Vor - ITT Nächte auf der Emberger Alm

21. und 22. 9. 1998, Berg im Drautal

Im heurigen Jahr gab es wenige gute Beobachtungsbedingungen, dementsprechend waren wir regelrecht "ausgehungert" nach einer stabilen, schönen Beobachtungsnacht. Außerdem warteten wir schon seit Mai auf eine Gelegenheit, wieder einmal unter dem klaren Himmel hoch oben in den Alpen beobachten zu können, nachdem unsere Expedition auf die Glocknerstraße im Vorjahr so erfolgreich war. Die ersten Septemberwochen herrschte Regenwetter, aber just zu Neumond schien es, als wollte sich doch endlich der Altweibersommer einstellen, so sagten es jedenfalls alle Wetterprognosen. Da der Süden Österreichs wetterbegünstigt sein sollte, fassten wir eine Reise nach Kärnten ins Auge, auf die Emberger Alm, die wir einmal kennenlernen wollten. Walter konnte im Alpengasthof Sattlegger gerade noch ein Zimmer für uns reservieren, wegen des bevorstehenden ITT waren nämlich fast alle Zimmer schon belegt, und am Montag, den 21.9., stürzten wir uns ins Abenteuer.

Walter war früher dort, und hatte die Lage schon ein wenig sondiert und einen günstigen Beobachtungsplatz ausgesucht. Die Sonne stand schon sehr tief, als ich die Alm erreichte. Ich war sowieso schon von daheim etwas später weggekommen, und außerdem hatte ich die Straße auf die Emberger Alm gründlich unterschätzt - sie ist in einem etwas erbärmlichen Zustand und kann eigentlich kaum mehr als Straße bezeichnet werden. Wahrscheinlich haben schon einige Teleskope auf dem holprigen Weg ihre Kollimation gründlich verloren, so auch mein 18" Dob... Größtenteils war Schrittgeschwindigkeit angesagt, um die Gerätschaft heil ans Ziel zu bringen, schließlich hatte ich gleich zwei Teleskope mit, den 18" Dob und den kleinen 5.7" Maksutov-Newton. Es sollte ein Fest werden, wir wollten aus allen Rohren "schießen", was das Zeug hält.

Auf der Emberger Alm herrschte schon echte ITT Stimmung, deutsche Sternfreunde waren mit ihren Teleskopen bereits zahlreich angereist. Allerdings waren außer uns keine einzigen österreichischen Beobachter zugegen - was uns beim Gasthof Sattlegger eine gewisse Sonderstellung gab, wir beide waren dort einfach "die zwei Wiener"... :-)

Wenn viele Sterngucker auf einem Haufen bei'nander sind, stören sie sich erfahrungsgemäß schon wieder gegenseitig. Deswegen suchten wir in der späten Dämmerung das Spezialplatzerl bei der Bergstation des Schiliftes auf, das Walter vorher schon ausgekundschaftet hatte, dort waren wir weit weg von anderen Spechtlern, und konnten in Ruhe beobachten. Unsere Gerätschaft wurde aufgebaut: der 18" f/4.4 Dob und der 5.7" f/6 Maksutov-Newton auf Walters GP-DX Montierung. Dabei gab es gleich etliche Pannen. Dr. Murphy, unser Spezialfreund :-), hatte es wohl eilig in dieser Nacht, um von Fernrohr zu Fernrohr zu gehen und jedem Beobachter ein wenig zu "helfen" :-) Wir schafften es aber doch noch, die Geräte klar zu bekommen.

Walter verbrachte einige Zeit damit, die Milchstraße mit dem 5.7" MN abzustöbern, einfach so, um die herrlichen Widefield Views zu genießen. Der kleine Ceravolo, den ich ja gerne als "Spielzeug" bezeichne, liefert nämlich herrlich große Bildfelder mit nadelpunktfeinen Sternen über das ganze Sichtfeld, das ist wirklich ein Genuss, Walter konnte sich kaum losreissen davon und überlegt inzwischen auch schon den Kauf einer Maksutov-Newton Optik... Während ich mich dann an die visuelle Beobachtung mit dem 18" machte, begann Walter mit den Vorbereitungen für CCD Arbeit - wieder ein reiches Betätigungsfeld für unsern lieben Herrn Doktor Murphy... :-)

Der Himmel war in dieser ersten Nacht im Zenitraum recht dunkel, doch horizontnah im Süden einigermaßen dunstig, und aufgehellt. Dafür hatten wir fallweise gutes Seeing. Der 18" zeigte an Jupiter hauchfeine Details, wirklich schön. Leider war das Vergnügen bald nach Mitternacht zu Ende, von Nordost her überrollten uns Wolken... Oder ist Dr. Murphy vom Herumlaufen müde geworden, und hat schlicht die "Notbremse" gezogen? Naja, zumindest kamen wir noch zu halbwegs "christlicher" Stunde ins Bett.

