Die Wetterprognosen ließen uns zappeln. Letzlich war es reines Glücksspiel, wo man auf ein Wolkenloch hoffen könnte. Mit gemischten Gefühlen aber doch zuversichtlich verließ ich am 11. August um 2:30 Uhr morgens bei sternklarem Himmel meinen Wohnort Mistelbach. Geplant war, in der frühen Dämmerung am Beobachtungsplatz einzutreffen, um die Montierung noch ordentlich poljustieren zu können. Auf meiner Reise gegen Süden begleiteten mich die Sterne bis etwa auf Höhe Mattersburg. Dort sah ich Wolken vor mir, und am Südhorizont Wetterleuchten. Je weiter südlich ich kam, desto mehr Wolken gab es, nur am Osthorizont war ein schmaler Streifen frei, durch den die beginnende Dämmerung schimmerte. Und das Wetterleuchten am Südhorizont wurde immer stärker, ich konnte schon einzelne Blitze sehen. Na das paßt ja wieder einmal alles, dachte ich mir, fuhr aber unbeirrt weiter. Ab Lockenhaus Regen, und bei Regen kam ich schließlich an meinem ausgewählten Beobachtungsplatz an. Oh Wunder, da waren bereits zwei Autos mit Badener Kennzeichen. Ich stellte meinen Kübel in der Nähe ab, und mir blieb einmal nichts anderes übrig, als bei Regen im Auto sitzenzubleiben und der Dinge zu harren, die da kommen würden.
Durch den schmalen Wolkenspalt am Osthorizont leuchtete intensives Morgenrot, und die noch unter dem Horizont stehende Sonne erzeugte einen Regenbogen, der ebenfalls ziemlich rot gefärbt war. Dann war die Sonne kurz zu sehen, und bald darauf war sie hinter den Wolken verschwunden. Es regnete noch immer. Als der Regen schließlich aufhörte, stieg ich einmal aus, und schnupperte in die Luft. Im Süden gab es durch ein Wolkenfenster etwas blauen Himmel, durch das ein wenig später die Sonne guckte, und die Szenerie in mildes Licht tauchte. Auch überkopf lockerte es etwas auf, insgesamt schaute es nicht hoffnungslos aus. Jedoch gegen 8 Uhr setzte erneut Regen ein, und im Westen war nur trostloses Grau zu sehen. Ich schmiß schließlich die Nerven weg, und beschloß, zurück Richtung Norden zu fahren. Angesichts der Wetterlage ging es nun darum, die Totalität überhaupt zu sehen, wenn auch auf Kosten von Totalitätsdauer. Ich war wild entschlossen notfalls bis gegen Wr. Neustadt rauf zu fahren, wenn es sein müßte.
Nun, ein Ortswechsel schien mir angesichts des einseztenden Pilgerstroms möglichst früh notwendig, wer weiß schon, ob die nach Süden strömenden Autos wie die Lemminge alle in den Regen fahren würden, oder ob einige aus Panik wieder zurückfahren würden, dann wär das Chaos bald in beiden Richtungen los gewesen. Bei strömendem Regen trieb ich also meinen Dieselkombi wieder über den Geschriebenstein gegen Norden. In Stoob sah ich erstmals stehende Autokolonnen der südwärts strömenden Finsternispilger.
In der Gegend um Markt St. Martin schaute das Wetter schon ein wenig freundlicher aus, und auf Höhe Sieggraben machte ich einmal einen Abstecher auf den Brentenriegel, noch nicht fixiert auf diesen Beobachtungsplatz. Oben waren bereits die ersten Finsternisbeobachter eingetroffen, mein bevorzugtes Platzl konnte ich aber noch ungestört einnehmen. Während ich so bei geöffneter Heckklappe auf der Kofferraumkante hockte, und mißtrauisch in den Himmel blinzelte, wurde das Wetter immer freundlicher. Anfangs war noch die Winterjacke gefragt, aber die Sonne gewann rasch an Höhe und es wurde bald recht warm. Von West her wehte ein leichter Wind.
Wie das Wetter immer besser wurde, beschloß ich, hier den Mondschatten zu erwarten, und traf langsam meine ersten Vorkehrungen. Zum Beobachten der partiellen Phase hatte ich aus einer zwei Meter langen Pappröhre mit geringstem Aufwand eine Lochkamera gebastelt, die ein 18 mm großes Sonnenbild erzeugte. Dieses "Kanonenrohr" brachte ich einmal in Anschlag, und noch weit vor dem Ersten Kontakt baute ich auch meinen 4" f/8 APO auf.
