Unter anderem Gekletzel - Pease 1 im 8" MN 

21. 10. 2000, Ebenwald

Den schönen Herbsttag wollte ich einerseits für einen kleinen Tagesausflug nutzen, anderseits für eine astronomische Beobachtung. Warum nicht beides miteinander verbinden? So wurde einfach mein 8" f/6 Maksutov-Newton am Vormittag in's Auto verfrachtet, und die Reise zur Ebenwaldhöhe führte mich diesmal über's Waldviertel, Mühl- und Mostviertel, und durch das südliche Niederösterreich.

Die Ebenwaldhöhe erreichte ich in der Dämmerung, und baute sofort mein Fernrohr auf. Anfangs wehte noch eine leichte Brise aus Nordost, der Wind legte sich aber später völlig. Es war mit 5 Grad kühl, aber nicht wirklich kalt, es gab auch keine nennenswerte Taubildung. Die Grenzgröße lag im Zenitraum bei etwa 6.5 mag, aber der Himmel war ungewöhnlich hell vom Horizont herauf, rundherum, selbst der sonst sehr dunkle Südhimmel war diesmal auffallend hell. Gepaart mit einem nur mittelmäßigen Seeing also nicht die allerbesten Bedingungen.

Die Ebenwaldhöhe war dennoch recht gut besucht, und unter den anwesenden Spechtlern entwickelte sich bald eine lustige Stimmung. Mein Spechtlkollege Walter traf erst bei Dunkelheit ein, und brachte sofort sein Fotogeschütz in Anschlag. Derweilen riskierte ich die ersten Blicke durch mein Teleskop. Die Sterne zeigten sich schon bei niedriger Vergrößerung als hässliche Matschflecken, ein Zeichen, dass das Teleskop stark aufgeheizt war. Bis die Temperaturdifferenz von etwa 15° C zur Außentemperatur erreicht war, sollte es gute drei Stunden Abkühlzeit mit Ventilatorunterstützung brauchen. Erst ab etwa 23 Uhr konnte der 8" MN auch für höhere Vergrößerung erfolgreich eingesetzt werden. Also kamen einmal ein paar Standardobjekte zur Beobachtung dran.

M27: bei 120x war bereits der Zentralstern zu sehen, die "Ohren" ohne Filter.

M57: bei 300x konnte Walter mehrmals den Zentralstern indirekt erhaschen. Meine Augen waren von der Autoreise doch etwas belastet, ich schaffte diese Beobachtung diesmal nicht.

Cirrus Nebel: Den "Feuervogel" beim Stern 52 Cygni sowie den östlich davon gelegenen Bogen betrachteten wir bei Vergrößerungen von 44x bis 120x - also von einer Gesamtansicht bis zu schönen Details (in allen Fällen mit UHC Filter).

Bevor das Sternbild Adler gänzlich hinter den Bäumen verschwand, stocherte ich dort noch nach ein paar Objekten.

PK36-1.1 (alternative Bezeichnung Sh2-71): Ein Planetarischer Nebel mit 13.2 mag, 107" Durchmesser, war am besten bei 80x mit UHC Filter als schwaches, strukturloses Nebelfleckchen sichtbar. Einmal geortet, konnte ich ihn daraufhin auch bei 55x ohne Filter noch ausnehmen. Bei höherer Vergrößerung war ohne Filter auch der 13.8 mag Zentralstern zu erkennen.

NGC 6749: Mit diesem Kugelsternhaufen kämpfe ich schon ein Weilchen herum. Mit 12.4 mag und einem Durchmesser von 6.3' ein härterer Brocken als erwartet. Auch keine Chance, vielleicht die hellsten Einzelsterne zu finden, die sind jenseits von 16 mag... Bei 80x noch am ehesten eine vage Vermutung von einer schwachen Aufhellung, ich werd's aber wohl erst definitiv glauben, wenn ich dieses Objekt just an dieser Stelle in einem größeren Geschütz sehe. Es hilft nix, der 18" Dob muß wieder einmal raus :-)

NGC 6760: Dieser Kugelhaufen ist etwas freundlicher, recht leicht zu sehen, mit 9.1 mag und 6.6' Durchmesser. Ich kenne dieses Objekt schon von früheren Beobachtungen im vergangenen Sommer. Einzelsterne lassen sich in einem 8" auch hier nicht auflösen, zumal die hellsten gerade 15.6 mag erreichen...

