Tagsüber gab es nur wenige Quellwolken, so deutete sich eine wolkenfreie Nacht an, allerdings typisch, wie es für den Osten Österreichs nach mehreren Tagen Schönwetter ist, schon recht dunstig. Für die nächtlichen Beobachtung war also "Flucht nach oben" angesagt, um dem Dunst wenigstens einigermaßen zu entkommen - die Ebenwaldhöhe war Walters und mein Ziel. Und nicht nur unseres, speziell am Vorabend des Mariä Himmelfahrt Tages kamen zahlreiche Sternfreunde, darunter viele Bekannte.
Den Beobachtungsplatz erreichte ich bereits in der frühen Dämmerung. Es "begrüßte" mich ein unangenehm kräftiger Südostwind, der aber zum Glück während der Nacht ziemlich abflaute. Es war mäßig warm und trocken. Der Nachthimmel präsentierte sich durch den Dunst doch einigermaßen aufgehellt, selbst der auf Ebenwald so dunkle Südhimmel war ungewöhnlich hell. Es reichte aber allemal für eine freisichtige Grenzgröße von gut 6 mag - sogar M13 konnte ich freisichtig erspähen. Das Seeing war weniger toll, sogar Mars, mit freiem Auge betrachtet, zuckte hin und wieder heftig... Es ist halt so, auch wenn der Himmel prinzipiell zu wünschen ließ, ist die Ebenwaldhöhe doch der Platz mit dem besten Himmel, den man relativ leicht erreichen kann. Und dann muß man halt auch mit den bekannten Unannehmlichkeiten, wie auf der Straße mit voller Beleuchtung daherkommenden Autos, "leben".
Ich war den Beobachtungsbedingungen gemäß mit meinem Programm relativ gut eingestellt: Der kleine 5.7" f/6 Maksutov-Newton sollte vorwiegend als RFT eingesetzt werden, um die Milchstraße "entlangzusurfen", um all die schönen und bekannten Gasnebel zu sehen, Erinnerungen wachzurufen und neue Eindrücke zu gewinnen.
"Willkommen an Bord von Galaxy Tours, bitte anschnallen, wir starten in Kürze!"
Doch halt, auf einmal ein Raunen in der Menge, die ISS kam gerade strahlend hell aus dem Westen über den Bäumen daher. Ich löste flugs die Klemmen an der Montierung, visierte die Raumstation an, und konnte sie tatsächlich durch händisches Mitziehen recht gut im Gesichtsfeld halten. Walter wollte sich diesen Anblick auch nicht entgehen lassen. Bei 32x war ein "verhatschtes T" zu erkennen, und irgendwas hing noch dran, war es das zur Zeit gerade angedockte Shuttle?
So, nun waren wir aber wirklich startklar für unsere Reise, und los ging es mit M8, dem Lagunen-Nebel. Beste Anblicke ergaben sich bei 58x mit UHC-Filter. Der Zentrale Teil mit dem Dunkelband war erkennbar, auch die "Hourglass"-Region blieb nicht unentdeckt. Die hellsten Nebelgebiete gaben dem Gebilde einen eher rundes Aussehen, allerdings waren bei genauerer Inspektion auch schwächere Nebelteile am östlichen und westlichen "Ende" zu entdecken, mit denen wiederum die eher längliche Form rauskam, die wir von tieferen Fotos her kennen, und wie sich M8 ja auch im Sucher zeigt, als länglicher Nebelfleck. Die allerschwächsten Ausläufer, wie sie z.B. Walter mit seinem 4.1" f/6.2 APO kürzlich fotografisch festgehalten hat, blieben unseren Blicken jedoch verborgen.
Ein kleiner Ruck nach Norden, und wir waren bei M20, dem Trifidnebel. Wiederum bei 58x mit UHC-Filter die besten Eindrücke. Indirekt waren die drei dunklen "Rüssel" recht gut zu erkennen, und der Reflexionsnebel kämpfte sich noch schwach durch den Nebelfilter. Bei 32x ohne Filter war der Reflexionsnebel recht deutlich zu sehen, jedoch ein Farbeffekt (Unterschied zwischen Emissionsteil und Reflexionsteil) wollte sich nicht ergeben.
