Herkömmliche Guiding Lösungen sind immer Seeing behaftet. Wohl hat man bei den Einstellungen einen Paramter "min move" oder "tolerance" oder wie auch immer genannt. Hat man nur einen Leitstern, wird er duch die Luftunruhe mehr oder weniger deformiert abgebildet, und von Aufnahme zu Aufnahme der Guiding Kamera springt der Centroid, der Helligkeitsschwerpunkt, um einen gewissen Betrag. Über viele Aufnahmen kristallisiert sich so ein Streubereich heraus, in dem der Centroid erratisch hin und her hüpft. Das ist also der Bereich, den der Guider nicht versuchen soll, zu korrigieren. Allerdings, auch jede Korrektur, die durch Nachführfehler initiiiert wird, hat Seeing drauf, und somit korrigiert der Guider zu viel, zu wenig, oder auch in die falsche Richtung. Im Endeffekt führt dies zu eventuell deformierten Sternen, zumindest zu dickeren Sternen auf dem Foto.
Eine Lösung gegen die Seeing Fluktuationen bietet ein AO (adaptive optics) Device. Doch auch diese Sache hat einen Haken. Man braucht einen ausreichend hellen Leitstern, und muss mit wenigstens 30 Hz oder einer höheren Frequenz korrigieren. Es gibt noch einen anderen Ansatz, der etwas leichter umsetzbar ist. Nimmt man Anleihen bei der Planetenfotografie, da haben wir auch viele Aufnahmen, jede durch das Seeing mehr oder weniger verzerrt. Wir mitteln diese, um die Seeing Fluktuationen auszugleichen. So geht es mit einem Leitstern nicht. Aber, man kann mehrere Sterne im Feld der Guiderkamera nehmen, wobei jeder Stern für sich durch das Seeing verzerrt wird. Mittelt man nun etliche Sterne, bekommt man einen stabileren Centroiden. Damit kann man das Seeing zu einem guten Teil aus dem Guiding eliminieren. Rein nach der Theorie sollte dies feinere Sterne auf dem Astrofoto ergeben. Das Seeing ist manchmal extrem ekelhaft. Da wird der Leitstern nicht nur ein wenig hin und her geknetet, sondern pulsiert, wird mal größer mal kleiner auf dem Sensor abgebildet. Dagegen gibt es kaum eine Handhabe. Unter solchen Bedingungen wird man mit etwas aufgeblähten Sternen leben müssen, aber es wird immer noch besser als bei herkömmlichen Guiding Lösungen sein.
Mit einem Multistar Guiding ist der Lacerta MGEN 3 aufgetaucht. Ich war mit Andi in Diskussion darüber, auch eben über Multistar Guiding, und meinte, PHD2 wird wohl auch bald mit einer derartigen Lösungen da sein. Juxhalber sah ich nach, und prompt, gab es einen Developer Stand, bei dem man das Multistar Guiding als Option einschalten konnte. Ah, ja, das wäre schon eines Tests würdig. Andi hat sich diese Version gleich mal runtergeladen und schon ein bisschen damit experimentiert. Wir wollten es nochmals eingehender testen.
Danach ist schon etwas Zeit ins Land gezogen. Das Wetter hat auch nicht so mitgespielt wie man gerne hätte, und wenn andere Sachen zum Test anstehen, oder ich dienstlich unterwegs bin, dann hat das klar Vorrang. Nun aber hatte ich ein Kunden Set just zum Fototest hier. Eine Skywachter HEQ5, drauf einen Skywatcher 150/750 Newton. Ich hatte das Teleskop schon vorbereitet, als "Leitrohr" einen 8x50 Sucher. Auf Kundenwunsch hätte ich die ZWO ASI 120 Mini mono da gehabt, aber, aber, da braucht man einen Adapter um auf CS-Mount Anschluss zu kommen, und noch einen von CS-Mount auf T2. Ich hätte ohnehin ein anderes 50mm Leitrohr bestellen wollen, nur, wenn dieses nicht verfügbar ist, was soll man tun, dann muss ein 8x50 Sucher herhalten. Der Sucher kam in eine andere Halterung, damit er in weiterem Bereich verstellbar wäre, und auf die hintere Rohrschelle, damit das Teleskop nicht so kopflastig wird.
Die Testnacht war am 9. Mai anvisiert, nur der Wind könnte ein Problem sein. Untertags lebhaft bis stürmisch böiger Wind. Wenn er sich legen würde, mit leichtem Wind könnten wir klar kommen. Meinen Klotz von Auto quer in den Wind stellen, dicht dahinter aufbauen. Da der Wind aber in seiner Heftigkeitnicht nachließ , verlagerten wir den auf freiem Feld geplanten Test kurzerhand in meine Einfahrt. Hier hatten wir das Haus als Schutz gegen den Südoster. Dennoch, im verbauten Gebiet verwirbelt der Wind auch, und wird umgelenkt, kommt teilweise aus anderen Richtungen. Ich baute das Teleskop ohnehin etwas dichter am Haus auf als sonst bei meinen Tests. Es herrschte ständig leichter Wind, fallweise bekamen wir auch stärkere Windstöße ab. In den Bäumen rührte der Wind heftig und hörbar um.
