Nicht meine Nacht, und ein blauer Fingernagel dazu

26. 8. 2003, Ebenwaldhöhe

Walter und ich hatten die Nacht vom 26. auf den 27. August in Verdacht, dass es die letzte wirklich gute Nacht in dieser Neumondperiode sein könnte. Was lag also näher, als eine kleine Exkursion auf die Ebenwaldhöhe ins Auge zu fassen. Am Vormittag verabredeten wir uns nochmals. Ich packte daraufhin meinen 8" f/6 Maksutov-Newton ein, und düste in die Firma. Von dort ging es in der Abenddämmerung auf die Ebenwaldhöhe.

Bei meiner Ankunft war Walter schon dort, und hatte seine Gerätschaft schon "schussbereit" aufgebaut. Während ich meine Montierung zusammenschraubte und mein Zeugl aufstellte, hatten wir es mit diversen "Störungen" zu tun. Von ganz hinten vom Parkplatz kamen etliche Autos hervor, die mit vollen Scheinwerfern etliche Minuten dort stehen blieben, um dann mit ziemlichem Karacho, eine Staubwolke hinten nachziehend, an uns vorbei fuhren. Dann dauerte es nicht lange, kamen auf der Strasse der Reihe nach Traktoren mit riesigen Anhängern dahergefahren, natürlich auch alle mit vollem Scheinwerferlicht. Es ist schon irgendwie komisch: Walter steht oft allein auf der Ebenwaldhöhe und es herrscht eine heilige Ruhe; kaum komm ich einmal rauf, ist der Teufel los. Genau deswegen mag ich diesen Standort nicht besonders, weil ich überwiegend mit solchen Ereignissen konfrontiert bin.

Endlich schien Ruhe einzukehren, und ich machte mich ans Beobachten. Freisichtig waren Sterne bis 6 mag relativ locker zu sehen, doch restlos überzeugen konnte mich der Himmel nicht. Er war mir ein bissl zu hell. Wirklich zu hell, oder war es meine "Bildschirmblindheit"? Für diese Nacht hatte ich kein großartiges Programm. Ich wollte einige kritische Objekte mit meinem Achtzöller nachbeobachten.

Abell 72: Planetarischer Nebel, 13.8 mag bei 130" Durchmesser. Nach meinen Beobachtungen im 18" Dob und unlängst im "vlt", wollte ich sehen, ob dieses Ding mit 8" Öffnung zu knacken wäre. Bei 80x mit [O III] Filter hatte ich erstmals den Eindruck, ein äußerst schwaches Nebelfleckerl zu erkennen. Es war jedoch nicht ganz eindeutig, ob es ein wirkliches Nebelfleckerl war, oder nur Streulicht von Sternen. Deshalb steigerte ich die Vergrößerung auf 120x, ebenfalls mit [O III] Filter. Jetzt war es noch schwieriger, das Nebelfleckerl zu erkennen, aber durch die bessere Auflösung konnte man genauer differenzieren. Es gelang mir ein paarmal, indirekt für Sekundenbruchteile das Objekt zu erwischen. Die Helligkeit erschien mir nicht gleichmäßig auf die Fläche des Nebels verteilt, ich konnte eher nur den Rand als unvollkommenen Ring erkennen. Walter konnte meine Sichtung dieses mal nicht einwandfrei nachvollziehen. Bei 80x noch vage, bei 120x nicht. Naja, es gehörte schon ziemliche Geduld und etwas Glück auch dazu.

He 2-438 - "Campbell's Hydrogen Star" - war mein nächstes Ziel. Im Jahr 2000 hatte ich die Suche nach diesem Objekt aufgegeben. Kürzlich haben wir es im "vlt" beobachtet. Also, so schwer war's da nicht, das müsste doch zu schaffen sein. Die 11.3 mag Helligkeit klingt verlockend, aber die Angabe des Durchmessers in der Literatur (8") erweckt jedoch falsche Hoffnungen. Ich hatte das Feld recht rasch identifiziert, und wohl auch das gefragte Objekt. Beim direkten Hingucken war es bei 55x einfach ein Stern, indirekt kam mir das Ding dicklich vor, mit einem kleinen, schwachen Halo. Ich wollte es nun gleich mit der Brechstange versuchen und knallte mit 600x drauf. Das Seeing war nicht gerade berühmrt, alle Sterne sahen dicklich aus, aber der eine Bursche fiel doch etwas auf. Jetzt schraubte ich den H-Beta Filter rein. Jessas, da war gleich alles dunkel. Naja, nicht alles, mein gesuchtes Objekt war noch zu sehen, sonst gar nichts. Ich hatte mir Hoffnung auf den Halo gemacht, aber mit nur einem Viertel Öffnung des "vlt"s ist man doch irgendwie ein armer Hund :-) Mit UHC Filter war's nicht viel besser. Nun ging ich mit der Vergrößerung wieder zurück auf 200x. Ich konnte durch Blinken mit dem Nebelfilter ein leichtes Ansprechen auf UHC feststellen, mit dem H-Beta hab ich nicht versucht. Dann doch noch mal mit 600x drauf, jetzt wieder ohne Filter. Bei genauer Betrachtung hatte ich indirekt den Eindruck, einen schwachen Halo zu erkennen. Diesen Eindruck bestätigte auch Walter. 

