Die Sonne ist ein durchaus interessantes Beobachtungsobjekt. Im Weißlicht sehen wir die Photosphäre: Sonnenflecken - die Umbra und Penumbra, in der Randabdunklung der Sonne Fackeln, und bei höherer Vergrößerung ist die Granulation zu erkennen. Wer das ein paar Mal gesehen hat, hat vielleicht auch schnell wieder genug davon. Höchstens wenn viel los ist mit den Sonnenflecken, dass Weißlicht Beobachtung mehr Spaß bereitet.
Ganz anders ist die Sonnenbeobachtung im H-Alpha Licht. Hier beobachten wir die Chromosphäre, und sehen Protuberanzen. Da kann man der Sonne wirklich "bei der Arbeit" zusehen, sie ist ein wildes Biest. Am besten eignen sich dafür spezielle H-Alpha Sonnenteleskope, weil sie für genau diesen Anwendungsbereich optimiert sind. Was bringt dann noch ein Double-Stack H-Alpha Filter (optional erhältlich)? Für die Protuberanzen nichts, aber die Details der Chromosphäre sind es, deutlich mehr Kontrast, so gesehen ist der Double-Stack mit der geringeren Halbwertsbreite (<0.45 Ångström) "das Salz in der Suppe". Der Aufpreis allerdings geschmalzen.
Testgegenstand ist hier der Lunt LS60THa mit dem größeren B1200 Blockingfilter. Mit dem kleineren B600 Blockingfilter und dem Etalon Kippsystem wäre er die günstigste 60mm Variante. Der B1200 ist aber durchaus anzuraten, auch wenn es nur um rein visuelle Beobachtung geht. Mit dem Blockingfilter hat man nichts zu schaffen, er ist fix im Zenitspiegel verbaut. Das Etalon Kippsystem ist einfacher handhabbar als das Lunt Pressure-Tuner System, aber hat auch seine Meriten. Es gibt generell eine Einstellung für das Auge, wo man Protuberanzen und Chromosphärendetails gleichermaßen sieht. Es gibt eine Einstellung, in der man die Protuberanzen besser sieht, es gibt eine Einstellung, in der man die Chromosphäre besser sieht. Das gilt prinzipiell für beide. Generell wird man aber meist die Zwischenstellung wählen, weil viel bringen die Spezialpositionen auch nicht. In diesem Sinn, beim Kippsystem stellt man den Etalon einmal ein, dann passt das, und man braucht beim nächsten Mal nur ordentlich fokussieren, fertig. Der Pressure-Tuner will jedes mal eingestellt werden, man kann aber so ganz optimal auf die H-Alpha Linie einstellen, bei geringerer Halbwertsbreite (<0.7 Ångström, während das Kippsystem nur 0.75 Ångström schafft). Der Unterschied wird für die meisten Anwender kaum zu merken sein. Der Crayford Fokussierer des Lunt 60mm HA Teleskops bietet ein Untersetzung, was speziell bei der Fotografie eine große Hilfe ist.
Visueller Einsatz des Lunt 60mm HA Sonnenteleskops, hier auf der iOptron ieq45
Am 27. Juli 2018 hatte ich erstmals Gelegenheit, die Sonne visuell mit dem 60mm HA Teleskop zu beobachten. Es war mehr oder weniger bewölkt, ich hatte aber immer wieder sonnige Abschnitte. Ich wollte prinzipiell mal antesten. Einen speziellen Sonnensucher, der hilft, die Sonne rasch zu finden, bietet Lunt nicht im Lieferumfang. So etwas gibt es als Zubehör. Wie findet man also anderweitig die Sonne? Man richte schlicht das Teleskop ungefähr Richtung Sonne aus, beobachte den Schattenwurf des Teleskops am Boden. Dann sieht man auch den Schatten am Teleskoptubus längs sich erstrecken, und wenn der Teleskoptubus selbst im Schatten liegt, nur noch den Schattenwurf am Boden durch leichtes Bewegen des Teleskops auf kleinste Ausdehnung bringen. Dann kann man einen Blick ins Okular werfen. Die Sonne sollte zumindest schon ins Bildfeld gucken, oder ist sie nur knapp daneben zu finden. Man fängt ja mal bei einer niedrigen Vergrößerung an. Die Montierung war zwar "bestromt", aber kein Tracking. Ich musste selbst Knöpfchen drücken, um der Sonne zu folgen.