Nach und nach füllte sich der Hügel mit Beobachtern, alles "Touristen", bewaffnet mit Sonnenfinsternisbrillen und Kameras, ich war der einzige der ein "richtiges" Fernrohr aufgebaut hatte. Dementsprechend zog das Fernrohr auch einige Aufmerksamkeit an sich, doch ich verhüllte schließlich das Rohr mit einer Decke, nicht nur um die Neugier der Besucher in Grenzen zu halten, auch um ein unnötiges Aufheizen des Rohres zu vermeiden. Filter hatte ich keines mitgebracht, das Fernrohr sollte nur zur Beobachtung während der Totalität dienen.
So, nun war es bereits Zeit für den Ersten Kontakt. Die Lochkamera zeigte ihn nicht eindeutig, ich hatte nur den Verdacht, daß das runde Sonnenbildchen schon einen "Defekt" aufwies. Auch die Pappbrillenbeobachter konnten noch nichts sehen. Da drehte ich mich zum Publikum um, und sprach mit todernster Stimme: "Aufgrund der eher unsicheren Wetterlage über ganz Österreich wird die Finsternis auf morgen verschoben!" :-) Einige blöde Gesichter :-) Nur einer reagierte: "Sie, für Ihre Art von Humor hab ich aber nichts übrig!" :-) Nach ein paar Minuten aber dann die Erlösung, sowohl die Brillenbeobachter konnten sehen, daß die Finsternis begonnen hatte, und auch meine Projektion zeigte nun deutlich die Phase.
Etwa 20 Minuten vor der Totalität richtete ich mein Teleskop mit aufgesetztem Deckel auf die Sonne aus, erst nur mit der Schattenwurfmethode, dann noch ein kurzer Blick durch den Sucher mit doppelten Schweißglasln vor dem Objektiv - Fadenkreuz auf die Sonne - und schaltete die Nachführung ein. Im Okularauszug bereits das 27 mm Panoptic Okular, das mir an dem 100/800 APO bei 30x ein Feld von etwa 2 Grad bietet.
Etwa 10 Minuten vor der Totalität wurde das Licht merklich fahl. Fahles Licht kennen wir vom Mond, aber das war doch noch um vieles heller, etwa wie von einem "hysterischen" Vollmond. Langsam wurde es immer dunkler, und das Licht nahm einen gelblichen Ton an. Auch wurde es merklich kühler, fast alle Beobachter zogen zuvor abgelegte Kleidungsstücke wieder an. In den letzten Minuten vor der Totalität richtete ich auch noch meine Kamera, mit 50 mm Objektiv bestückt, gegen die Sonne, hier reichte eine Daumen mal Pi Ausrichtung, rein nach dem Schattenwurf des Objektivs.
Der Himmel war nicht wolkenlos, und immer wieder warfen wir bange Blicke auf die Wolken, die da von Westen heranzogen, spekulierten aber, daß es sich ausgehen müßte, daß wir gerade ein Wolkenloch erwischen würden. Nun war wirklich schon ein etwas gespenstisches Dämmerlicht, die Totalität stand unmittelbar bevor. Ab jetzt bitte schneller lesen, damit die Hektik ordentlich rüberkommt :-) Wir standen noch in den letzten Sonnenstrahlen, als ich den Hügel am Westhorizont bereits im Schatten sah, und plötzlich war auch der Vordergrund im Schatten, und schon hat irgendwer das Licht ausgeknipst. Mir ist alles viel zu schnell gegangen, etwas perplex stand ich da, und erst als die Menge aufjohlte blickte ich zur Sonne - zur "schwarzen Sonne", umringt von der Korona. Schnell stubste ich die Deckel von Fernrohr und Sucher, kuppelte die Nachführung aus, noch ein Blick durch den Sucher, Sonne genau einfangen (war durch die nur grobe Poljustierung doch schon ein wenig abgewandert), und dann der Blick durchs Okular: Ahhh! Protuberanzen rundherum, hellrötlich bis leicht rosarot, die feingefächerte Korona... Nach einem relativ intensiven Blick hechtete ich zur Kamera, Ausschnitt kontrollieren, paßt, Venus links unten, und drückte den Auslöser. Während ich den Verschluß offenhielt, vergaß ich vor lauter Begeisterung erstmal zu schauen, und während ich dann doch die Nase gegen die verfinsterte Sonne richtete, forderte ich den einzigen direkt neben mir stehenden Beobachter auf, einen Blick durchs Fernrohr zu werfen, was er auch prompt tat. Bis ich den Verschluß nach etwa 15 Sekunden wieder losließ, war das Okular wieder frei, und ich stürzte wieder zum Fernrohr, kurbelte herum, um die Außenbreiche der Korona abzufahren - etwas mehr als 2 Grad Durchmesser konnte ich beobachten.