Im "Flug" zu M24 sahen wir kurz den Haufen M21 vorbeiflitzen, und schon tauchte M24 im Blickfeld auf. Diese riesige Sternwolke durchmustert man am besten mit einem Weitwinkel Okular, ich wählte dazu 32x. Eine Wucht, in dem Gewimmel findet man interessante Grüppchen von Sternen, "Ketten" und "Straßen", und irgendwo hat wer ein Stück rausradiert - man ist regelrecht verblüfft, wenn man auf die Dunkelnebel Barnard 92 und Barnard 93 stößt. Auch der offene Haufen NGC 6603 blieb nicht unentdeckt, bei 32x ein recht auffälliger "Nebelfleck". Bei 58x verschwand der "Nebelfleck" fast, ging im allgemeinen Gewimmel fast unter, wirkte dafür aber, als ich ihn wieder "gefunden" hatte, etwas granuliert. Südlich von M24 gibt es auch einiges zum "Herumkletzln": Die Reflexionsnebel NGC 6589 und NGC 6590 waren als "nebelige" Sterne zu entdecken, einer davon sogar recht deutlich, fragt mich aber jetzt nicht schnell, welcher von beiden das war... Und schließlich entpuppte sich das Gebiet von IC 1283/84 (32x ohne Filter) bei genauerer Betrachtung als relativ großer Nebelfleck. Das Gebiet ist allerdings reich an schwachen Sternen, und es ist nicht so klar, ob diese dem Auge "Nebel" vortäuschen, oder ob man tatsächlichen Nebel sieht. Jedenfalls die Lage des Objekts würde laut Sternkarte exakt passen. Der Nebel zeigte sich jedenfalls sehr schwach und war eher durch einen Unterschied in der "Hintergrundhelligkeit" zu entdecken als sonst was. Die Gegend um M24 ist so "reich", dass man allein hier sich stundenlang vergnügen könnte, aber wir hatten noch einiges vor...
Wir näherten uns einem weiteren Höhepunkt, M17, dem "Schwan", "Omega" oder "Hufeisen"-Nebel. Wiederum erwies sich 58x mit UHC Filter als gute Kombination, um die schwächeren Nebelteile, die das "Hufeisen" bilden, sichtbar zu machen. Die Strukturen im "Schwan" selbst kamen bei höherer Vergröerung, bis zu 116x, ohne Filter, am Schönsten heraus.
Nächste Station bei M16, dem Adler oder "Starqueen" Nebel. Bei 58x mit UHC ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen, aber das arme Viecherl hat keinen Kopf :-) Von Norden ragt ein auffällig dreieckiger Dunkelnebel herein. Die "Starqueen" selbst ist wohl mit so kleiner öffnung nicht wirklich rauszukitzeln, jedoch in der Mitte des Nebels konnte ich indirekt eine dunkle "Kraxn" (undefiniert) erhaschen.
M27, und "zwei Sternhaufen westlich davon", landet man beim Haufen NGC6823 und dem umgebenden Nebel NGC6820. Es handelt sich um einen recht großen, aber sehr schwachen Nebelfleck. Ich versuchte bei 32x mit UHC, aber nichts davon, absolut kein Nebel zu entdecken. Nunja, an dem habe ich schon einmal mit dem kleinen 5.7" MN nichts ausrichten können...
Bei Sh2-101 war wohl auch zu viel gewollt. Ich hab diesen Nebel vom 18" wohl heller in Erinnerung als er tatsächlich ist. Demgemäß war auch nichts bis gar nichts davon zu bemerken. Hatte ich bei 32x mit UHC noch den Eindruck, da könnte ein asymmetrisches Nebelfleckerl von einem Stern weghängen, war bei etwas höherer Vergröerung rein gar nichts zu sehen - ich werte dies also als negativ.