Der nächste Tag begann mit Nebel und einer dicken Wolkendecke. Nach dem Frühstück gingen wir 'raus, um einen kritischen Blick in den Himmel zu werfen. Wird's noch aufgehen heute? Während wir so herumstanden und die zahlreichen Teleskope sowie das traumhafte Bergpanaorama bewunderten, kam ein anderer Sterngucker zu uns, und fing ein Plauscherl an. Wir diskutierten dies und das, die vergangene Nacht, und die Bedingungen, vor allem aber die Qualität von Optiken. Eigentlich redeten wir gerade übers Seeing, und so kam ich auf unsere Jupiterbeobachtung mit dem 18" zu sprechen, und auch darauf, daß wir seeingbedingt immer wieder nadelfeine Sternabbildung hatten. Na mehr haben wir nicht gebraucht. Was sind schon nadelfeine Sterne in einem 18", der nette Herr hat uns dazu gleich 15 Beugungsringe verkauft, von seinem Superding von APO, korrigiert von 300 bis 1000 nm, und mit lamda/14 im grünen Licht - Sachen gibt's... :-) Also, damit wir nicht noch ein paar Beugungsringe serviert bekamen, zogen wir uns auf's Zimmer zurück, um die Ergebnisse der vergangenen Nacht niederzuschreiben und die CCD-Bilder zu bearbeiten.

Erst am späten Nachmittag lösten sich die Wolken über der Emberger Alm auf. Unten beim Weißensee, wo wir zu Mittag waren, hatten wir schon sonniges Wetter und blauen Himmel gehabt.

In der Dämmerung präsentierte sich der Himmel jedenfalls prächtig, als wir wiederum am gleichen Platz unsere Geräte aufbauten. Walter wollte heute fotografieren, und ich mit meinen visuellen Beobachtungen fortfahren. Allein, diese Nacht war der Spaß noch früher zu Ende, um 22 Uhr war der Himmel schon wieder dicht. Walter hatte gerade 11 Minuten lang den Nordamerikanebel gehalten... Murphy hat wohl gleich kurzen Prozeß gemacht mit uns Spechtlern. Wir warteten noch ein Weilchen zu - vergebens. Also packten wir unsere Siebensachen zusammen, und gönnten uns anschließend zum Trost noch ein Bierchen im Sattlegger'schen Gasthof. Am nächsten Tag erfuhren wir dann, daß es etwa um 1 Uhr in dieser Nacht wieder aufgeklart hatte - allerdings hatten zu diesem Zeitpunkt alle Sternfreunde schon ein oder mehrere "Trostbiere" intus, und keiner konnte mehr beobachten... :-)

Am nächsten Tag räumten wir das Feld. Vom Wetter her war ohnehin kaum mehr eine klare Nacht zu erhoffen, außerdem ergriffen wir vor dem großen Ansturm der ITT Teilnehmer, der bald zu erwarten war, die Flucht. Schließlich wollen wir beobachten und nicht unsere Teleskope zur Schau stellen.

Der Tag unserer Heimreise zeigte sich bald recht freundlich, zumindest für uns, die wir gegen Osten fuhren. Aufgrund des schönen Herbsttages nahmen wir eine Route, die uns über die Nockalmstraße, die Turrach und den Sölkpaß führte. Eine traumhaft schöne Tour. Natürlich kostet so ein Unternehmen Zeit, und wir kamen spätabends heim, hundemüde. Und grad diese Nacht hatte unser lieber Dr. Murphy extra schön gemacht, auf der Ebenwaldhöhe z.B., wie wir erfahren haben, gab es herrliche Bedingungen, und selbst in Wien wurde auf der Kuffnersternwarte bei ausgezeichnetem Seeing beobachtet...

Nun aber im Detail zu den visuellen Beobachtungen.

21. September

Die Nacht begann mit recht guten Bedingungen, 6 mag freisichtig im Kleinen Wagen. Südhimmel dunstig und aufgehellt. Nach einiger Zeit wurde es allgemein dunstiger, später sank der Dunst ins Tal, die Sicht wurde wieder besser. Ab und zu leichter Wind, frische 3° C. Relativ hohe Luftfeuchtigkeit, die Optiken beschlugen aber nicht. Gegen 1 Uhr MESZ im Osten vereinzelt Wolken, 20 Minuten später war der Himmel vollständig bedeckt. Fallweise herrschte gutes Seeing, es gab aber auch Phasen mit nur mäßigem Seeing. Beobachtet wurde mit dem 18" f/4.4 Dob.

