na schön, hab ich dich also eingefangen, Schurke! Zu einer zweiten Bildserie kam ich nicht mehr, weil mittlerweile eine größere Wolke die Sicht versperrte. Ok, dachte ich, fahr ich halt ein Stück weiter, und schau' bei Niederkreuzstetten noch einmal nach. 

Bis ich dort eintraf, war es schon dunkel. Wolken waren kaum mehr zu sehen. Es war aber reichlich dunstig gegen den Horizont zu, oder doch Wolken? Procyon sah ich nicht mehr. Den Kometen dafür so gut wie noch nie zuvor. Im 7x50 Fernglas konnte ich sogar erstmals einen kurzen, breiten Schweif erkennen, wenn auch indirekt, vielleicht zwei Grad lang.

Da musste natürlich gleich noch einmal die Kamera her. Die Bildergebnisse waren eher mager. Mit vollem Tele und stehender Kamera sind bei 10 Sekunden Belichtungszeit die Sterne schon leichte Stricherl, der Komet war zwar drauf zu erkennen, aber nur als schwacher "Furz". Zwar kein Suchbild, aber auch nix zum Herzeigen.

Nach einem verregneten 13. Mail hatte Kometenman am 14. endlich ein Einsehen mit uns Sternguckern, und räumte gegen Abend die Wolken weg. Ein paar Schleier hat er freilich übrig gelassen, so ganz unbedroht sollten wir uns auch wieder nicht fühlen. Ich hatte auf der Anhöhe östlich von Niederkreuzstetten Stellung bezogen. In der fortgeschrittenen Dämmerung baute ich meinen 5.7" f/6 Maksutov- Newton auf, und riskierte als erstes einen Blick auf die schon schmale Venussichel. Dann musste ich den Kometen erst einmal suchen. Wo war denn der Kerl hingedüst? Knapp unter M44 fand ich ihn wieder.

Ich war telefonisch mit Walter in Verbindung. Er war mit einigen anderen Amateuren bei der Wiener Hütte (Kaltenleutgeben) . Wir diskutierten die grünliche Farbe, die etwas asymmetrisch aussehende Koma, das Aussehen des Schweifes. Womit Walter geguckt hat, weiß ich nicht, es waren sicher mehrere Instrumente dort vorhanden. In meinem Rohr konnte ich den relativ breit auffächernden Schweif bei 40x indirekt etwa über 1.5 Grad Länge verfolgen. Im 7x50 Feldstecher erschien er etwa 2.5 bis 3 Grad lang. Der Himmel war nicht gar so schlecht, eine typische Weinviertler Nacht halt. Immerhin, nebst Praesepe konnte ich auch den Kometen eindeutig freisichtig ausnehmen. Alsdann nahm ich das Teleskop von der Montierung und schraubte den Stativschwenkkopf mit der Digitalkamera drauf. Und diesmal sind die Fotos auch gediehen, wie man nachfolgend sehen kann.

C/2001 Q4 (NEAT) am 14. 5. 2004 um 22:37 MESZ

Das Bild ist ein Komposit aus zwei Aufnahmen zu 30 Sekunden bei f/4, ISO 400. Kleinbild-Brennweitenäquivalent ist 136 mm. Der Komet steht in unmittelbarer Nähe von ζ Cnc. Oberhalb des Kometen ist M44 (Praesepe) zu sehen, links unten im Bild ist M67 schwach zu erkennen. Nachfolgend ein Detailausschnitt: 

Hier ist die etwas asymmetrische Koma zu erkennen, auch die grünliche Farbe ist deutlich. Nahe des Kometenkopfes sieht man etliche schwache Sterne. Die sah man später durch die Koma schimmern, und die Wanderung des Kometen war binnen einiger Minuten evident. Der Bursche ist ganz schön flott drauf. Vom Kometenschweif ist nicht allzu viel zu erkennen.

Ich habe natürlich auch versucht, mehrere Aufnahmen zu kombinieren. Das nachstehende Bild ist ein Komposit aus 5 Bildern zu 30 Sekunden, die im Zeitraum von 8 Minuten aufgenommen wurden. Der Kometenkopf ist dabei schon deutlich länglich verzogen, man sieht also auch hier das Tempo, das der Komet drauf hat!

Weil dabei der Schweif quer verschmiert wird, leidet die Sichtbarkeit darunter. Daher noch ein Versuch, die Bilder auf den Kometenkopf auszurichten. Dadurch sind nun natürlich die Sterne leicht länglich. Der Schweif ist auf dem nachfolgenden Bild tatsächlich etwas besser wahrnehmbar, aber was am Himmel nicht ist, kann man auch im Bild nicht herbeizaubern.

Zur "Abwechslung" brachte der 15. Mai wieder Regen und bedeckten Himmel. Am 16. jedoch verhieß der Himmel tagsüber eine gute Beobachtungschance. Gegen Abend lösten sich auch brav alle Wolken auf, nur kam in der Dämmerung von Norden eine massivere Front daher. Ich rückte auf den nächstgelegenen geeigneten Beobachtungsplatz, den Schneiderberg östlich von Mistelbach, aus. Bevor der Komet in der Dämmerung sichtbar wurde, konnte ich in meinem Teleskop (5.7" f/6 Maksutov-Newton) noch einen Blick auf die schon tiefstehende Venussichel werfen, und auch Jupiter nahm ich ins Visier. Das Bild war seeingbedingt allerdings bescheiden. Wie es langsam Zeit wurde für die Kometenbeobachtung, zogen die Wolken von Norden her näher und näher. Die Front "zerfranste" allerdings etwas, und einzelne Wolkenfetzen und Schleier verteilten sich über den Himmel. Es war also wieder ein kleiner "Krimi", aber bevor es ganz zuzog, konnte ich ein paar Fotos "ins Trockene" bringen. Sprichwörtlich sogar, weil es bei der Abfahrt vom Beobachtungsort leicht zu regnen begann. Das gehört offenbar auch zu diesem Kometen...

C/2001 Q4 (NEAT) am 16. 5. 2004 um 22:28 MESZ. 30 Sekunden, f/4, ISO 400.

Wie man sieht, ist der Komet schon ein an M44 vorbeigewandert. Um den Schweif besser sichtbar zu machen, habe ich eine Serie von sieben Aufnahmen (22.23, 22:26. 22:28, 22:29, 22:30, 22:50, 22:52 MESZ - ungleichmäßige Zeitabstände durch Wolken bedingt) - auf den Kometenkopf ausgerichtet - kombiniert. Das Ergebnis (unten) kommt am ehesten dem Schweifanblick im Feldstecher gleich.

Bleibt nur zu bemerken: Der Schweif des Kometen ist nach wie vor nicht wirklich sensationell, aber vielleicht wird's ja noch ein bisserl mehr. Es heißt also dranbleiben, solange dieser Bursche noch halbwegs hell ist. Wie's so aussieht, sind die "Jagdstunden" und auch der Kampf mit den Wolken prolongiert...

Howdii