Erstes Problem mit dem HA Teleskop: Ich krieg die Sonne nicht scharf. Da fehlt noch viel, und der Fokussierweg ist am Ende. Hm, Verlängerungshülse holen? Ups, das ist aber nur eine 1.25" Okularaufnahme. Also nahm ich mal den Zenitspiegel heraus, und siehe da, er hat einen sehr langen Hals. Man klemmt ihn halt etwas herausgezogen, dann kann man auch fokussieren. Erst mal galt es den perfekten Fokus zu finden, dann den Etalon entsprechend einzustellen. Hoi! Etliche Protuberanzen, und auch Chromosphärenstrukturen! Das geht schon! Bei höherer Vergrößerung aber ein zappeliges Bild. Ja, schlechtes Seeing gibt es auch untertags...
Hier steckt die ZWO ASI 120MC im Fokussierer
Wenn man eine Kamera verwendet, muss man erst mal die korrekte Belichtungszeit und Gain Einstellung finden. Entweder man geht auf die Chromosphäre, oder auf die Protuberanzen. Im letzteren Fall ist die Chromosphäre dann total überbelichtet. Fotos, die beides in einem zeigen, sind sozusagen Fake. Das menschliche Auge kann diesen Kontrastumfang bewältigen, eine Kamera nicht. Ein solches Bild ist also eine Montage aus zwei Einzelbildern, die jeweils Chromosphäre bzw. Protuberanzen abbilden.
Die Sonne im H-Alpha Licht (Chromosphäre)
Und was ist mit Protuberanzen? Dazu mussten wir den Gain rauf fahren, und die Belichtungszeit auch etwas erhöhen (die Chromosphäre ist natürlich nun überbelichtet). Dann bekamen wir das auf den Bildschirm:
Protuberanzen im
Livebild der Kamera (Bildschirm via Smartphone fotografiert)
Da ist einiges los! Wir fuhren den Sonnenrand mal ab, rundum fanden wir Protuberanzen. Wir nahmen nun meine 2x Celestron Ultima Barlow vor die Kamera, und gingen einzeln auf die Dinger drauf.
Natürlich zieht man hier wie bei der Planetenfotografie Filmchen. Die Bearbeitung erfolgt dann ebenso. Registax kennt den Codec nicht (oh Wunder...), das Stacking wurde via AutoStakkert erledigt, die Wavelet Schärfung mit Registax.
Wenn man die Filmchen abspielt, ist auch da viel Gezappel zu sehen. Das Seeing war nicht wirklich besser als bei meiner visuellen Beobachtung. Egal wie, nachfolgend die interessantesten Protuberanzen, nach Stacking und Wavelet Schärfung.
Eine "Bäumchen" Protuberanz, war auch visuell grazil
Diese Protuberanz sieht aus wie ein Lagerfeuer
Sicher, man könnte die Bilder noch etwas schärfen, aber greift man aggressiver an, kann man schnell auch das Pixelmuster des Sensors "herbeirufen". Die Kameratemperatur wurde zu Beginn unserer Session mit 38° C geloggt, beim letzten Filmchen lag sie bereits bei 41° C. Das Teleskop selbst nimmt die Sonne frontal, aber die Kamera liegt halt hübsch im Sonnenlicht und heizt sich so auf. Entweder eine gekühlte Kamera verwenden, oder dem Teleskop, wenn es mal auf die Sonne ausgerichtet ist, einen Schattenspender aufsetzen. Beides verbinden, wäre optimal, weil, auch eine Kühlung muss man nicht mutwillig gegen die Sonneneinstrahlung antreten lassen.
Sonnenbeobachtung in H-Alpha Licht ist eine nette Sache, aber recht teuer. Es tut sich etwas, man kann zusehen, speziell die Protuberanzen zeigen sich schon wieder anders, wenn man einige Zeit später nochmals schaut. Und es braucht nicht arg so viel Zeit, auch in nur einer starken Viertelstunde hat man schon etwas gesehen. Wenn man fotografisch ran will, das bedeutet natürlich mehr Aufwand. Der Lunt LS60THa mit dem B1200 Blockingfilter ist ein feines Spielzeug. Man kann es drehen und wenden wie man will - im H-Alpha Licht gibt die Sonne so viel mehr her als im Weißlicht, dass sich der Spaß durchaus lohnt - so man über das nötige Kleingeld verfügt. Wer die Sache noch mehr ausreizen will, sollte zu der Variante mit dem Pressure-Tuner System greifen.
Howdii