Beim Versuch, die Guiderkamera zu fokussieren, liefen wir in ein Problem. Das Gewinde war schon aus, bevor ich den Fokus erreichen konnte. Nun, mit der 120 Mini geht es nicht. Ich hatte aber noch eine normale ZWO ASI 120 Farbkamera hier liegen. Also schnell diese her, und damit klappte es. Im Auszug ein zweilinsiger Komakorrektor und meine Canon 1000D dran Ein 3-Stern Alignment war nicht möglich, weil wir ja dicht am Haus standen, so musste ein 2-Stern Alignment reichen. Andi wollte die M52 Umgebung fotografieren, mit der Nova Cassiopeiae 2021. Als Guiding Software diente PHD2 mit Multistar Guiding. PHD2 muss man schon ein Weilchen laufen lassen, bis es sich einpendelt. Dann starteten wir die erste Aufnahme. Nach Ende der Aufnahmezeit leuchtete das Display der Kamera auf, das Bild war da. Es wollte aber nicht auf dem Notebook Bildschirm erscheinen. Wir hatten die Canon 1000D über APT am Wickel. Da hat's was. Neuer Versuch mit einer anderen Software zur Ansteuerung der Kamera, auch hier liefen wir nach einer Aufnahme auf Fehler. Irgendwas verhängt sich da auf der USB 2.0 Schnittstelle. Andi kam auf die Idee, die Canon DSLR über den USB 3.0 Port anzustecken - probieren kann man es ja. Und siehe da, so lief es glatt. Also konnten wir doch die kleine Serie von Aufnahmen anwerfen. Danach fuhren wir M81 an, und wollten noch einmal abdrücken. Schon was wir bei der schnellen Inspektion der Aufnahmen sahen, erstaunlich gut für die Bedingungen mit Wind. Das Seeing war nämlich gar nicht so schlecht. Nachfolgend beide Aufnahmen...
M52, Nova Cas 2021 und NGC 6735: 150/750 Newton auf HEQ5, Canon 1000D, 1x 2 min, ISO 800. PHD2 Multistar Guiding
In obiger Aufnahme ist der Sternhaufen M52 zu sehen, auch NGC 6735 (Bubble Nebula). Die Nova Cas 2021 bildet mit den beiden Objekten grob gesagt ein rechtwinkeliges Dreieck, wobei die Nova im 90° Winkel steht, sozusagen. Im Bildder helle Stern über der Linie von NGC 6735 zu M52, insgesamt der zweithellste Stern im Bild.
PHD2
Log Viewer, Guiding Ergebnis für das M52 Bild. Man muss bedenken,
M52 steht Anfang Mai sehr tief, Cassiopeia kommt gerade aus der unteren
Kulmination.
Man sieht auch, dass der Guider etliche stärkere
Windstöße parieren musste. Dafür ist der RMS Wert nicht
übel.
M81 und M82: 150/750 Newton auf HEQ5, Canon 1000D, 1x 5 min, ISO 800. PHD2 Multistar Guiding
Neben M81 und der "Zigarre" M82 finden sich auch zwei Satellitenspuren, schwach, aber sie sind drauf. Eine häufige Erscheinung in den Sommermonaten, wenn die Sonne nicht mehr sehr tief unter den Nordhorizont taucht.
PHD2 Log Viewer, Guiding Ergebnis für das M81/M82 Bild. Diese beiden Objekte stehen zu dieser Jahreszeit hoch am Himmel.
Da ist das Seeing naturgemäß besser, aber auch hier sieht man, dass der Guider mit dem Wind zu kämpfen hatte.
Am 11. Mai, die Nacht, vor der nächsten Front, die gerade noch den Osten Österreichs wolkenfrei ließ, standen wir nochmals in meiner Einfahrt. Untertags gab es wieder fast stürmischen Wind, doch dieses mal legte sich der Wind bis die Nacht herein brach. Wir standen dennoch wieder bei mir in der Einfahrt. Ich hatte nun einen Skywatcher 100/900 ED Refraktor im Test, auf meiner alten iOptron ieq45. Kaum Wind, dafür schlechteres Seeing als am 9. Mai. Verständlich, es war ein sommerlicher Tag, sehr warm, und durch die Abkühlung wurde eben das Seeing schlechter. Ganz zu Beginn, am Ende der Dämmerung war es ja noch etwas besser.
Andi wollte nun sehen, welchen Unterschied macht das Hakerl bei der Option Multistar im PHD2. Wir hatten neuerlich M52 im Feld mit der Nova Cas 2021. Erster Versuch ohne Multistar Guiding. Es war zu sehen, der Guider fuhrwerkt munter im Dec Spiel hin und her, auf der Aufnahme waren die Sterne letztlich in Dec verzogen. Jaja, so kenne ich es, die Dec Achse ist notorisch schwierig zu kontrollieren, wenn der Guider mal hin oder her korrigieren will. Es gäbe Abhilfe: die Drift Linien anzeigen lassen, dann sieht man in welche Richtung Dec Drift besteht, und man kann den Guider dann so einstellen, dass in Dec nur mehr in diese Richtung korrigiert wird. Aber ja. Dann mit Multistar Guiding: Welch ein Unterschied! Durch den stabileren Centroid des Leitsterns blieb der Guider in Dec im Zaum, und die Aufnahme gelang. Nachfolgend die Auswertungen:
Ohne Multistar Guiding: Man sieht, der Guider will in Dec in beide Richtungen korrigieren, fährt viel im Getriebespiel herum, und kommt so nicht zur Ruhe.
Mit Multistar Guiding sucht der Guider mal die Dec Drift Richtung und bleibt dann in dieser Achse stabil. Die Auslösung der Aufnahme (Spiegelschlag) ist als heftiger Spike zu sehen.
Fakt ist, mit Multistar Guiding bekommt man nicht nur feinere Sterne, auch die Dec Achse ist leichter zu kontrollieren. Heerscharen von Amateuren fürchten den RA Trackingfehler, der "Hund" sitzt meist aber in der Dec Achse, diese ist allgemein schwieriger zu beherrschen, speziell mit PHD, bzw. auch PHD2. Auch wenn der Dec Algorithmus auf "resist switch" steht, er tut's doch, und will mal hin, mal her. Man kann nur sagen: Multistar Guiding bringt's.
Howdii