Komet C/2001 A2 (LINEAR) und Deep Sky Stochern

14. 7. 2001, Mistelbach

Typisch für mehrere Tage andauerndes Schönwetter zeigte der Himmel tagsüber nur ein blasses Hellbau, das gegen den Horizont zu weißlich wird. Dies ließ für die Nacht einen unangenehm aufgehellten Himmel erwarten. So war es denn auch. Zumindest eine Routinebeobachtung des Kometen C/2001 A2 (LINEAR) wollte ich durchführen, es ist aber dann doch etwas mehr geworden.

Um 22:30 Uhr, noch in der zu Ende gehenden Dämmerung, baute ich meinen 4" f/8 APO auf. Hätte ich nicht unter den zu erwartenden Bedingungen zu einer dickeren Röhre greifen können? Ja, sicher, aber ich zog die Bequemlichkeit, bei der Beobachtung sitzen zu können, einer grösseren öffnung vor. So ein feiner Binkel, der Howdii, jetzt will er nicht einmal mehr beim Beobachten stehen :-) Naja, die Gartenarbeit an diesem heißen Tag hatte das ihre getan, um mich etwas "mürbe" zu machen. Die Nacht war recht warm, zu Beginn 26° C, und binnen zweier Stunden fiel das Thermometer nur um ein Grad. Der Südwind rührte kräftig in den Baumwipflen um. Die meiste Zeit war ich auf meinem windgeschützten Terrassenplatz in Ruhe, doch manchmal fuhr ein Windstoss daher und half mir ein bisserl beim Umblättern der Sternkarte. Obwohl ich kurzärmelig draußen saß, interessierte sich nur eine einzige Gelse für mich, und die war offenbar auch schon satt.

Gleich zu Beginn suchte ich den Kometen LINEAR A2 auf. Bei 80x war der Schweifansatz Richtung WSW nur sehr schwach zu erkennen. Die Koma wirkte aufgrund des noch von der Dämmerung etwas aufgehellten Himmels ziemlich klein. Einen "Kern" konnte ich diesmal nicht ausmachen, das Zentrum wirkte heller, aber sehr diffus (160x). Zu Ende der Beobachtung um 1:15 MESZ nahm ich den Kometen noch einmal in's Visier: Anblick kaum besser, und nichts anderes zu sehen. Allein die Positionsänderung war deutlich.

Der aufgehellte Himmel ließ zwar noch eine Grenzgrösse von ca. 5 mag im Zenitraum zu, jedoch die Milchstrasse war nur direkt überkopf äußerst schwach strukturiert, die Schildwolke hingegen mehr zu erahnen als zu sehen. Eigentlich sollte man unter einem solchen Himmel mit einem 4-Zöller naserümpfend zusammenpacken, mich trieb es aber gerade wieder deswegen, ein wenig die Grenzen unter solchen Bedingungen auszureizen.

Mein erster Kandidat war der Kugelhaufen NGC 6934 im Delphin. Dieses Objekt steht etwa 4 Grad südlich von ε Del, direkt neben einem 9 mag Stern. Der Haufen hat eine Helligkeit von 8.7 mag und einen Durchmesser von 5.9'. Ohne Zuhilfenahme einer Sternkarte war der Kugelhaufen beim Fieldsweeping von ε Del ("Schwanz" des Delphins) aus leicht zu finden (80x). Bei höherer Vergrößerung wurde mehr und mehr der Helligkeitsanstieg zum Zentrum hin und das helle Zentrum selbst deutlich. Ich verwendete dazu Vergrößerungen von 106x, 160x und 200x. Mit 14.0 mag sind die hellsten Einzelsterne am extremen Limit eines 4", unter diesen Bedingungen wollte sich absolut keiner verraten. überhaupt, 14 mag habe ich mit dem 4" APO bislang noch nie geschafft, wie sollt es denn hier auf einmal sein :-)