Ich war noch nicht wirklich fertig mit meinen Untersuchungen, um Campbell's Hydrogen Star sicher zu bestätigen, da kam ein Auto auf den Parkplatz gefahren. Nachdem das Licht doch recht bald abgedreht wurde, dachten wir, das sind wohl Sterngucker. Es sprangen ein paar Burschen heraus, und stapften zu uns her. Sie grüßten artig, wir auch, und auf die Frage, was ich denn eingestellt hätte im Teleskop, sagte ich rundheraus "Campbell's Hydrogen Star". Ob er denn reingucken dürfe, fragte einer. Na freilich, sagte ich, und dachte mir noch nichts dabei. Als dann kam: "Einen Stern habe ich gesehen", hegte ich erste Zweifel. Und es stellte sich auch bald heraus, das sind keine Amateure, höchstens von der Astronomie Angehauchte, die der Marsmania folgend auf die Ebenwaldhöhe gekommen waren, um den Mars besser sehen zu können . Bitte, ohne Teleskop! Man stelle sich das einmal vor! :-) Also, mit freiem Auge sehe ich in Wien vom Mars gradsoviel wie auf der Ebenwaldhöhe :-) Was hätten die gemacht wenn grad niemand mit einem Teleskop dagestanden wäre? Und die zumeist anwesenden Fotografen haben ihre Rohre auch nicht wirklich zum Durchschauen dort :-) 

Man will ja nett zu Gästen sein, also schwenkte ich das Teleskop herum, und stellte Mars bei 300x ein. Jetzt mussten wir erst einmal einen Minikurs abhalten, wie schau ich in ein Okular rein, wie stell ich scharf, und was sehe ich eigentlich :-) Zum Glück stellten sich die Burschen recht geschickt an, abgesehen davon, dass ich mein 6 mm Abbe vom Resultat des aller ersten Blicks her putzen muss ;-) Wir erkannten letztlich mehr als nur ein helles Scheibchen. Die Polkappe ist ja noch leicht sichtbar, doch konnten wir unseren Besuchern auch die dunklen Strukturen zugänglich machen. Nicht zuletzt durch Einsatz von Farbfiltern, wobei uns wieder der Hellblaufilter am meisten überzeugen konnte. Das Seeing war zu Beginn unserer Marsspechtelei noch etwas bescheiden, zur Kumulation hin gab es aber doch brauchbar gute Momente. Ich schoss mit meiner Digitalkamera fast 40 Aufnahmen, und konnte die zwei besten davon zu einem Komposit verarbeiten. Vermutlich war hier der Hellblaufilter im Einsatz, ich kann mich leider nicht mehr erinnern. Hier das Ergebnis:

Mars am 27. 8. 2003 um 1:31 MESZ, afokal bei 160x am 8" f/6 Maksutov-Newton.
Belichtungszeit: 1/10 Sekunde und 1/20 Sekunde (Olympus µ 300 Digital Kamera)

Unsere Gäste wollten dann noch dies und das sehen, den Andromedanebel, die Pleiaden, h+X Persei, etc. Bis sie wieder fuhren, war es auch für mich Zeit, einzupacken. Zu Marsaufnahmen mit der Webcam kamen wir demnach nicht mehr. Auch wenn ich geblieben wäre, hätte es nichts mehr genützt, Mars hat sich von unserem Standplatz aus gesehen hinter den Bäumen versteckt.

Beim Zusammenräumen passierte mir noch ein Missgeschick: Ich wollte die Autotür öffnen, sie rutschte mir aber aus der Hand. Ich wollt sie auffangen, damit sie nicht zuschnappt, doch die Schließfeder ließ die Tür so heftig zuschnappen, dass ich meine Finger auch nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Autsch! Das war ein so höllischer Schmerz, dass ich kurzzeitig sogar das Bewusstsein verlor. Mit einem "Red Bull" konnte ich meinen Kreislauf doch wieder in Schwung bringen, und mit Walters Hilfe baute ich ab und packte meine Sachen ein. Tja, irgendwie war diese Nacht "für die Würscht", für mich zumindest. Ein Andenken dran habe ich noch: Nicht nur auf Mars, auch auf meinem Fingernagel kann ich nun dunkle Strukturen beobachten, die sich von Tag zu Tag ändern :-)

Howdii