Ein Ausflug in die Vergangenheit: Meade 2080

Kürzlich bekam ich ein Meade 8" Schmidt-Cassegrain Teleskop zur Inspektion. Dass es sich um ein älteres Modell handelt, konnte ich auf den ersten Blick erkennen. Jedoch war ich überrascht, wie alt das Teleskop ist, nachdem ich es genauer beäugt hatte. Wechselstromanschluss für die Nachführung? Halt, da steckt ein Synchronmotor drinnen - Urzeit! Richtig, meine Recherchen im Internet ergaben, dass es sich um ein Meade 2080 handelt, aus dem Bauzeitraum 1980 bis 1984, aus der ersten Serie der Meade 8" Schmidt-Cassegrain Teleskope. In diesem Sinne ist dieses Teleskop schon etwas Besonderes - ein wirklicher Ausflug in die Vergangenheit.

Testkandidat: ein Meade 2080 SC Teleskop
Die Stativbeine muss man erst auf 120° "aufteilen", damit man die Spreizplatte klemmen kann. Fest verschraubt wirkt der Unterbau aber stabil.

Was hat ein derartiges Teleskop damals gekostet? Was bekommt man heute um dieses Geld? Das ist schon einen Blick wert. Rund 30000 ATS, ein kleines Vermögen, musste man hinlegen für ein 8" SC, und wenn ich mich richtig erinnere, musste man bei Meade für das Stativ und die Polhöhenwiege damals extra zahlen. Heute bekommt man um 3000 Euro ein azimutal montiertes Instrument auf stabilem Dreibeinstativ, mit deutlich verbesserter Optik (ACF), mit GPS und Goto-Steuerung, dafür muss man eine Polhöhenwiege extra kaufen, so man eine braucht. Inflationsbereinigt bekommt man heute ein deutlich besser ausgestattetes Instrument, mit einem besseren Optik-Konzept, um weniger Geld als damals. Man sieht daran schon was sich getan hat, dass Teleskope heute leichter erschwinglich sind. 3000 Euro sind immer noch ein Haufen Geld, jedoch gab es damals nicht allzu viele Alternativen. Kleinere Vixen Teleskope z.B. waren damals auch sehr teuer. Heute gibt es aber um deutlich weniger Geld schon brauchbare Teleskope.

Aber nun genug damit, zurück zu dem besagten Meade 2080, das bei mir zur Inspektion  gelandet ist. Problem: es zeige keine scharfen Bilder. Das will schon eingehender ergründet werden, ob nur die Optik dejustiert ist, oder sonst ein schwerwiegender Fehler vorliegt. Startest ist angesagt.

Ein genauerer Blick auf Polhöhenwiege, Gabel und Tubus: Der 8x50 Sucher wurde nachgerüstet, original war damals ein 6x30 Sucher drauf.
Poljustierung geht eher nur "Daumen mal Pi", aber für ein rein visuelles Instrument, als das dieses Teleskop konzipiert war, reicht es.

Dort wo heute auf der horizontalen Basis eine Vertiefung ist, war wohl einst eine Libelle zu finden.
Wenn man genau hinschaut, sieht man den Tangentialarm Antrieb für die Feinverstellung der Deklinationsachse.
Polhöhenwiege und Gabel sind etwas "weich", das merkt man, wenn man bei hoher Vergrößerung den Tubus berührt - Schwingung hoher Amplitude und niederer Frequenz sind die Folge,
klingen aber rasch ab. Man kann damit leben.

Gleich am ersten Abend schien sich der Hochnebel lichten zu wollen - beim Blick aus dem Fenster sah ich zu meiner Überraschung Sterne, und flugs war ich draußen, stellte das 8" SC auf die Terrasse - aber wo sind da Sterne? Das war wohl nichts. Doch da, da schimmert Procyon durch, ha, den hol ich mir gleich! Erst einmal hatte ich den Fokussiertrieb gründlich verstellt, man stelle einmal scharf, wenn man nicht weiß warum man nichts sieht... Zumindest habe ich den Fokussiertrieb auf diese Art und Weise mehrfach den ganzen Weg durch gedreht, und dann klappte es doch, ein Stern im Okular - besser gesagt Koma, wie sie im Lehrbuch gezeigt wird. Uije, die Justierung war voll daneben. Mehr als diese erste Diagnose war nicht möglich, der Nebel hatte endgültig zugemacht, ich musste aufgeben.

