Testbericht: Skywatcher Evostar ED 100

Prolog

Testgegenstand ist der Skywatcher Evostar 100/900 ED Refraktor aus der Black Diamond Serie, mit Koffer und Zubehör. Das ist ein gutes Angebot. Wenn man den Refraktor einzeln kauft, Sucher und 2" Zenitspiegel extra anschaffen muss, kommt man schon teurer raus. Im Setangebot gibt es noch ein 2" Okular mit 28 mm Brennweite dazu. Es ist sicher kein Top-Okular, ein Erfle oder Erfle-Derivat, als Übersichtsokular taugt es allemal noch. Man kann ja die Bildfeldwölbung des Teleskops austricksen, und auf Sterne weiter außen im Feld fokussieren, dann kann das Auge noch auf die Bildmitte akkomodieren und man sieht über einen weiteren Bereich scharf. Gerade bei diesem 100mm f/9 Refraktor ist die Abbildung weit besser als z.B. an einem f/5 Newton, der u.U. auch mit diesem Okular "bedacht" wird.

Natürlich gibt es diesen Refraktor auch einzeln zu kaufen, wer schon entsprechendes Zubehör hat. Die Ausstattung: Rohrschellen, 2" Prismenschiene, eine fixe Taukappe. Am hinteren Ende findet sich ein 2" Crayford Fokussierer mit Feintrieb. In das Gehäuse des Fokussierers ist ein Sucherschuh integriert. Geklemmt wird mit zwei Schrauben, einen Messing Klemmring gibt es hier nicht. Staubschutzdeckel für das Objektiv und den Fokussierer sind vorhanden. Der Feintrieb des Fokussierers hat auch eine Schutzkappe. Diese sollte man für den Transport immer überziehen. Selbst im Koffer. Es ist Platz dafür.

Der 100/900 ED Refraktor in seinem Koffer. Zubehör: 9x50 Sucher (geradsichtig), 2" Zenistpiegel (99% dielectric coating) mit Reduzieradapter auf 1.25",
2" Apex 28 mm Okular, ein extra Reduzieradapter 2"/1,25". Besonders nobel geht es in diesem Koffer nicht zu, aber zweckmäßig.

Was darf man von der Optik erwarten? Es ist ein 100/900 ED Objektiv mit dem Ohara FPL-53 Glas. Also wir haben es mit einer f/9 Optik zu tun, üblicherweise liegen die heutigen ED Refraktoren bei f/7, das gibt ein bissl Vorsprung bei der Farbkorrektur, und dazu noch das FPL-53 Glas, um das irgendwie ein gewisser "Hype" entstanden ist. Demnach ist mit einer essentiell farbrein abbildenden Optik zu rechnen.

Erstes Anschnuppern

Am 9. März 2016, bei spätwinterlichen Bedingungen, gab es das "First Light", bei mir daheim, in der Einfahrt vor dem Haus. Ich setzte für diesen Test den Refraktor auf meine iOptron ieq45 Montierung. Dieses Röhrl ist ein Leichtgewicht, ich kam mit einem 5 kg Gegengewicht zur Balance aus. Der Himmel bot nur 4 mag freisichtig. Das Seeing war dafür gut. Der erste Blick ins Okular, mein 22 mm Panoptic: Nadelfeine Sterne! So will ich das sehen. Um dem Teleskop Zeit zum Austemperieren zu geben, begann ich mit lockerer Deepsky Beobachtung. 

Der 100/900 ED Refraktor auf meiner iOptron ieq45 beim "First Light", im Okularauszug mein Maxbright Zenitspiegel und mein 22 mm Panoptic

Meine Beobachtungsobjekte: Komet Panstarrs C/2014 S2 (ein schwaches Nebelfleckerl, vage: kurzer Schweifansatz), M34, M36, M37, M38 und NGC 1907, NGC 1931, M103, M97 (ohne Nebelfilter sehr schwach) und M108 (irgendwas längliches, sehr, sehr schwach). Klar, dass unter diesem "müden" Himmel, und umzingelt von Straßenlaternen, die Ausbeute nicht sehr toll war, aber die Abbildungsleistung des Refraktors hat soweit überzeugt. Auch den höheren und hohen Vergrößerungsbereich hatte ich angekratzt. Nun war es an der Zeit, die Optik intensiver zu checken.