NGC 7006 steht etwa 3.5 Grad östlich von γ Del. Gamma ist übrigens ein netter Doppelstern mit gelblichen Komponenten in etwa 10" Distanz. Der Kugelhaufen NGC 7006 ist einer der sehr weit entfernten Kandidaten. Er muß in Wahrheit ein Prachtexemplar sein, denn für uns ist er immer noch 10.5 mag hell und erscheint mit einem Durchmesser von 2.8'. Wieder versuchte ich ohne Karte bei 80x, per Fieldsweeping das Objekt zu finden, und fuhr glatt einmal drüber ohne ihn zu sehen. Oops, das ist schon zu weit. Zurück zu Gamma ("Nase" des Delphins) und nochmals, jetzt vorsichtig und langsamer. Und da entdeckte ich ein sehr schwaches Nebelfleckerl. Bei 80x noch etwas vage, besser definiert bei 106x. Bei 160x dann "todsicher", und indirekt zu halten. Dieses Objekt erschien im 4" strukturlos. Die hellsten Einzelsterne sind 15.6 mag hell, also weit jenseits dessen, um annähernd ein paar Sterne auflösen zu können.

Nach so einem schwachen Fuzl braucht das Auge wieder etwas "Tröstendes". Das sollte M27 sein. Mmm! Trotz des hellen Himmels bei 80x ein recht feiner Anblick - ohne Nebelfilter. Von den "Ohren" zwar nichts zu sehen, aber die Hantelform kam schön heraus, mit flockiger Nebelstruktur. Ich steigerte die Vergrösserung auf 106x und 160x. Dabei blitzen mir einige Sterne im Nebel entgegen, die ich von größeren Geräten her kenne. Oho, geht der Zentralstern? Bei 200x erschien das Zentrum des Nebels dunkel, und auf dieses Fleckerl konzentrierte ich meinen indirekten Blick. Und siehe da, ingesamt dreimal konnte ich für je eine Sekunde den 13.8 mag Zentralstern halten! Eigentlich keine große Sensation, denn mit dieser teleskopischen Grenzgrösse, mein bisher bestes Resultat mit dem 4", bin ich bezogen auf die Öffnung genauso ausgereizt wie mit meinen grösseren Röhren.

Weiter ging es mit M11. Fesch, auch im 4", und, was sollte ich sonst noch sagen, ein gutes Trainingsobjekt für das indirekte Sehen...

Da kam mir in den Sinn, da gibt es doch in der Nähe einen Kugelhaufen. Dessen Position konnte ich aber nicht so einfach aus dem ärmel schütteln, und zischte daher schnell in's Haus, die Sternkarte zu holen. Damit war der Kugelhaufen NGC 6712 rasch eingestellt. Mit 8.2 mag bei 7.2' Durchmesser ist er etwas schwächer als z.B. der oben beschriebene NGC 6934. Doch mit 13.3 mag liegen die hellsten Sterne sehr wohl im Bereich des Machbaren, und mit 160x, 200x (bester Anblick bei 160x) wirkte der Haufen speziell im Randbereich deutlich granuliert. So wirklich ins Auge springen wollte kein Einzelstern, aber eigentlich hatte mich schon wieder ein anderes Objekt "gebissen"...

Auf der Sternkarte ist knapp OSO von NGC 6712 ein Planetarischer Nebel IC 1295 verzeichnet. Ohne Datenblatt wusste ich nicht, auf was ich mich da einlassen würde, und versuchte einmal mein Glück. Bei 80x ohne Filter an der Position, wo ich ihn vermutete, nichts, nicht einmal nichts. Ich griff zum UHC Filter. Damit war der Kugehaufen NGC 6712 noch schwach zu sehen, und beim dritten Hinsehen vermutete ich ein äusserst schwaches Nebelflecken an der Position des PN. Hm, sehr, sehr vage. Beim Versuch die Vergrösserung auf 106x zu steigern, "verschusterte" ich erst einmal das Objekt und musste auf 80x zurück. Jetzt wollte ich den [O III] Filter probieren. Oh, bessere Reaktion, jetzt war die Sache schon etwas konkreter. Diesmal klappte es auch mit 106x. Das Feld war nun wirklich "zappenduster", und ich musste peinlich genau das Umgebungsstreulicht abschirmen, weil sonst der Filter zurück gespiegelt hätte. Und nach einiger Dunkeladaption an das extrem dunkle Feld konnte ich den Planetarischen Nebel als grossen, runden Fleck ausmachen. Zwar schwach, aber definitiv, blinkte er immer wieder auf. Nun die Daten: Durchmesser ca 86", passt, etwa diese Grösse hatte er. Die Helligkeit wird mit 15 mag fotografisch angegeben. Nabumm. Kurioserweise findet man bei Burnham diese Objekt als IC 1298, mit einer Helligkeit von 14 mag beschrieben. Nochmal nabumm. Glaub ich auch nicht so recht. Der Nebel spricht jedenfalls "freundlich" auf Nebelfilter an, und dies bringt ihn in Reichweite selbst kleiner Instrumente, von der eher abschreckend wirkenden Katalogangabe darf man sich nicht beeindrucken lassen - die blauempfindlichen Fotoplatten wussten wohl nichts von den kräfigen [O III] Emissionslinen. Wie auch immer, das war das "stärkste" Objekt dieses Abends.