Nach diesen erfolglosen Versuchen wieder ein "Schaustück" - der Cirrus-Nebelkomplex. Als "Test" versuchte ich bei 40x ohne Filter, und konnte wohl den "Feuervogel" und den großen Bogen östlich davon ausnehmen. Dann mit UHC, als wenn jemand das Licht angeknipst hätte... Bei 32x ergab sich ein schönes Übersichtsbild mit dem "Feuervogel" im Westen, dem Bogen im Osten und dem dreieckigen Nebelfetzen in der Mitte. Bei 40x bester Gesamteindruck, und bei 58x die beste Detailerkennung. Oh, sicher habe ich den Cirrusnebel schon oft beobachtet, doch jedesmal wieder entdeckt man etwas, was vorher vielleicht noch nicht, oder nicht so deutlich aufgefallen war...
Der Gamma-Cygni Nebelkomplex (IC 1318) war unser nächster Halt. Hier wurde die Gegend mit 32x und UHC-Filter "abgesurft". Mir kamen die Nebelmassen etwas matt vor. Und dieser Eindruck wurde bestätigt, als wir bei NGC 6888, dem "Crescent" Nebel, anlangten: Den haben wir definitiv schon besser gesehen, mit dem kleinen 5.7" MN. Immerhin, die uns bekannten Nebelfetzen von IC 1318 waren alle zu finden, nur mangelte etwas an "Struktur", die wir schon von früheren Beobachtungen her kennen. Ein Indiz, dass diese Nacht nicht wirklich "top" war.
IC 5146, der Cocoon-Nebel war das nächste Ziel. Bei 32x bietet dieses Himmelsareal im 5.7" MN herrliche Anblicke. Ein riesiger, langer Dunkelnebel, in den man eine "Sternstraße" hineinzubauen versucht hat, aber dann ist ihnen offensichtlich doch das Geld ausgegangen :-) Man kommt bei M39 vorbei, einem lockerem Haufen aus hellen Sternen, und schließlich findet man am Ende des dunklen Nebelschlauches ein "Wattebällchen" mit ein paar Sternen drübergesprenkelt, das ist der Cocoon-Nebel. Indirekt schwach, ohne Filter. Und wenn man diese Gegend abseits der Dunkelnebel "scannt", achte man auf den Himmelshintergrund: als wenn jemand feinsten Gries verstreut hätte, so macht sich die Fülle an schwachen Hintergrundsternen bemerkbar, ein wahrhaft beeindruckendes Erlebnis. Auch Walter war schwer begeistert.
Um IC 1396, den großen Nebelfleck im Cepheus ins Visier zu nehmen, mussten wir etwas warten, der Tubus des Teleskops stand gerade unglücklich an einem Stativhaxn an. Deshalb weiter zu NGC 281, dem "Pacman"-Nebel. Bei 32x mit UHC nicht zu übersehen, der schwächere Teil allerdings erst bei genauerem Hinsehen, indirekt.
Am doch sehr stark aufgehellten Nordosthimmel versuchten wir uns an NGC 1499, dem "California" Nebel. Bei 32x mit H-Beta Filter mussten wir allerdings erfolglos aufgeben, der Hintergrund war einfach zu hell.
Und nun nocheinmal zu IC 1396, der sich südlich des "Garnet-Star" μ Cephei erstreckt. Bei 32x mit UHC-Filter konnten wir die nördlichen Nebelteile, die ja auch die hellsten sind, doch einigermaen deutlich ausmachen, speziell wenn man in Ost-West Richtung über den Nebel "druberfährt", entdeckt man im Osten eine recht deutliche Nebelkante. Das Südende des Nebels verläuft diffus im Sternengewimmel. Nachdem dieser Nebel generell schwierig zu Spechteln ist, nahm sich auch Walter einige Minuten Zeit, um meine Angaben nachzuprüfen, kam letztlich aber zum gleichen Ergebnis.
So, damit war unsere "galaktische Reise" auch schon wieder beendet. Während ich meine Sachen einpackte, sahen wir eine hellen Vertreter der Kappa-Cygniden Richtung Perseus fliegen. Meingott, sind die langsam! Da möcht' man ja fast anschieben :-)
Beim Heimfahren bot sich in der beginnenden Morgendämmerung noch eine reizvolle Parade am Osthimmel: Saturn, die breite Sichel des abnehmenden Mondes, Jupiter und Venus, wie Perlen an einer Kette entlang der Ekliptik aufgefädelt. Dazu Aldebaran, die Pleiaden, und tief im Südosten der aufgehende Orion.
Howdii