Die folgenden Tage besserte sich das Wetter, ich hatte klare, trockene, windstille Nächte mit durchaus brauchbar gutem Seeing. Herz was willst du mehr, das sind ideale Testbedingungen. Bevor man im Startest irgend etwas beurteilen kann, muss die Optik erst einmal justiert sein. Das war also meine Aufgabe in den ersten regulären Nachtstunden, die ich diesem Teleskop widmen konnte. So einfach war die Sache gar nicht. Erst einmal war kein Unterschied zwischen Koma und Koma zu sehen. So verlegte ich mich darauf, den Stern durch den Justiervorgang ein größeres Stück in eine bestimmte Richtung zu bewegen, und auch in die entgegengesetzte Richtung, so kam ich der Sache näher. Nun sah es nur mehr wie eine stark dejustierte Optik aus, und von da weg war zielgerichtetes Arbeiten möglich. Nach einem Weilchen Schrauben drehen war es soweit, das sah schon vertrauenserweckender aus. In diesem Zustand beließ ich es einmal, besser als das, was ich erreicht hatte, habe ich kaum je ein SC Teleskop angetroffen. Also wollte ich ein paar Blicke beobachtender Weise durch das Teleskop riskieren, und einen Schnelltest führte ich noch durch. Kurz gesagt, ich war durchaus überrascht, dass dieses Teleskop feine Sterne zeigte, und fand auch bei schneller Inspektion der Beugungsbilder beiderseits des Fokus keine gar groben Dinge. Weitere Detailarbeit sparte ich mir für die kommende Nacht auf.

Die Justierung brauchte nur noch ein kleinwenig Feinschliff - genau vier kleine Drehungen an den Justierschrauben reichten, die vierte war nur notwendig, weil ich bei der dritten einen Hauch zu weit gegangen bin. Eine perfekt justierte Schmidt-Cassegrain Optik vor meinen Augen, ah, eine Wohltat! In der Folge sah ich dem Teleskop beim Austemperieren zu. Nur vier Grad waren es von der Lagerung zur Außentemperatur, und kaum fallende Temperatur während der Testzeit. Also thermisch eher noch günstige Umstände. Zu Beginn war schon sichtbar, dass es ordentlich "zugeht" im Tubus, später wurde es ruhiger, helle Sterne zeigten aber einen Lichtausbruch, da tat sich immer noch was. Nach zwei Stunden war soweit Ruhe eingekehrt, die Optik zeigte saubere, feine Sterne. Was mir aber gleich auffiel: Helle Sterne erzeugen auffällig starke Schmidt-Geister, und zudem sind helle Sterne von einem Streulichthof umgeben. Ersteres ist durch die Geometrie der Schmidtplatte und durch wohl nicht wirklich effektives Coating erklärbar (obwohl an der Rückseite des Tubus ein Schild mit der Aufschrift "Multi Coated" prangt). Letzteres bedarf genauerer Untersuchung.

Multi-Coating auf der Schmidtplatte? Mag sein. Ist "Fully multi coated" nicht etwas Besseres? ;-)

Die Beugungsbilder sehen intra- und extrafokal ziemlich gleich aus, zumindest bei nur mittelhoher Vergrößerung wirkt es so. Eine Optik gibt ihre Geheimisse aber erst Preis, wenn man mit ausreichend hoher Vergrößerung im Startest dran geht. Da sieht das Bild schon etwas differenzierter aus. Die sphärische Aberration abzuschätzen ist bei Schmidt-Cassegrain Teleskopen generell etwas heikel. Der Schatten des Sekundärspiegels kommt beim 2080 auf beiden Seiten des Fokus sofort, also demnach wäre die Optik sphärisch perfekt korrigiert. Dass es doch Unterschiede in den Beugungsbildern intra- / extrafokal gibt, weist neben sphärischer Aberration niederer Ordnung auf eine sphärische Aberration höherer Ordnung  hin. Durch letztere wird die sphärische Aberration niederer Ordnung etwas maskiert, die Abschätzung über gleiche Größe des Sekundärspiegelschattens und Distanz zum Fokus funktioniert dabei nicht einwandfrei. Ich musste mich auf andere Indizien stützen. Letztlich kam ich zu dem Schluss, die sphärische Aberration niederer Ordnung ist deutlich geringer als λ/4, Unterkorrektur, wirklich gut, und es liegt ein geringes Ausmaß an sphärische Aberration höherer Ordnung vor.

