Am spaten Nachmittag des 11. August stellte ich fest, dass die Wolkenfront der letzten Tage abgezogen war, und verschwendete erstmals einen Gedanken an ein paar Stunden unter klarem Nachthimmel. Bald darauf läutete das Telefon. Walter war dran, und wir verabredeten uns für 22 MESZ an unserem neuen Platzchen bei Altenmarkt im Weinviertel, ein bissl durchs Fernrohr spechteln bis der Mond kommt, und ein paar Perseiden schau'n.
Es war eine kühle Nacht, bis gegen 10° C sank die Temperatur, und aufgrund der zu erwartenden Feuchtigkeit wählten wir diesmal den höher gelegenen Platz auf 320 m. Die Situation kam mir ansonsten recht bekannt vor von meiner ersten Nacht am unteren Platz dieser "Site" - vom Norden her Disco-Larm, und im Westen ein Skybeamer, der seinen Lichtfacher über den Himmel geistern lasst, und so wesentlich zur Lichtverschmutzung beiträgt.
Der Himmel präsentierte sich recht schön, etwas weniger Dunst als bei meinem letzten Besuch hier. Im kleinen Wagen waren Sterne 5. Grösse leicht zu sehen, ich habe nicht direkt drauf geachtet, aber im Zenit müsste es knapp an 6 mag herangegangen sein. Jedenfalls die Milchstraße war überkopf schön strukturiert zu sehen, und selbst im Südwesten noch bis recht tief hinunter in den Schützen. Durch den geringeren Dunst wirkte diesmal die Himmelsaufhellung rundum weniger dramatisch als letztens. Also wohl eine der besseren Nachte hier. Was dieser Platz vielleicht noch alles kann, werden wir noch sehen.
Das Stündlein bis Mondaufgang nützten wir für harte teleskopische Beobachtung. Ich hatten meinen 8" f/6 Maksutov-Newton mit, Walter seinen 4.1" f/6.2 APO.
Ich startete gleich mit einer ordentlichen "Nuss", dem Planetarischen Nebel PK47+42.1 (Abell 39). Mit 170" Durchmesser und 13 mag erwartet man sich ja schon ein schwieriges Objekt, mal sehen. Ich suchte einmal die Stelle des Objekts auf, und prüfte ohne Filter, ob irgendetwas zu sehen wäre - nichts. Nun griff ich zum UHC Filter bei 55x. Nach langem Hin- und Herspechtln hatte ich den Verdacht, da könnte etwas sein. Blickweise schnappte ich, sehr vage, einen verdammt schwachen Schimmer auf. Nachdem das Objekt fast 3' gross ist, könnte vielleicht weniger Vergrösserung helfen. Bei 45x mit UHC wurde der Eindruck schon etwas besser, aber immer noch sehr unsicher. Nächster Versuch mit 45x und [O III] Filter. Dies erwies sich als die beste Vergrösserung. Bei 55x mit [O III] war es für mich definitiv etwas schwieriger, aber auch noch zu schaffen. Immerhin konnten wir das Objekt dingfest machen. Bei 45x mit [O III] Filter war ein bleicher runder Fleck zu erkennen. Er "kam" und "ging" aus der Sicht, aber in meinem allerbesten Augenblick vermutete ich einen helleren Rand, zumindest am Südwestrand, den ich gerade indirekt "optimalst" getroffen hatte. Das Bild von Abell 39 auf der Planetary Nebulae Homepage von Doug Snyder*) zeigt einen großen runden Nebel mit schmalem, helleren Rand. Die Gegend war ohne Filter bei etwas höherer Vergrößerung mit etlichen sehr schwachen Sternen durchsetzt, aufgrund der aber so nicht feststellbaren Position war natuerlich nicht einmal ein Versuch auf den Zentralstern drin, der mit 15.6 mag ohnehin etwas jenseits meiner Möglickeiten mit dem 8" liegt. Abell 39 war jedenfalls eine Beobachtung ziemlich am Limit, und dementsprechend habe ich in solchen Situationen gerne Walter zur "Kontrolle" dabei. Nachdem er ebenfalls wiederholt den Nebel sehen und sogar ein wenig indirekt halten konnte, ist die Beobachtung als "gültig" zu rechnen.
Den Kometen LINEAR A2 hat Walter inzwischen in seinem 4.1" APO mittels Koordinaten eingestellt, und auch im 8" Maksutov-Newton wurde er nach einiger Suche gefunden. Die Helligkeit des Kometen hat inzwischen schon ziemlich nachgelassen, aber ein kurzer ca. 1/4 Grad langer Schweif war immer noch zu erkennen.
Mittlerweile war der abnehmende Halbmond aufgegangen, wurde aber noch von einem Hügel im Osten verdeckt. Ich stürzte mich schnell noch auf mein nachstes Opfer: NGC 6717 (Pal 9). Mit 9.3 mag bei einem Durchmesser von 3.9' erwartet man ja kein allzu schwieriges Objekt. Die hellsten Sterne liegen mit 16 mag aber ausserhalb der Reichweite eines Achtzöllers. Ein paar Grad nordöstlich von M22 trifft man auf eine Gruppe von helleren Sternen. Knapp südlich eines gelblich leuchtenden 5 mag Sternes (ν2 Sgr) war bei 55x schon ein nebeliger "Stern" zu erkennen, wirklich nicht schwierig. Bei 120x wurde die Sicht noch etwas durch den Streulichthof des hellen Sternes beeintrachtigt, bei 300x dann klar und deutlich zu sehen - aber was? ahem, verdächtig "klumpiges" Aussehen. Hm? Da sind einige Vordergrundsterne offenbar noch im Spiel... Der größere Klumpen könnte aber tatsachlich das Zentralgebiet des Kugelhaufens sein. Hmhm, hier wird man als Beobachter ganz schön "gelinkt". Vielleicht so: NGC 6717 ist der helle, leicht sichtbare "Knödel", Pal 9 das schwache Hintergrundglimmen, das man gerade bei höherer Vergrösserung noch, von einzelnen Vordergrundsternen überlagert, halbwegs wahrnehmen kann. Das ist mir jedenfalls ein interessanter Kunde, der mit dem 18" auch noch besucht werden sollte, vielleicht gibt es dann eine eindeutigere Klärung.