M20: Zum "Aufwärmen" stellten wir den Trifidnebel ein, bei 104x, ohne Filter. Walter sah den Emissionsteil deutlich rot und den Reflektionsnebel blau, ich hingegen sah wohl den Reflektionsteil blau, den Emissionsnebel hingegen intensiv grün! Vielleicht weil ich knapp davor längere Zeit bei Rotlicht im Sternatlas herumstöberte? Ich kann mich wohl erinnern, auch einmal den Emissionsteil des Trifidnebels als fahles "pink" gesehen zu haben. Die dunklen "Rüssel", die dem Emissionsnebel sein charakteristisches Aussehen geben, waren problemlos sichtbar.

M8: Auch beim Lagunennebel arbeiteten wir vorerst ohne Filter bei 104x, um die "Hourglass" Region sehen zu können. Durch den recht hellen Himmelshintergrund war der Nebel mit seinen Ausläufern natürlich weit besser mit [OIII] Filter zu erkennen. Beim Absuchen der näheren Umgebung stießen wir auf zwei nebelige Fleckerl, und witzelten schon über Kometenentdeckungen, aber Spaß beiseite, diese Objekte waren mit einem Blick in die Sternkarte als NGC 6544 und NGC 6553 identifizierbar (beides Kugelhaufen).

NGC 281: Diesen deutlich dreieckigen Nebelfleck im Sternbild Cassiopeia schauten wir uns im 5.7" Maksutov-Newton an. Vor dem sternreichen Hintergrund der Milchstraße kommt dieses Objekt recht schön zur Geltung, in dieser klaren Nacht auch ohne Filter. Walter hat es dann auch mit dem CCD aufgenommen, allerdings leider nur unvollständig.

NGC 6818: Der "Little Gem", ein planetarische Nebel in der Ostregion des Sternbilds Schütze war bereits bei 66x auffällig. Bei 230x (ohne Filter) war ein intensiv grünliches Scheibchen zu sehen, mit einem kleinen, dunklen Zentrum, als wenn's ein "negativer Zentralstern" wäre. Den 15 mag Zentralstern selbst haben wir nicht gesehen.

NGC 6822: "Barnard's Galaxy", in unmittelbarer Nähe des "Little Gem", war durch den aufgehellten Himmel schwierig zu erkennen. Diese, zur lokalen Gruppe gehörende, irreguläre Zwerggalaxie zeigte sich bei 66x als länglicher, großer, diffuser Fleck. Bei genauerer Betrachtung entdeckten wir eine Kondensation in der breiigen Masse, möglicherweise die HII Region IC 1308. Wenn die Bedingungen besser gewesen wären, hätte ich wohl noch einige Versuche mit Nebelfilter und höherer Vergrößerung gemacht.

M75: Dieser Kugelsternhaufen war bei 230x nur in den Randbereichen auflösbar, das Zentrum erscheint stark konzentriert.

Pal 11: Nun, voriges Jahr, bei unserem Spechtlabenteuer an der Glocknerstraße ist mir ein Nebelfleckerl untergekommen, das ich vorerst als Pal 13 deutete. So richtig hat mich die Sache nicht ruhen lassen, es kamen immer stärkere Zweifel, ob ich tatsächlich einen Palomarhaufen gesehen hatte. Jetzt galt die Suche einem anderen Palomarhaufen, dem Pal 11. Den bin ich mir jedenfalls sicher, definitiv erwischt zu haben, und der sieht auch ganz anders aus, als mein vermeintlicher Palomarhaufen von der Glocknerstraße. Zu sehen war ein äußerst schwacher runder Nebelfleck von etwa 3' Durchmesser, mit leichter Verdichtung zur Mitte hin. Prinzipiell schätze ich das Objekt nicht als allzu schwierig ein, durch den aufgehellten Himmel war es für uns jedoch schon eine Herausforderung. Auf keinen Fall ein Objekt, über das man zufällig stolpert. Die Beobachtung war nur durch genaues Suchen an der exakt richtigen Position möglich. Walter meinte dazu nur: "Na du hast Objekte..."

M30: Ein äußerst interessanter Kugelsternhaufen. Aus dem länglichen Sternengewurl ragen an einer Längsseite drei gerade Arme heraus, die dem Haufen etwa das Aussehen einer Krone geben. Beobachtet wurde bei 104x und 230x.