Startest

Als Teststern nahm ich Capella ins Visier, erst mit meinem Zeiss Abbe 6 mm, dann mit dem 4 mm. Die einzelnen Farben fokussieren knapp nebeneinander. Man muss schon genau den richtigen Fokus treffen, um ein gelbliches Beugungsscheibchen, wie es sich für Capella gebührt, zu erhalten. Es war der richtige Fokus, es waren auch schwache Feldsterne scharf zu sehen. Knapp daneben erhält man ein rotes oder auf der anderen Fokusseite ein grünliches Beugungsscheibchen. Ein Blausaum ist nicht festzustellen. Im Gegenteil, es scheint der tiefrote Fokus ein bissl weiter weg zu hängen. Das merkt man auch bei genauerer Betrachtung des Beugungsscheibchens. Dessen Durchmesser ist abhängig von der Wellenlänge. Im roten Licht ist demnach das Beugungsscheibchen größer als im grünen Licht. Somit hat ein Beugungsscheibchen von Natur aus einen roten Rand. Wirklich gesehen habe ich das aber noch nie. Hier sieht man deutlich einen roten Rand des Beugungsscheibchens.

Soweit also einmal ein nahezu mustergültiges Beugungsscheibchen, mit schön konzentrischen Beugungsringen. Etwas flirrend vom Seeing. Es treten immer wieder in dem Muster drei um 120° versetzte Stellen auf, das lässt den Verdacht auf leichtes Pinching zu, aber deswegen würd ich nicht die Hand ins Feuer legen wollen. Kein Astigmatismus. Eine milde sphärische Unterkorrektur war festzustellen, das ergab auch der Gegentest mit dem Ronchi Okular. Wenn man abseits des besten Fokus intra- bzw. extrafokal schaut, wird es gleich "bunt". Es ist halt ein ED Refraktor und nicht das, was ich unter einem APO verstehe.

Fototest

Am 17. 3. 2016 ergab sich die nächste brauchbare klare Nacht. Mondheller Himmel, mäßige Luftfeuche, viel darf man sich nicht erwarten. Dazu hatte ich den Refraktor auf eine Skywatcher HEQ5 Goto Montierung gesetzt. Es ging darum, die Abbildungsqualität des Refraktors und die Guidingfähigkeit der Montierung gemeinsam zu testen. Verwendet wurde der Refraktor bei voller Brennweite mit einem 2" TS Flattener. Die Fotos wurden manuell gestartet, also richtig auf den Knopf der Kamera drücken, mit 12 Sekunden Zeitverzögerung durch den Selbstauslöser. Auch wenn man so vorsichtig wie nur möglich abdrückt, man schubst das Rohr dabei leicht ins Dec Getriebespiel der Montierung, und der Autoguider schafft es oder vielleicht, auch nicht mehr, den Leitstern rechtzeitig wieder einzufangen. So die Sache in Ruhe laufen durfte, zeigte sich ein ruhiger Guidingverlauf.

Der 100 f/9 ED Refraktor im Fototest, hier auf einer HEQ5 Goto Montierung. Kamera: EOS 1000D, astromodifiziert. Guider: Lacerta MGEN

Viel Aufwand wollte ich aufgrund der Bedingungen nicht treiben. Nachfolgende Bilder sind 30 Sekunden belichtete Einzelaufnahmen, fast ohne Änderung. Mit IrfanView vom Raw auf RGB umgesetzt, dabei wird das Bild auf 50% der Originalgröße gebracht. Den vom Mondlicht verursachten Blaustich des Himmels habe ich neutralisiert, indem ich etwas Blau rausgenommen habe. Das war's auch schon mit der Bearbeitung.

M37, Canon EOS 1000D, ISO 800, 30 Sekunden Einzelbild. Auf das Bild klicken, damit gehts zu einer größeren Ansicht

M38 und NGC 1907, Canon EOS 1000D, ISO 800, 30 Sekunden Einzelbild. Auf das Bild klicken, damit gehts zu einer größeren Ansicht

Was sich aus den Fotos erkennen lässt: Die Abbildung über das Feld ist mit dem 2" Flattener fein. Die Sternabbildung ist ok. Was auffällt: Selbst wenn man diese 30 Sekunden Bilder im Gammawert etwas anhebt, zeigt sich eine ziemlich starke Vignettierung. Es ist ein relativ kleiner Kreis, der voll ausgeleuchtet ist. Der Fokussierer fährt in dieser Foto Konfiguration nicht allzu weit aus, was der Stabilität zwar gut tut, aber das Auszugrohr ragt weit in den Tubus und vignettiert somit. Egal, um die Flatfield Technik kommt man bei seriöser Fotografie ohnehin nicht herum, damit ist die Vignettierung auch kein so großes Thema.

