Partielle Sonnenfinsternis, Wolken, und die Tücken der Technik

31. 5. 2003, Niederleis

Eine Reise nach Schottland, Island oder Grönland war ja nicht gerade angesagt, um diese Finsternis ringförmig zu sehen, die in unserer Gegend partielle Verfinsterung wollten wir jedoch "mitnehmen" und möglichst im Bild festhalten. Um ordentlich mit dem Instrumentarium aufgestellt zu sein, planten wir noch in der Nacht zu beginnen. Da die Nächte Ende Mai ohnehin schon sehr kurz sind, wollten wir einfach spät am Abend des Vortages anfangen und die Nacht durchmachen. Mit einem Himmel voller Sterne über uns und einer CCD Kamera im Fokussierer des Teleskops würde uns schon nicht fad werden, dachten wir. Auch die Wetterprognose schien günstig, die allgemeine gewitterträchtige Lage hatte sich kurzfristig beruhigt. Meine eigene Prognose war die, dass sich Restbewölkung spätestens im Laufe der Nacht auflösen, und jedenfalls der Morgen klar sein sollte. Tatsächlich hatte sich die Quellbewölkung des Tages schon gegen Abend aufgelöst, die Nacht und vor allem der nächste Morgen mit der Finsternis schien uns sicher. Unsere Rechnung sollte so nicht ganz aufgehen, doch alles schön der Reihe nach.

Als ich am 30. 5. gegen 23:30 MESZ am vereinbarten Beobachtungsplatz mit freiem Osthorizont, dem selben wie beim Merkurtransit, eintraf, hatte Walter seinen 105 mm f/6.2 APO schon aufgebaut und war gerade mit dem "Scheinern" der Montierung beschäftigt. Ich stellte schnell meinen 5.7" f/6 Maksutov-Newton raus, um im Kofferraum Platz für den "CCD Arbeitsplatz" zu schaffen. Flugs wurde die Kamera vorbereitet, Walter nahm die Galaxie M100 in's Visier, und nach dem Fokussieren hätte es losgehen können. Dr. Murphy machte sich jedoch wieder einmal wichtig, zunächst waren einige Nachführprobleme auszusortieren. Wie die Sache endlich ordentlich gelaufen wäre, kamen plötzlich ein paar Wölkchen daher. He, die hatten wir nicht bestellt! Na gut, wir würden es erwarten bis die Wolken unser bevorzugtes Himmelsgebiet überquert hätten. Doch, fixnocheinmal, kamen immer mehr solche "Wölkchen" daher, und als ob sie über unseren Köpfen entstehen würden, war plötzlich der Himmel mehr bewölkt als klar. Ein einziges M100 Bild war die spärliche Ausbeute.

Nach und nach gab es wieder größere Wolkenlücken, zuwenig um mit dem CCD zu arbeiten, aber für ein paar visuelle Blicke würde es schon reichen. Ich machte mir also mit meinem kleinen Maksutov-Newton im Zenitraum zu schaffen, dort ist der Himmel ja immer noch am besten. Die Nacht brachte bei einigermaßen aufgehelltem Himmel ja nur durchschnittliche Qualität, 5 mag, dafür recht gutes Seeing.

Im Sternbild Herkules gibt es neben M13 und M92 noch einen weniger bekannten Kugelhaufen: NGC 6229. Ich kenne dieses Objekt von einer Beobachtung mit dem 18" Dob, und wollte sehen, was mit bescheidener Öffnung auszurichten wäre. Mit 9.4 mag und einem Durchmesser von 4.5' sollte es ja kein Problem sein, den Kugelhaufen aufzufinden, doch wenn die hellsten Sterne gerade mal mit 15.5 mag ausgewiesen werden, ist das für 5.7" Öffnung mehr als herb. Zu finden ist die Position relativ leicht: Man suche zuerst den Stern 52 Her, der mit τ und σ Her ein nahezu gleichseitiges Dreieck bildet. Von dort fährt man einfach eineinhalb Grad nach Nord und ein wenig nach West, und findet im Okular bei 40x eine markante Dreiecksformation von zwei 8 mag Sternen und einem "diffusen", schwächeren "Stern" am östlichen Eck. Bei 116x war ein diffuses, rundes Nebelfleckerl zu sehen, mit starker Helligkeitskonzentration zur Mitte hin. Bei 217x machten wir uns schließlich auf die Suche nach Einzelsternen. Nach längerer Dunkeladaption am Okular und "Augengymnastik" kitzelte ein oder vielleicht ein zweiter Lichtpunkt die Netzhaut. Bei optimalem Blickpunkt schien der Außenbereich des Kugelhaufens "grießlig", ein flüchtiger Eindruck, kaum reproduzierbar. Walters und meine Sichtungen lagen gleichauf, somit können wir das als "Kratzen" am Limit bezeichnen, die Beobachtung aber positiv werten.