Das Fokussieren ist mit dem schwammigen Fokussiertrieb, der vorhandenen starken Spiegelverkippung, im Beisein sphärischer Aberration eine Gefühlssache. Freilich trägt auch die Fokustiefe einer f/10 Optik dazu bei. Man reitet auf einem Lichtzapfen dahin, wartet dass das Bild des Sternes schärfer würde, und dann geht auch schon wieder der Stern auseinander und der Sekundärspiegelschatten kommt zum Vorschein. Dazwischen den besten Kompromiss zu finden, bedarf meist mehrerer Versuche, wobei die letzte Fokussierbewegung immer so zu erfolgen hat, dass der Spiegel dabei nach oben bewegt wird. Wie üblich ist der Fokussierknopf dazu im Gegenuhrzeigersinn zu drehen. Andernfalls schleicht das Bild langsam aus dem Fokus.

Temporär war während der Auskühlphase leichte Verspannung feststellbar. Des weiteren stellte ich einen leichten Astigmatismus fest. Da die Luftschichtung im Tubus auch für merkbare Farbdispersion sorgt, lag einmal die Vermutung nahe, dass der Astigmatismus auch temporär auftritt und eben durch den Temperaturgradienten im Tubus bedingt ist. Am fokussierten Stern war jedenfalls keine Beeinträchtigung feststellbar.

Was mir auch auffiel: etwas Farbe ist im Spiel. Das intrafokale Beugungsbild war innen rötlich, außen hatte es einen zarten blauen Saum, extrafokal war innen deutlich Blau zu sehen, und außen ein roter Rand. Her mit den Farbfiltern. Mit Grünfilter fand ich etwa das vor, was ich bereits festgestellt hatte. Leichte Unterkorrektur (ich beziehe mich nur auf die "low-order" Sphärische Aberration), deutlich besser als λ/4. Mit einem dunkelroten Filter war die Korrektur so etwa genau auf  λ/4 hin zu schätzen, mit Blaufilter jedoch erheblich schlechter. Aha, wenn's im Blauen schon so schlecht ist, dann kann man sich vorstellen, wohin die Korrektur im Violetten geht, und das sieht das Auge sehr wohl noch, als Streulichthof. Diese Höfe um helle Sterne sehen fast farblos aus, man muss den leichten Violett Einschlag schon "suchen".

Damit war die Sache soweit einmal ausgereizt. Jedoch bringt eine Beobachtung mit einem Teleskop oft noch weitere Erkenntnisse. Die nächste Nacht war wieder klar, mit ähnlichen Bedingungen, von der Durchsicht sogar etwas besser. Ich stellte das Teleskop dieses mal schon in der Dämmerung hinaus. Erst nach drei Stunden begann ich mit meinen Beobachtungen. Da sah ich, dass die Optik schon soweit austemperiert war, ich wurde mit feinen Sternen belohnt, jedoch sah ich sehr wohl noch Luftschichtung im Tubus. Der Astigmatismus war schwächer ausgeprägt als in der Startest Nacht, Verspannung konnte ich dieses mal nicht feststellen. Also ganz klar, da handelt es sich um temporäre Effekte. Der Astigmatismus variiert einfach, kann unter Umständen stärker ausgeprägt sein, bei hinreichend austemperiertem Teleskop spielt er in der Praxis keine Rolle.

Spartanisch: keine elektrische Feinverstellung, alles manuell, auch "Goto" - über die Teilkreise. Das war damals so.

Nun ging es ans wirkliche Beobachten. Erstes Ziel: Eskimonebel. Bei 200x gar nicht übel: Zentralstern, helle innere "Scheibe", schwache äußere Hülle, mit Pelzkragen in der Kapuze. Weiter ging es zum Weihnachtsbaum-Haufen. Immerhin war Nebel um den Stern S Mon zu sehen, auch die Spitze des Weihnachtsbaumes zeigte etwas Nebel, freilich, für die Sichtung des Konusnebel reichte es nicht - vom Mistelbacher Stadtgebiet aus. Wenn schon in dieser Gegend, darf ein Blick auf Hubbles Variablen Nebel nicht fehlen - wunderbar zu sehen. Der Sternhaufen M48 ist fast schon ein bissl zu locker verstreut, um ordentlich etwas herzugeben bei 90x (mit dem 22 mm Panoptic Okular). Jupiters Geist war auch einen Blick wert, tief im Süden. Da unten war das Seeing aber nicht so toll, was sich sofort in dickeren, etwas matschigen Sternen bemerkbar machte. Daher beließ ich es bei dem deutlich grünlichen "Knödel" und versuchte gar nicht, höher zu vergrößern.

