Eine Rarität: Wochenende, Spechtlwetter, und ich habe sogar wieder einmal Zeit für astronomische Unternehmungen. Schon die Nacht von Freitag auf Samstag wäre klar gewesen, doch war ich nach einer weiteren anstrengenden Bürowoche einfach zu müde, um noch etwas zu unternehmen. Walter zog es in dieser Nacht auf die Ebenwaldhöhe. Da der Himmel am Samstag nachmittag ebenfalls wunderschön blau und nahezu wolkenlos war, sah ich in freudiger Erwartung einer klaren Spechtlnacht entgegen. Natürlich rief am Abend Walter an, und er hatte neuerlich die Ebenwaldhöhe im Sinn. Der weite Weg lohnt jedoch nicht recht für mich, ich hätte nahezu doppelt soviel Zeit wie für Beobachtung in die Hin- und Rückfahrt investieren müssen. Da nehm ich lieber den bestmöglichen Platz im Weinviertel in Anspruch, wo das Verhältnis von gespechtelten Objekten zu gefahrenen Kilometern etwas besser ist.
Ich packte also meinen 8" f/6 Maksutov-Newton ein, und machte mich in der bereits fortgeschrittenen Dämmerung auf den Weg nach Altenmarkt. Im Nordwesten sah ich gegen den hellen Abendhimmel einen "klassischen" Gewitterturm schwarz abgezeichnet. Nun, der war wohl sehr weit weg, aber man weiß ja nie, diese Wolken reichen sehr hoch hinauf, und wenn man auch nicht direkt betroffen ist, könnte es einem den klaren Nachthimmel doch ziemlich beeinträchtigen... Diese Sorge sollte sich aber als hinfällig erweisen, der Gewitterturm hatte offensichtlich die andere Richtung eingeschlagen, und entfernte sich zusehends. Dafür sah ich im Süden immer wieder Wetterleuchten.
Gegen 22:40 MESZ war endlich alles spechtlbereit aufgebaut, bevor ich mich jedoch an Sucher und Okular stürzte, guckte ich einmal in die Runde, wie sich der Himmel präsentierte: Typisch für den Beobachtgungsplatz, würde ich sagen. Im Zenitraum gings hübsch über 5 mag hinaus, M13 war indirekt blickweise zu erhaschen, also wohl keine satten 6 mag, aber nahe dran. Die Milchstraße zog sich recht schön strukturiert von der Cassiopeia bis hinunter in den Schützen, dort verlor sich die Herrlichkeit aber im Dunst. Die Himmelsaufhellung von Wien war ziemlich arg, obwohl der Lichtdom von hier aus etwas kompakter aussieht als von Niederleis aus. Überhaupt, die Sterngrenzgröße täuscht etwas - der Himmel war doch relativ hell. Ok, mit solchen Gegebenheiten habe ich mich abgefunden, und mein Programm entsprechend aufgesetzt. Den Achtzöller kann ich ab 55x betreiben, was für die meisten Beobachtungen ausreicht. Die großflächigen Objekte, die mehr Austrittspupille und Gesichtsfeld brauchen, sind unter solchen Bedingungen uninteressant. Aber, ich hatte ja noch vom Vorjahr eine unangetastete Spechtlliste, und machte just dort weiter, wo ich im letzten Herbst aufgehört habe. Es ging also um Milchstraßenkletzlerei in der Cassiopeia.
Mein Startpunkt war γ Cas. Ein harter Test für die Beobachtungsbedingungen sind die beiden Reflexionsnebel IC 59 und IC 63. Kann mich erinnern, die beiden Nebelflecken unter Ebenwaldhimmel mit dem Achtzöller bei 55x ziemlich leicht erwischt zu haben. Diesmal war es schon härter. Erst einmal musste ich mich orientieren, wo die Nebelflecken liegen sollten. Dann war Beobachtungstechnik gefragt. Einen Verdacht hatte ich bald, aber eindeutig erwischen konnte ich beide Nebelflecken erst beim Bewegen des Teleskops - mit indirektem Blick natürlich.
Weiter mit NGC 225: Ein offener Haufen mit 7 mag Gesamthelligkeit, etwa 15 Sterne ab 9.26 mag, verteilt auf rund 12' Durchmesser. In der Tat, recht helle Sterne, die meisten etwa gleich hell, und relativ locker verstreut (55x), indirekt kommen ein paar schwächere Sterne zum Vorschein.
Do 13, ein weiterer Sternhaufen: 30 Sterne auf 12' verteilt, das sind die dürren Angaben. Meist erwartet man dann zweifelhaftes Hin- und Herspechtln, was denn wohl hier ein Haufen sein soll. Diesmal aber gar nicht, etwa 20 Sterne, ab vielleicht 11 mag, konnte man auf einen Blick gleich erfassen, indirekt noch ein paar schwächere, locker gruppiert.
K 16, offener Haufen, 10.3 mag Gesamthelligkeit, 35 Sterne ab ca. 12.5 mag auf 3' Durchmesser. An der betreffenden Position waren grad einmal vier hellere Sterne zu entdecken. Bei 120x konnte ich noch einige schwächere Sterndln rausholen, aber auf 35 kam ich beileibe nicht.