Jupiter Beobachtung

Ich hatte das Teleskop zum Fototest extra weit vorne in meiner Einfahrt aufgebaut, um anschließend den Jupiter über dem Haus- bzw. Garagendach erwischen zu können. Also weg mit Autoguider, Kamera, Zenitspiegel dran und Planetenokulare her. Das Seeing erwies sich eigentlich als recht gut. Die ideale Vergrößerung für die vorherrschenden Bedingungen fand ich bei 180x. Dazu verwendete ich mein 5 mm TMB SuperMono. Ich hatte nebenbei noch meine Zeiss Abbe 6 mm und 4 mm in Verwendung. Es sei hier angemerkt, die Optik verträgt das 4 mm (225x bei 0.44mm Austrittspupille) sehr wohl. Das Bild "zerfällt" nicht. Jupiter ist aber sehr heikel aufs Seeing, und so kann  man sehr oft nur mit weniger Vergrößerung arbeiten. Nur bei idealen Bedingungen kann man die Vergrößerung "ausfahren". 

Der 100 mm f/9 ED Refraktor, hier auf Jupiter gerichtet

In den besten Momenten konnte die Abbildungsqualität durchaus überzeugen. Es gab feine Details zu bewundern, etliche blaue Fähnchen, und zarte Details in den Wolkenbändern. Feine Bänder in den Polregionen. In Summe sehr zufriedenstellend. Aber ein kritischer Blick sei erlaubt: Die Wolkenbänder waren eher  rötlich-braun gefärbt. Ich hatte nebenbei einen Baader Semi-APO Filter im Test. Dieser Filter färbt den Jupiter zart grünlich-bläulich ein, die Wolkenbänder werden dabei braun dargestellt. Bei etwas unruhigerem Seeing mag der Filter was helfen, er bringt eine gewisse Kontrastverstärkung mit sich, keine Frage. Wenn das Seeing aber mitspielt, dann schaue ich lieber ohne Filter. Daher kam der Filter wieder in seine Box. Soweit mal diese Sache. 

Die Jupitermonde zeigten flirrende Beugungsringe, auch da maninfestierte sich immer wieder dieses "Mercedesstern" Muster, aber dann gab es wieder ganze Bogenteile auf einmal zu sehen, ohne Verdickung. Es bleibt dabei. ein Verdacht auf leichtes Pinching ist nicht von der Hand zu weisen. Aber wohl kaum störend. Sehr hilfreich, den besten Fokus zu treffen, ist der Feintrieb des Fokussierers. Butterweich, mit einem Finger zu bewegen. Bei der Planetenbeobachtung ist dies schließlich extrem hilfreich. Ein klein wenig daneben und man vergibt schon viel an Performance. Bei etwas wuseligem Seeing ist halt der beste Fokus auch nicht einfach zu finden. Es liegt nicht an der Optik, die weiß schon was scharf ist. Nur aus dem ständigen Gewusel muss man erst mal erraten, wo ist scharf, und dann eine Zeit abwarten, bis sich bessere Momente ergeben. Dann erst sieht man, passt es, oder doch nicht ganz. Sicher könnte man zu den rötlich-braunen Wolkenbändern auch sagen: Das Auge arbeitet selektiv, und man könnte, so es scharf ist, eben auch mehr ins Rote fokussieren, weil bei längerer Wellenlänge das Seeing etwas weniger stört. Nun - sei es wie es sei, die Jupitermonde waren eigentlich auf meinem optimalen Schärfepunkt auch so klein wie möglich, also scharf.

Noch einmal zum Jupiter selbst: Es gab die oftmals zu sehende Luftschichtung im Tubus, somit etwas Farbdispersion. Jupiter zeigte einen blauen und auf der anderen Seite eine roten Rand. Der rote Rand war aber stärker ausgeprägt als der blaue. Und noch etwas: ein etwas versteckter Blaufehler zeigte sich dennoch. Jupiter schwimmt sozusagen in einem sehr schwachen, dunkelblauviolettem Halo. Die meisten Beobachter werden dies kaum je bemerken.

Wenn schon Arbeit, darf etwas Vergnügen nicht fehlen. Die Jupiter Beobachtung war es für mich ohnehin schon. Und da gab es auch noch ein bisschen Show: Ich entdeckte erst so etwas wie einen kontrastschwachen "Fliegenschiss" auf Jupiter. Dreck auf den Okular Linsen? Jupiter im Feld verschoben, der Fleck bleibt. Mein Auge? Etwas herumgeschielt, der Fleck bleibt. Also doch real. Was soll das sein? Wie dieser Fleck langsam von der Zentralmeridian Gegend mehr an den Rand des Planeten rückte, kam auf einmal auf der gegenüberliegenden Seite ein pechschwarzes Schattenscheibchen herein. Ah, das ist ein Mond in Transit, und wirft nun noch seinen Schatten auf Jupiter! Der Schatten löste sich langsam vom Rand, dafür wanderte der Mond nun gegen den Rand des Planeten zu und erschien im Kontrast zur Randabdunkelung als helleres Pünktchen. Bald darauf wurde der Mond zu einem hellen "Wimmerl" am Rand des Jupiter. Nachschau auf CalSky hat ergeben: es war Callisto, der für dieses Schauspiel gesorgt hat.