Mittlerweile war die Optik bereit für den Einsatz hoher Vergrößerung, und wir nahmen die Challenge auf...

Ps 1 (Pease1, alternative Bezeichnungen: K648, PK65-27.1): Die Daten dieses planetarischen Nebels sind ja nicht sehr einladend. Man findet Helligkeitsangaben von 13 mag bis 15.5 mag, und die Ausdehnung wird manchmal mit 1", manchmal mit 3" angegeben. Ps 1 liegt etwa 25" NNO des Zentrums von M15. Also, man kann sich zumindest etwas darauf einstellen, was zu erwarten ist - die Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen...

Wie wir auf die Idee kommen, uns mit einem 8" an dieser schwierigen Beobachtung zu versuchen? Nun, an dieser Stelle möchte ich ein bischen ausholen, und von meinen Erlebnissen unter einem mondhellen 3 mag Himmel, am 15. Oktober. dieses Jahres, berichten. Was soll man unter so einem aufgehelltem Himmel schon anfangen, als mit hoher Vergrößerung irgendwo herumkletzeln. So machte ich mich - ohne Zwang zum Erfolg - einmal daran, die nähere Gegend um den dichten Kern des Kugelhaufen M15 zu ergründen. Ich würde ja leicht für diese Beobachtungsaufgabe auf meinen 18" Dob zurückgreifen können, aber wollte mich einmal etwas "einarbeiten", und halt sehen, wie weit man mit einem 8" kommt. Der Anblick von M15 war bei 120x am mondhellen Himmel recht ernüchternd, eine matte Sache, ich ließ mich aber nicht abschütteln. Bewaffnet mit einer Aufsuchkarte, die auf Doug Snyder's Planetary Nebulä Web Site zu finden ist*), versuchte ich einmal, die markante "Trapez"-Sterngruppe zu entdecken. Bis 300x keine Chance. Also rein in den Auszug mit der 5x Powermate, und weiter ging's mit 400x. Aha, auf einmal doch deutlicher Einzelsterne im Halo, und schon hatte ich das Trapez erspäht. Ab da war es kein Problem mehr, den aus dem Kern ragenden "Lichtzapfen" oder "-finger" zu finden, an dessen Ende das gesuchte Objekt sitzt. Ich steigerte nun die Vergrößerung auf 600x, 800x und sogar 1000x, und sah mir die nähere Umgebung von Ps 1 genau an. Der helle Mondhimmel war bei diesen hohen Vergrößerungen kein Problem mehr, schlimmer war es, am Okular das Auge vor dem Umgebunglicht zu schüzten, da musste sogar die Kapuze meiner Jacke helfen :-) Es gelang tatsächlich, die beiden Sterngruppen, eine in der Mitte des "Lichtfingers", und die zweite am Ende, dort wo Ps 1 sein soll, zu finden. Jetzt stand noch der Test mit Nebelfilter aus. Bei 800x war mit [O III] Filter erst einmal gar nichts mehr zu sehen. Langsam tauchte der Kern des Kugelhaufen als strukturlose Aufhellung vor meinem Auge auf. Ich senkte die Vergrößerung bis auf 400x, immer noch keine Einzelsterne. Nachdem 400x das untere Limit der notwendigen Vergrößerung darstellte, versuchte ich einmal den UHC Filter. Mhm, nun konnte ich noch etliche Sterne ausnehmen. Natürlich war es jetzt schwierig, die Stelle zu finden, weil der "Lichtfinger" nicht mehr zu sehen war. Aber ich hatte mir die Distanz zu einem weiter nördlich stehenden, etwas helleren Stern gemerkt, den ich jetzt auch noch sehen konnte. Nun nahm ich die betreffende Stelle indirekt in's Visier, und tatsächlich gelang mir mehrmals, ein einzelnes Pünktchen zu erwischen, wo ich von der Position her das Ende des "Lichtfingers" vermutete. Also, war er's jetzt oder nicht? Mag sein. Die Abschätzung der Position erschien mir mit einiger Unsicherheit behaftet, aber eines schien mir unbestreitbar: Es gibt in der fraglichen Gegend keine Sterne in einer Helligkeit, wie sie noch durch den UHC Filter zu sehen waren. Zur Kontrolle der erreichbaren Grenzgröße testete ich in dieser Mondennacht noch das Areal um M57, konnte ziemlich sicher noch 14.6 mag sehen, und bei 600x blitzte mir auch der 15 mag M57 Zentralstern in's Auge. Also, wenn ich Ps 1 noch nicht definitiv hätte, dann war ich wohl hart dran.