M72: Dieser Kugelhaufen war bereits bei 104x schön auflösbar, bei 230x zeigten sich die Sterne relativ locker und unregelmäßig verstreut. In der Tat ist M72 einer der wenig konzentrierten Kugelhaufen. Schwierig aufzulösen ist er wegen der sehr schwachen Sterne. Wenn die Bedingungen schlecht sind, ist es selbst im 18" eher hart, den Haufen aufzulösen.

M2: Ein prächtiger Kugelhaufen, den wir bei 104x, 230x und 520x beobachteten - quer durchs Zentrum aufgelöst, aber doch bleibt ein nebeliger Hintergrund. Für mich zählt M2 zu den schönsten Kugelhaufen, die von unseren Breiten aus beobachtbar sind.

NGC 7009: Bei 230x war die charakteristische "Saturngestalt" mit den seitlichen Fortsätzen zu erkennen. Höhere Vergrößerung lohnte sich nicht, da dieses Objekt schon zu tief im Dunst stand.

NGC 7293: Der Helixnebel stand ebenfalls zu tief im Dunst, war ohne Nebelfilter kaum zu erkennen, einfach enttäuschend.

M15: Ein Prachtstück von einem Kugelhaufen, der uns bei 520x am besten gefiel. Die Randbereiche sind schön auflösbar, das Zentrum erscheint sehr dicht und kompakt. Die angesprochene Vergrößerung erreichten wir mit einer Menge Glas im Okularauszug: Paracorr, Powermate (5x Barlow) und 22 mm Panoptic Okular. Für Kugelsternhaufen ist diese Kombination geradezu ideal.

Jupiter: Den Gasriesen beobachteten wir bei 104x, 230x, 307x und 384x. Seeingbedingt erwies sich 307x als ideale Vergrößerung. In guten Momenten konnten wir damit sehr feine Details beobachten. Das SEB war voll von weißen Ovalen, die wie an einer Perlenschnur aufgereiht waren. Im NEB entdeckten wir feinste Fasern, und hauchfeine Fahnen, die vom NEB zur Äquatorregion hin ausgingen.

22. September

Unsere zweite Nacht erwies sich dunstiger als die erste. Wieder gab es hohe Luftfeuchtigkeit, die Optiken blieben aber vorerst beschlagfrei. Um 22 Uhr MESZ war der Himmel schon wieder bedeckt. Beobachtet wurde mit dem 18" f/4.4 Dob.

M27: Bei 104x ohne Filter so wie ich den Hantelnebel gerne sehe: Gesprenkelt mit einigen Sternen, die "Ohren", subtile Details... So schön wie auf den CCD-Aufnahmen!

M11: Einfach schön, mehr haben wir dazu nicht gesagt, und still diesen Glitzerhaufen genossen (104x). Und wir blieben gleich in dieser Himmelsgegend.

Bas 1: Ein unscheinbares Objekt, dieser offene Sternhaufen, eine Handvoll Sterne locker verstreut.

NGC 6712: Ein Kugelhaufen mit schwachen Sternen, bei 104x grießlig, bei 210x schön aufgelöst.

IC 1295: Dieser planetarische Nebel ist praktisch gleichzeitig mit NGC 6712 im Blickfeld, wird ohne Filter aber erst beim zweiten Hinsehen deutlich. Er versteckt sich zudem im Gesprenkel einiger schwacher Sterne. Mit [OIII] Filter bei 104x und 210x dann nicht mehr zu übersehen. Ein etwa gleichmäßig helles Scheibchen mit leicht dunklerem Zentrum, der Rand vielleicht nicht überall gleichmäßig scharf definiert.

M13: Der letzte Blick ins Teleskop, bevor die Wolken den ganzen Himmel überzogen...

Wenn auch die Septemberbeobachtungsnächte nicht ganz die erhofften Bedingungen brachten, auch nicht unter dem Kärntner Alpenhimmel, so haben wir doch eine hübsche "Tour" am gestirnten Himmel gemacht, mit der wir letztlich zufrieden sein müssen. Wenn das Wetter nicht so recht mitspielt, muß man eben nehmen, was geht.

Die Emberger Alm bietet im Allgemeinen recht gute Bedingungen, wenn das Wetter passt, allerdings ist der Südhorizont schon ein wenig aufgehellt, vermutlich macht sich Mailand mit seiner riesigen Lichtglocke bemerkbar. Ein brauchbarer Beobachtungsplatz, wo man selbst bei großem Andrang ungestört beobachten kann, läßt sich auf dem weitläufigen Gelände schon finden. Man steht auf der Emberger Alm allerdings "nur" auf 1700 Meter, auf der Glockner-Hochalpenstraße erreicht man leicht 2300 Höhenmeter und mehr.

Howdii