Eine innere Uhr sagte mir, daß es jetz wohl gleich vorbei sein müßte, so löste ich die Deklinationsklemme und stubste das Fernrohr an, daß es nach unten zeigte, aus Sicherheitsgründen, damit nicht etwa jetzt einer reinguckt, während die Sonne wieder kommt. Ich hechtete nocheinmal zur Kamera, öffnete den Verschluß, und schon kündigte die johlende Menge den 2. Diamantring an. Verschluß zu, aus, vorbei.
Schnell wurde es wieder hell, und die Spannung fiel ab. Zu kurz, war die einhellige Meinung, viel zu kurz... Aber das sagen wohl auch die, die die maximal mögliche Dauer gehabt hatten...
Was ich wohl mit meiner Kamera wollte? Nur die Umgebung der Sonne dokumentieren, sehen, ob Wolken während der Totalität da waren (ich glaub, daß dünne Wolkenschleier den Kontrast der Korona gegen den dunklen Himmel etwas beeinträchtigt haben), nebst der Venus auch noch vielleicht einige Sterne draufbekommen, und vielleicht find ich auf den Fotos auch Merkur, den ich visuell nicht geschafft habe.
Der Wind war total eingeschlafen. Einige Minuten noch blieb die Menge, und guckte wieder mit den Finsternisbrillen. Ich angelte mir jetzt im Fernrohr geruhsam die Venus, die gerade, auf dem Weg zur Unteren Konjunktion, eine schmale Sichel zeigte. Die Venus durften nun auch etliche in meiner Nähe stehenden Beobachter in Ruhe betrachten.
Dann kamen jede Menge Wolken, von der abklingenden Phase der partiellen Verfinsterung erhaschte man nur mehr selten einen Blick, dementsprechend bröckelten die Besucher der Reihe nach ab, und bald war ich allein. In meiner Lochkameraprojektion verfolgte ich noch ab und zu die zu Ende gehende Finsternis, bis schließlich alles vorbei war. Der Bursch, der bei der Totalität einen Blick durch mein Rohr machen durfte, kam nochmals zu mir auf ein Plauscherl, und um sich extra zu verabschieden.
Ich machte mich schließlich ebenfalls auf den Heimweg, zickzack durchs Burgenland, immer wieder den Stauungen und starken Verkehrsströmen ausweichend, bis ich schließlich in einer "Rekordzeit" von fast 3.5 Stunden wieder daheim war.
Ein paar Gedanken noch zur Totalität. Der Himmel ist dunkler als bei Vollmond, es wird wirklich sakrisch dunkel, nur das vom hellen Horizont hereingestreute Licht bewirkt etwa eine Lichtintensität wie in einer Vollmondnacht, mir ist es aber doch insgesamt etwas dunkler vorgekommen. Die Korona war freisichtig als weißer Ring um die verfinstere Sonne zu sehen, der Sonnenrand erschien leicht rötlich, wohl die Summe der Protuberanzen, die das freie Auge nicht auflösen kann. Die Korona hat im Fernrohr keine auffällige Färbung gezeigt, die feine und feinste Fächerung war aber beeindruckend. Ähem, die Form der Korona, ja, eher rund, ist mir aber an den Polen doch etwas abgeflacht erschienen. Der Mondrand messerscharf, aber doch nicht wirklich glatt. Und der Mond selbst, hm, hat eigentlich doch nicht pechschwarz gewirkt, ich hab ihn als extrem dunkles Grau empfunden. Die Korona hat im Fernrohr etwas geblendet, aber kein Vergleich mit dem Vollmond bei dieser Vergrößerung, den hält man ungefiltert fast nicht aus. Freisichtig keine Sterne, nur die Venus sichtbar - man bringt ja in der kurzen Zeit auch keine Dunkeladaption zustande.
Auf der Netzhaut meiner Augen blieben, Gottlob, keine Nachbilder der Finsternis, geistig ist das Bild der "schwarzen Sonne" jedoch fest eingebrannt, ein einmaliges Erlebnis. Emotionell hat mich die totale Sonnenfinsternis nicht sooo arg berührt, ich war nur etwas hektisch und nervös aufgrund der kurzen Dauer (etwa 1:45 Minuten), muß aber ehrlich gestehen, daß mich Anblicke im 18" bei der Deepsky- oder Planetenbeobachtung manchmal mehr hernehmen, wo ich den Mund nimmer halten kann - die "schwarze Sonne" hingegen habe ich still genossen.
Howdii