Ein Test unter besseren Bedingungen stand an...

Und die hatten wir diesmal. Bekanntes Spiel, 5x Powermate rein, und von 400x bis 1000x den kritischen Bereich untersuchen. Die Gegend war rasch lokalisiert, und kam mir schon recht bekannt vor. Erster Versuch der "Confirmation" bei 400x mit UHC. Aufgrund der nun besseren Bedingungen waren noch sehr viele Einzelsterne zu sehen, zu viele, um das Objekt zu isolieren. Nächster Versuch bei 600x. Aha, jetzt schien das richtige Verhältnis gegeben, und zudem brachte die höhere Vergrößerung eine bessere Auflösung, was eine genauere Positionsbestimmung ermöglichte. Und wieder der Eindruck: Dort, wo das Ende des Lichfingers sein müsste, sticht indirekt ein "sternförmiges" Objekt heraus. Bei genauer Betrachtung war sogar indirekt die mittlere Sterngruppe des "Lichtfingers" noch sehr schwach erkennbar, eine weitere Orientierungshilfe in der Positionsbestimmung. Zur Kontrolle setzte ich Walter auf diese Beobachtung an, und er bestätigte meine Ergebnisse. Wir diskutierten noch eine ganze Weile kritisch, und guckten immer wieder ins Okular, zur Bestätigung. Für uns gibt es kaum noch Zweifel, das muss er sein!

Angesichts des in Erfahrung gebrachten Schwierigkeitsgrades würde ich nichteinmal einen 8" als unteres Limit für eine erfolgreiche Beobachtung ansehen, mit einem guten 7" Refraktor könnte es durchaus noch zu schaffen sein - ein gerüttelt Maß an Beobachtungstechnik und gute Aufsuchkarten vorausgesetzt.

Damit war der Beobachtungsabend für mich gelaufen, zum Abschluss gab's noch Saturn und Jupiter, die seeingbedingt aber nur bis 200x einigermaßen sinnvoll vergrößerbar waren.

So, und wenn das Wetter zu Neumond mitspielt, gibt es hoffentlich bald wieder einen Beobachtungsbericht mit dem 18" Dob, inklusive Ps 1, den wir uns im großen Dob natürlich noch einmal genau ansehen werden.

Howdii

Anmerkung: die Website von Doug Snyder gibt es leider nicht mehr. Und noch etwas dazu: Meine Beobachtung von Ps 1 mit dem 8" habe ich damals an Doug geschickt, sie war auf seiner Website zu finden. Zumindest ein bisschen Staub hat meine Beobachtung dieses Objekts mit einem 8" MN aufgewirbelt. Meine damalige Einschätzung, dass es mit weniger Öffnung auch gehen sollte, kann ich aus Sicht 2018 bestätigen. Ich habe es ja später wiederholt mit 8" SC geschafft, mit einem guten 6" Achromat, mit meinem 5.7" MN, und sogar mit einem exzellenten 4" Achromat - ok, das aber nur, weil ich letztlich Spezialist für dieses "lausige" Objekt geworden bin.