Jupiter Vergleichsbeobachtung mit einem FL-102

Am 18.3. 2016 ergab sich nochmals eine klare Nacht. Etwas milder, etwas trockenere Luft, dafür noch etwas helleres Mondlicht und dünne Wolken. 2 mag freisichtig. Für eine Jupiter Beobachtung reicht es aber auch so. Ich hatte rein zufällig ein Kundenteleskop hier liegen, einen äußerst interessanten Sparringpartner für den 4" ED Refraktor: Es ist ein FL-102 im Celestron Tubus. Also das was man beiläufig als Vixen Fluorite 102/920 kennt. Als Fokussierer ist ein Moonlite 2" Motorfokussierer dran, der allerdings seines Motors beraubt wurde, an dessen Stelle steckt der Griff eines Schaubendrehers. Zum Fokussieren verwendet man besser den verbliebenen Drehknopf des Fokussierers, der hat einen größeren Durchmesser, damit hat man etwas mehr Gefühl.

Der FL-102 mit Celestron Tubus, hier auf meiner ieq45, auf Jupiter gerichtet. Ganz allgemein: schwarze Teleskope sind bei Nacht sehr fotogen...

Ich hatte wieder mein 5 mm Monocentric im Okularauszug. Nun zum Jupiter, wie er sich im FL-102 darstellt: Die Wolkenbänder erscheinen braun, so wie ich es - um noch einen Refraktor ins Spiel zu bringen - von meinem eigenen 100/800 APM Triplet kenne, oder von meinem 5.7" f/6 Ceravolo Maksutov-Newton. Das Seeing war nicht ganz so gut wie in der vergangenen Nacht, aber es gab dennoch einige Momente, wo man sehen konnte: Die Optik will, sie könnte, wenn sie dürfte. Der GRF tauchte gerade am Rand auf, und drehte sich mit der Zeit herauf. Sonst einige Details in den Wolkenbändern, und blickweise feine Bänderung in den Polgegenden.

Die Jupitermonde waren etwas feinere Punkte als im Skywatcher ED, mit ebenfalls sichtbarem Beugungsring, der aber jeweils sehr fein und eher schwer wahrnehmbar war. Die Beugungsringe bisweilen flirrend, dann hat es wieder die Monde etwas "gerissen" und verdepscht. Jupiter selbst schwimmt auch hier in einem kaum mehr wahrnehmbaren, dunkelblau-violetten Halo. Was im Vergleich zum Skywatcher ED zu sagen ist: Die Farbkorrektur ist beim Fluorit sicher besser, ganz bringt auch dieser den Blaufehler nicht weg, er ist aber gut versteckt, noch ein bissl besser als beim ED. Der FL-102 darf sicher unter den Zweilinsern als Referenz Optik angesehen werden. Quasi die Eiche, an der sich die ED reiben dürfen...

Fazit

Im Endeffekt kann man sagen: Der 100/900 ED ist das Geld wert. Er liefert das, was unter den gegebenen Umständen möglich ist. Es entspricht genau genommen dem, was ich erwartet habe. Wichtig ist immer, Farbreinheit hin oder her, eine scharfe Optik. Dass man heute den Blaufehler versteckt und Blausaum tauscht gegen größeren Fehler im Roten, ist so praktisch bei vielen modernen ED Refraktoren anzutreffen. Dass ein zweilinsiges Objektiv, selbst mit dem Ohara FPL-53 Glas einem zweilinsigen Fluorit Objektiv unterlegen ist, muss man anerkennen. Letztlich sage ich zu keinem ED, nicht mal zu dem FL-102 "APO". Darunter stelle ich mir schon eine wirklich farbrein abbildende Optik vor. Den "Extraknick" in der Farbkorrekturkurve bekommt man eben nur mit einer dritten Linse hin. Wenn die Gläser noch günstig zueinander gewählt werden, ist ein wirklich farbrein abbildendes Objektiv möglich. Da nehme ich nochmals meinen eigenen hoch farbreinen 100/800 Triplet APO (eigentlich darf er sich Super-APO nennen) ins Spiel. Der zeigt einen Jupiter, wie ihn der FL-102 auch schafft, nur ohne den subtilen blau-violetten Halo. Es sei noch angemerkt, dass ein Triplet Objektiv allein als "Ausstattungsmerkmal" auch nicht Farbreinheit garantiert. Es muss einfach alles zusammen passen.

Howdii