Auf der Planetary Nebulae Observer's Homepage von Doug Snyder*) findet man eine Tabelle mit Daten aus dem SEC ("Strasbourg-ESO Catalogue of Galactic Planetary Nebulä"). Hier wird IC 1295 mit einer Helligkeit von 12.5 mag ausgewiesen. Burnham's Angabe mit IC 1298 stimmt zwar von der Position her, und ist gleichlautend mit vielen anderen Berichten, wo IC 1295 fälschlich als IC 1298 bezeichnet wird. IC1295 ist übrigens für mich doch kein "neues" Objekt, eine Internet Suchmaschine hat mich freundlicherweise auf meinen eigenen Bericht von der Emberger Alm 1998 hingewiesen, wo Walter und ich dieses Objekt mit dem 18" Dob beobachteten..

Auf der Suche nach der Angabe im Burnham: Im NGC 2000.0 Katalog wird IC 1298 als Offener Haufen im Adler geführt. Im DSS scheint das Objekt IC 1298 nicht auf. An der betreffenden Stelle des POSS ist eine unscheinbare Sterngruppe zu finden, die möglicherweise kein Haufen ist. Die Angabe mit 14 mag könnte wiederum auf NGC 1298 hindeuten, eine 14 mag Galaxie im Sternbild Eridanus.

Zum Abschluss gönnte ich mir wieder leichtere Kost: Einen Vergleich zwischen M2 und M15. Beide Kugelhaufen leicht im Sucher sichtbar. Bei M2 sind die hellsten Sterne 13.1 mag hell, der Haufen wirkte deutlich granuliert bei 200x, und in den Außenbereichen blinkte da und dort ein Einzelstern auf. M15 wirkte speziell in den Außenbereichen mehr als deutlich granuliert, das helle Zentrum aber sehr kompakt. Mit 12.6 mag sind die hellsten Einzulsterne für einen 4" eher leichte Beute, und tatsächlich konnten etliche Sterne rausgepickt werden. In den Außenbereichen war dieser Haufen teilweise aufzulösen.

Mit einem abschliessendem Blick auf den Kometen LINEAR A2 beendete ich die Beobachtung um etwa 1:15 Uhr. Beim Abbau des Fernrohres sah ich tief am Osthimmel die abnehmende Mondsichel orangerot leuchten - ein reizvoller Anblick. Mit diesem "milden" Licht wäre er mir übrigens viel lieber :-)

Am Abend des 15. 7. 2001, bei ähnlich hellem Himmel, wollte ich kein Teleskop mehr aufbauen. Um 23:30 MESZ stapfte ich mit dem 7x50 Feldstecher bewaffnet in den Garten, um dem Kometen ein bissl nachzuschauen. Ein kurzer Vergleich mit der ähnlich hoch stehenden Andromedagalaxie M31: C/2001 A2 (LINEAR) wirkte etwas schwächer und etwa gleich groß. M31 kam zumindest mir einen Tupf heller vor, wobei ich an dem arg aufgehellten Himmel wohl bei beiden Objekten nur den zentralen Bereich gesehen habe.

So, und wenn uns die Kaltfront, die uns den Sdwind bescherte, berrollt hat, gibt es zu Neumond hoffentlich wieder klaren Himmel, und eine Beobachtung unter normalen und brauchbaren Bedingungen...

Howdii

*) Anmerkung 2018: Die Planetary Nebulae Observer's Homepage von Doug Snyder gibt es leider nicht mehr. Schade. Für mich war dies eine wertvolle Sammlung von Informationen. Kaum verständlich, dass diese Seite nicht von wem anderen weitrergeführt wurde.