Natürlich konnten wir nicht widerstehen, einen Blick auf M13 zu werfen. Bei 217x lieferte der kleine Maksutov-Newton ein sauber definiertes Bild ab, das so manchem Achtzöller zur Ehre gereichen würde.

Um einen Gegentest für NGC6229 zu haben, versuchte ich in der Umgebung von M57 die im Teleskop erreichbare Sterngrenzgröße zu eruieren. 14.17 mag gingen noch recht leicht, bei 14.6 mag war es schon härter, und ein 15.3 mag Stern war schon sehr schwierig, an einem 15.6 mag Stern scheiterte ich, der wollte einfach nicht "kommen". Wie dann mit den 15.5 mag Sternen bei NGC6229? Nun, die Leier stand doch noch ein Stück weit weg vom Zenit, das mag einen kleinen Einfluss haben, und an NGC6229 war es ein wenig leichter, den Blick relativ zum Objekt richtig zu platzieren, gerade im Randbereich des Haufens ist zudem die Trefferrate höher, da es mehrere Sterne gibt. Das ist also etwas leichter als einen Einzelstern rauszupicken, von dem man die Position nicht zu hundert Prozent genau kennt.

Während unserer Experimente sind die Wolken wieder abgezogen. Es dürfte sich um Reste eines weit entfernten Gewitters im Südwesten gehandelt haben, denn ab und zu erhellte sich der gesamte südwestliche Himmel in Form eines kaum lokalisierbaren Aufleuchtens. Zu fortgeschrittener Stunde machte sich auch der Tau bemerkbar, dadurch wurde die ohnehin schon bescheidene Himmelsqualität nochmals beeinträchtigt, ein Blick nach oben hinterließ einen faden Eindruck. Doch die Zeit drängte, wir hatten noch einige Vorbereitungen für die Sonnenfinsternis zu treffen.

Nachdem wir beim Merkurtransit gesehen haben, dass selbst bei 650 mm Brennweite die Sonne nicht als Ganzes auf den Chip meiner ST-7E Kamera passt, wollten wir diesmal unser Glück mit einem Fokalreduktor probieren. Ob dies überhaupt brauchbare Abbildung bringen mag, war durch einen "Schuss" in die Milchstraße zu evaluieren. Nach einiger kleiner Problemchen war dies getan, und zeigte brauchbare Resultate. Wir ließen daraufhin eine Serie von halbminütigen Aufnahmen eines NGC 7000 Ausschnittes ("Mittelamerika") runterrasseln, bis in der beginnenden Dämmerung der Himmel zu hell wurde. Jetzt waren nur mehr die Geräte auf Sonne umzurüsten, und bereits auf den Horizont zu richten, wo die Sonne aufgehen würde. Halt, ja, ich ließ mir noch Zeit, und riskierte einen Blick auf Mars. Den Maksutov-Newton gegen meinen 4" f/8 APO zu tauschen, dazu würde wohl eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang auch noch reichen. Da in der immer heller werdenden Dämmerung nichts mehr zu beobachten ist, nützten wir eine Stunde zu einem kleinen Nickerchen.

Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang waren wir wieder draußen in der nun kühlen und feuchten Morgenluft. Kaum hatte ich meinen "sonnengefilterten" APO aufgebaut, hörten wir ein Auto des Weges kommen. Holla, Besuch! Familie Gruber aus Niederleis war gekommen um ebenfalls die Sonnenfinsternis zu beobachten. Richard baute neben uns mit Unterstützung seiner Gattin sein orangefarbenes C8 und seine Fotoausrüstung auf. Plötzlich tauchte noch ein Frühaufsteher mit dem Fahrrad auf, dem aber seine frühmorgendliche Radltour offensichtlich wichtiger war als die Sonnenfinsternis, er zog nach ein paar Worten seines Weges.

Nun stand der Sonnenaufgang knapp bevor, die Spannung stieg. Ein Blick zum Nordosthorizont trieb uns allerdings Kummerfalten auf die Stirn. Die nächtlichen Störenfriede von Wolken hatten sich nicht wirklich aufgelöst, sondern bildeten nun im Nordosten eine etliche Grad hohe Wolkenschicht, knapp über dem Horizont. Und da erschien auch schon eine "Sichelspitze" der verfinsterten Sonne, glutrot. Binnen weniger Minuten war die Sonne vollends aufgegangen, ein packender Anblick, diese feuerrote, liegende Sichel. Die Fotoapparate klickten.

Mit unseren heftig gefilterten Teleskopen war noch nichts von der Sonne zu sehen, man konnte ja mit flüchtigem Blick noch direkt hingucken. Alsbald war der Spaß auch gleich wieder vorbei, die Sonne zog hinter die Wolken. So ging uns der Höhepunkt der Finsternis verloren. Erst eine knappe halbe Stunden nach Aufgang schaffte es die Sonne wieder hinter den Wolken hervorzukommen. In unseren gefilterten Teleskopen war immer noch nichts zu sehen, dementsprechend wurden wir recht hektisch, weil wir partout kein Bild aufs CCD kriegten. Dabei verschusselten wir noch den nächtens sorgsam eingestellten Fokus. Als wir endlich die Sonne "eingefangen" hatten, waren Belichtungszeit und Fokus zu finden. Dabei vergingen einige weitere wertvolle Minuten. Die letzte halbe Stunde der Finsternis konnten wir jedoch einigermaßen gut abbilden, ohne durch die Hilfsbereitschaft von Dr. Murphy weiter beeinträchtigt zu sein.

Während der technischen Probleme war es doch immer wieder möglich einen Blick auf die verfinsterte Sonne durch meinen 4" APO zu werfen. Eine faszinierende Fleckengruppe zog unsere Aufmerksamkeit gleich auf sich, und der gezackte Mondrand war deutlich zu sehen. Die noch tief stehende Sonne gab im APO, mit Baader-Folie gefiltert, anfänglich ein tieforangefarbenes Bild ab, später färbte sich das Bild in ein sattes Gelb. Das für die Baader-Folie typische bläulich weiße Bild bekamen wir nicht zu sehen, das zeigt sich nur, wenn die Sonne nicht durch die horizontnahen Dunstschichten leuchtet. Der Baader-gefilterte APO verwöhnte jedenfalls bei 53x wie schon beim Merkurtransit mit einem gestochen scharfen Bild.

Nach Ende der Finsternis juckte es Walter, der die ganze Zeit ein Video mitlaufen hatte lassen, die Kamera noch zum Okular zu halten, um die prächtigen Fleckengruppen einzufangen. Was uns noch beeindruckte, war der Blick auf die Landschaft östlich vor uns. In den Senken lag leichter Nebel, es war eine bezaubernde Tiefen-Staffelung der sanften Hügel zu sehen, so wie es die japanischen Meister gerne zu Papier brachten. Auch von der Toskana kennt man ähnliche Bilder. Tja, wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort steht, findet man solche Motive auch im Weinviertel.

Na gut, so ganz perfekt  wie gehofft ist die Aufzeichnung der Finsternis nicht verlaufen. Es war halt eine Art Generalprobe. Wann kommt die nächste Finsternis, zum Üben? Ah ja, am 3. Oktober 2005 :-)

Howdii