Be 4, offener Haufen, 10.6 mag gesamt, 25 Sterne ab ca 12.5 mag auf 5.5' Durchmesser verteilt. Nun, ein paar Sterne, aber eher heller als 12.5 mag, mehr war dieser Himmelsstelle nicht zu entlocken. Hei, ja, solche "Kandidaten" sollten nochmals mit größerer Öffnung bespechtelt werden, oder besser, gleich mit einer CCD Kamera draufhalten, da sieht man dann wohl, was los ist :-)
Be 62, offener Haufen, 9.3 mag gesamt, 50 Sterne ab ca. 11 mag, auf 5.5' Durchmesser. Bei 55x vielleicht 10 Sterne, bei 120x indirekt noch etliche schwächere, aber weit weniger als die angegebenen 50 sichtbar.
NGC 366, offener Haufen, 30 Sterne ab ca 10 mag, auf etwa 3' gedrängt. Nu, endlich wieder ein Haufen, der einigermaßen was hergibt. Hübsches Objekt, viele der Sterne etwa gleich hell, einige schwächere kommen indirekt. Bei 80x gefiel mir dieses Ding am besten.
St 3, offener Haufen, 8 Sterne ab 11 mag, auf 2' Durchmesser. Passt, so schauts auch aus, die 8 Sterne kann man praktisch alle abzählen (80x).
NGC 381, offener Haufen, 9.3 mag photographisch, 50 Sterne ab 10 mag, 6' Durchmesser. Bei 55x eine handvoll hellere Sterne um die 10 mag, bei 120x etliche schwächere, aber auf 50 kam ich bei Weitem nicht.
NGC 433, offener Haufen, 15 Sterne ab 9 mag, auf 2.5' Durchmesser. Da findet sich eine etwa dreieckige Figur von Sternen, die man als Haufen deuten könnte, erscheint aber größer als 2.5' Durchmesser. An der Nordspitze ein hellerer Stern, hmja, 9 mag könnte passen, und bei 120x rund um diesen Stern ein ein paar schwächere Sterne, auch innerhalb der dreieckigen Figur einige schwächere Sterne verteilt.
M103, offener Haufen mit 7.4 mag gesamt, 25 Sterne ab ca 10.5 mag, auf 6' verteilt. Bei 55x die bekannte, etwa dreieckige Form des Haufens. Bei 120x aber ein wirklich sehenswertes Ding!
Tr 1, offener Haufen, 8.1 mag gesamt, 20 Sterne ab 9.5 mag, auf 4.5' Durchmesser. Was ich an dieser Stelle erwischte, war eine auffällige, dichtgedrängte Kette von vier Sternen, etwa gleich hell, aber leicht unterschiedlich in der Farbe. Daneben noch etliche Sterne, auf 20 kam ich nicht, aber ein kurioses Ding ist das allemal.
NGC 663, offener Haufen, 7.1 mag gesamt, 80 Sterne ab ca 8.5 mag, auf 16' verteilt. Hübsches, sehenswertes Objekt! 80 Sterne konnte ich zwar nicht zählen, aber der Haufen ist doch recht sternreich.
NGC 654, offener Haufen, 6.5 mag gesamt, 60 Sterne ab knapp 7.5 mag, Durchmesser 5'. Bei 120x etwas mehr als 10 schwächere Sterne zu sehen, halbwegs dicht gedrängt. Indirekt noch weitere Sterne zu erwischen. Visuell im Achtzöller aber sicher keine 60.
NGC 659, offener Haufen, 7.9 mag gesamt, 40 Sterne ab ca 10.5 mag, Durchmesser 5'. Dem NGC 654 im visuellen Eindruck durchaus ähnlich, indirekt kommt bei 120x einiger "Glitter" zum Vorschein.
NGC 637, offener Haufen, 8.2 mag gesamt, 20 Sterne ab ca 10 mag, Durchmesser 3.5'. Kommt etwa hin, an die 20 Sterne sichtbar, auf alle Fälle bei 120x, wo die schwächeren "Kandidaten" besser oder überhaupt erst sichtbar werden.
NGC 609, offener Haufen, 11 mag gesamt, sternreich beschrieben, Sterne ab ca. 14.5 mag, 3.5' Durchmesser. Bei 120x nur ein paar sehr schwache Sterne zu finden. Mag sein, daß die weiteren Mitglieder wesentlich schwächer sind.
NGC 559, offener Haufen, 9.5 mag gesamt, 60 Sterne ab ca 10.5 mag, 4.4' Durchmesser. Recht nettes Objekt, 60 Sterne konnte ich aber nicht erkennen. Am besten gefiel der Haufen bei 80x.
Cr 463, offener Haufen, 5.7 mag gesamt, 40 Sterne ab ca 8.5 mag, 36' Durchmesser. Füllt bei 55x den zentralen Bereich des Gesichtsfelds vollständig aus, immerhin mehr als ein Vollmonddurchmesser!
Damit hatte ich buchstäblich genug, mittlerweile war ein ungemütlich heftiger Nordwind aufgekommen, der Himmel hatte nachgelassen, nur mehr knapp über 5 mag, und die Mondsichel sollte auch schon aufgegangen sein, ich konnte den Mond aber aufgrund der angehobenen Horizontlinie im Osten noch nicht sehen.
So viele wenig spektakuläre Haufen zu beobachten, ob das nicht fad ist? Nun, erstens weiß man nicht, was einen erwartet, und unverhofft kommt oft. Unter freilich vielen unscheinbaren Objekten ist aber immer wieder ein hübsches Objekt dabei, ein "Kleinod", abseits ausgetretener Pfade. Und danach muß man halt suchen.
Howdii