NGC 6717 (Pal 9) - POSS Bild
Der Mond war mittlerweile auch über "unseren" Horizont geklettert, und beeintrachtigte die Himmelsqualität deutlich. Doch immerhin konnten wir noch Sterne 5. Größe sehen, und die Milchstraße war auch noch matt bis leicht strukturiert wahrnehmbar - so, wie ich es daheim in Mistelbach ohne Mond meist habe.
Zwischendurch guckten wir vergleichsweise den Planetarische Nebel NGC 7662 (Blue Snowball, Andromeda) im 4" und 8" an. Das Seeing war wirklich nicht berauschend, bei höherer Vergrößerung war es ziemlich schwierig, das kleine, dunklere Zentrum des Nebels zu erkennen, eher nur blickweise. Wir brauchten dafür mindestens gegen 200x im 4", auch der 8" kam bei 120x nicht gut damit zu recht, erst bei 300x war der Eindruck sicherer, nicht so sehr vage. Seeing hin und her, an meinem 8" MN musste ich diesmal auch ohne Lüfter leben, weil der keinen Muckser von sich geben wollte, und ohne Lüfter ist das Rohr thermisch fast nicht zu "bändigen".
Im 8" wollten wir auch einen Vergleich von M15 und M2 sehen. Beide Kugelhaufen bei 300x schön aufgelöst, vom Durchmesser her ahnlich, aber M15 wirkt deutlich stärker zur Mitte hin konzentriert. Die etwas dicklichen Sternchen gehen auf Seeing/Tubusseeing zurück.
Als "Indikator" für die Himmelsqualität machten wir im 8" bei 120x noch einen Blick auf M27. Freilich brauchte man diese Vergrößerung um den mondhellen Himmel halbwegs dunkel zu bekommen. Doch immerhin war ohne Filter sogar das hellere der beiden Ohren indirekt zu sehen, und etliche Sterne, darunter der Zentralstern, blitzten im Nebel auf.
Gegen 2 Uhr früh machte sich die erwartete Feuchtigkeit bemerkbar, die Autoscheiben begannen leicht zu beschlagen. Und nachdem die Perseiden keine großartige Show abziehen wollten, packten wir unsere Gerätschaft ein und begaben uns auf die Heimreise.
Zu den Perseiden noch ein Wort: Wir stellten keine besonders hohe Aktivität fest, wurden aber mit etlichen helleren "Sternspritzern" verwöhnt, die meisten etwa in Jupiterhelligkeit, oft mit Nachleuchten. Sicher hat der vom Mond aufgehellte Himmel die schwächeren Sternschnuppen "verschluckt", aber meinen späteren Recherchen zufolge ware das Maximum auch erst zwischen 8 und 10 Uhr UT gewesen. Wir waren also noch hübsch vor der Zeit dran... und damit soll's, von mir aus, ok sein mit der gebotenen Show :-)
Howdii
*) Anmerkung 2018: Die Planetary Nebulae Homepage von Doug Snyder existiert leider nicht mehr.
Anmerkung 2: Auflösung (?) des Rätsels um NGC 6717 bzw. Palomar 9 bringt ein Bild, mit dem HST gewonnen:
HST
Bild von NGC 6717 (Pal 9)
Quelle: http://hla.stsci.edu/hlaview.html
Die beiden Sterne nordöstlich, der abgesetzte "Klumpen" im POSS Bild, hat die Bezeichnung IC 4802. Es sind offensichtlich ein paar Vordergrundsterne dem Kugelhaufen Pal 9 überlagert. Die hellsten, die die den Klumpen direkt südlich des topasfarbenen Sterns ν2 SGR bilden, sind wohl Vordergrundsterne, die sich mit Haufensternen visuell wie im POSS Bild "vereinen". Die Sterne des Palomar 9 Haufens weisen eine deutlich niedrigere Helligkeit auf (im HST Bild aufgelöst), erzeugen den nebeligen Hintergrund den visuelle Beobachter sehen. Ganz so falsch habe ich meine Beobachtung wohl nicht gedeutet. Was frühere Beobachter hier gesehen haben, können wir z.B. im NGC 2000.0 nachlesen. NGC 5717 wird zwar als Gb geführt, wohl, es ist eine Ausgabe aus dem Jahre 1988, die ich in der Hand habe. Lesen wir die Original Notation dazu: F,S,rr,Cl+neb. Übersetzt heißt das: Faint, small in angular size, partly resolved, Cluster with Nebula. William Herschel hat dieses Objekt entdeckt, und wohl als Offenen Haufen mit Nebel empfunden. Ok, ok, der Nebel wurde gesehen, der Nebel ist, wie wir heute wissen, Pal 9. Alles was auflösbar ist, zumindest für modeste Amateurteleskope, sind m. E. Vordergrundsterne.