Knapp vor 22 Uhr ließ ich das Teleskop Teleskop sein, und betrachtete den Osthimmel - ob ich das Abschalten der M-City Außenbeleuchtung sehen würde. Und ob! Der ganze Osthimmel war mit einem Schlag deutlich dunkler! Nun war es also vielleicht gut genug für Galaxien? M65 und M66 waren recht schön zu sehen, die dritte Galaxie des Leo Triplets, NGC 3628, konnte ich aber eher nur erahnen. Da war einfach die Vergrößerung von 90x zu hoch, und der Himmel zu hell. M51 gab dafür durchaus was her, stand ja auch hoch am Himmel. Da konnte ich eindeutig Spiralstruktur erkennen. Mein letztes Objekt war M3, bei 90x schon indirekt aufgelöst in viele feine Sterne, ein bezaubernder Anblick. Da ich auf Saturn noch warten musste, ging ich kurzerhand ins Haus um mich aufzuwärmen. Gegen 23:30 probierte ich es: Saturn stand zu dieser Zeit etwa 30° hoch im Südosten. Das Bild schaukelte erwas, "leichter Seegang", klar, da unten ist das Seeing noch nicht so gut, aber es gab immer wieder ruhigere Augenblicke. Na gar nicht übel! Cassini Teilung in den Ansen, C-Ring, das Wolkenband auf der Saturnkugel schön kontrastreich, aber auch ein bissl Farbdispersion war immer noch dabei, zarte rote und blaue Ranftln von der Restthermik im Teleskoptubus.

Zwei Tage später war mir noch ein Blick auf den zunehmenden Mond vergönnt. Auch da wurde ich mit scharfen und kontrastreichen Bildern belohnt. Alles in Allem, ich bin nicht gerade als Fan von Schmidt-Cassegrain Teleskopen bekannt, hatte ich mit diesem Teleskop doch meinen Spaß bei der Beobachtung. Wenn man von den Streulichthöfen um helle Sterne und den Schmidt-Geistern absieht, liefert es eine überzeugende Kontrastleistung bei Deepsky-Beobachtungen, und macht auch bei Mond- und Planetenbeobachtung keine schlechte Figur.

Wenn ich einen Vergleich mit jüngeren SC Optiken ziehen darf: Ich habe ja auch in Walters ehemaliges LX100 öfter reingeguckt. Intra-/extrafokal so viel Farbe habe ich nicht in Erinnerung, wenn ich überhaupt wo Farbe gesehen habe. Offaxis Koma hatten alle, aber deutlich weniger als mein Testkandidat. Hier nimmt die Koma Ausmaße wie bei einem schnellen Newton an, wodurch das Teleskop auch immer pipifein justiert sein sollte.. Und Geisterbilder sind mir in einem SC so deutlich vorher auch niemals aufgefallen, wobei ich doch schon einige im Startest gesehen habe. Das lässt eine Vermutung über das Design der ersten Meade Schmidt-Cassegrain Optiken zu. Nicht nur an der Vergütung, auch an der Schmidtplatte und am Sekundärspiegel wurde in später gebauten Teleskopen etwas geändert. Leider blieb allzu oft dafür die Kontrastleistung auf der Strecke. Die neuen, jetzt als ACF bezeichneten Optiken lass ich da einmal aus dem Spiel, das ist ein anderes Kapitel.

Fazit: Obwohl mein Testkandidat etliche "Unarten" optischer Natur hat, macht er einiges wieder wett durch die gute Kontrastleistung und Schärfe auf der Achse. Wenn man das Gerät so verwendet, dass man seine Stärken nützt, liefert es eine feine Performance. Immerhin ist bei mir das erste Mal so etwas wie Begeisterung über ein SC Teleskop entstanden, und das will schon etwas heißen. Ich bin vielleicht auch deswegen etwas nachsichtig gegenüber den Schwächen, weil es einfach ein Teleskop aus einer Zeit ist, wo ich mir alle zehn Finger dafür abgeleckt hätte, hätte ich so eines haben können...

Howdii