Altes Pferd neu aufgezäumt


Ein ehemaliger 8" f/4.5 Bresser Newton wird zum 8" f/4.4 Foto-Newton

Es war einmal - so fangen alle Märchen an. Dies ist kein Märchen, aber eine fast unendliche Geschichte, die doch noch zu einem guten Ende gefunden hat. Vor vielen Jahren überließ mir ein Kunde einen alten 8" Bresser Newton, genau genommen 203/900, so ist er angegeben auf dem Aufkleber. Der mache eine recht schöne Abbildung, wurde mir mit auf den Weg gegeben. Nun, lange stand das Ding herum, ein Scharnier an einer der Rohrschellen war gebrochen. Der Fokussierer ein sonderbares Ding, schaut fast aus wie 2", ist aber nur ein 1.25", aus Plastik, ein großer Fangspiegel ist verbaut, der Fokus auch irgendwo weit draußen über dem Tubus. Nicht Fleisch, nicht Fisch. Was soll man damit tun. Nachdem ich mir den Newton doch mal näher angeschaut habe, gefiel mir zumindest die mechanische Struktur. Der Tubus aus 1 mm Stahlblech, merkt man schon am Gewicht. Und das Rohr nicht gefalzt, wie man es üblicherweise vorfindet, sondern geschweisst! Spinne und Fangspiegelhalter wirkten vertrauenserweckend stabil, und die Justierschrauben für den Hauptspiegel auch. Also die Struktur war durchaus interessant. Somit reifte der Gedanke, es soll ein Fotonewton draus werden. Gedacht war, einen brauchbaren Fokussierer drauf, ein bissl herrichten und passt schon.

Der alte Bresser Newton im Originalzustand, hier auf meiner iOptron ieq45

Hätte das eigentlich ein Foto-Newton sein wollen? Der Fokus weit draußen, ein 70 mm Fangspiegel drinnen. Ein erster Test sollte es zeigen. DSLR irgendwie dran würgen, nur: In den Fokus kommen wir nicht. Da fehlt was. Also schraubte ich den Hauptspiegel mit den zum Glück langen Justierschrauben so weit geht nach vorn, und siehe da, so kamen wir grad noch in den Fokus. Ein anderer Fokussierer sollte dieses Problem eh lösen. Die Abbildung gefiel nicht. Astigmatismus, und was für einer, da war gleich mal der Fangspiegel in Verdacht. Bresser und Newton Fangspiegel, Astigmatismus fast vorprogrammiert, kein Wunder, so wie es gefertigt ist.

Umbau Start

Erst war das gebrochene Scharnier zu reparieren. Dafür verwendete ich Zweikomponentenkleber, und es hat auch seither gehalten. Dann stand das Ding wieder herum, ohne Abnehmer hatte ich sozusagen keinen Biss, anzupacken. Ich erzählte beiläufig einem Kunden davon, und dieser bekundete Interesse. Das war der Startschuss zum eigentlichen Umbau. Also wurde ein Lacerta Ocoto54mic Fokussierer angeschafft, es ist ein umgebauter Skywatcher Fokussierer, 8-fach gelagert. Als Komakorrektor wurde der Baader MPCC Mk III auserwählt. Also wenn schon, ned wirklich kleckern.

Als ich diesen Plastik Fokussierer abbaute, musste ich feststellen, der Octo54 wird da nicht so ohne weiteres drauf passen. Erst war das Loch für den Fokussierer auszuweiten, und auch neue Löcher für die Montage der Basis zu bohren. Ich hielt mich symmetrisch zu dem vorhandenen Loch, so konnte ich auch die ehemaligen Bohrungen zur Befestigung des Fokussierers hinter der Basis des neuen Fokussierers verstecken. Auch den Bresser-typischen Sucherschuh montierte ich ab, und montierte eine stabile Klemme für heute übliche Sucher. Der Sucher soll ja auch als Leitrohr für den Autoguider dienen.

Hier ist die neue Basis für den Fokussierer bereits montiert, und bei dieser Gelegenheit wurde auch der Bresser Sucherschuh durch einen solchen ersetzt, damit man normale 8x50 Sucher verwenden kann

Als nächste Aktion ging ich die Innenschwärzung an, es gibt da eine spezielle Antireflexfarbe, diese wirkt im Auflicht zwar eher grau als schwarz, ist aber bei streifendem Licht sehr stumpf. Mit dieser wurde der Tubus innen komplett ausgepinselt.

Der neue Fokussierer ist montiert, der Tubus innen neu geschwärzt, die Spinne mitsamt Fangspiegel war für diese Arbeiten natürlich ausgebaut

Der Fangspiegel war, wie bei Bresser üblich, vollflächig auf den Halter geklebt. Dazu noch mit einer sehr schmalen Klebefuge. Was ich über diese Art der Fangspiegelmontage gelernt habe: Die Chance ist 50/50, ob das funktioniert oder nicht. Wir hatten starken Astigmatismus, der Fangspiegel war eben sofort unter Verdacht. Wäre ja keine Seltentheit, grad bei Bresser... Somit, Fangspiegel vom Halter trennen, Spiegel und Halter vom Kleber säubern und den Fangspiegel neu mit drei Silikonpunkten aufkleben. Diese Kur hilft üblicherweise, so habe ich auch schon einige dieser Fangspiegel vom Astigmatismus befreit.

Die Spinne mit dem Fangspiegel wurde wieder eingebaut. Der Hauptspiegel wurde gereinigt und bekam eine neue Mittenmarkierung, und wurde anschließend wieder eingebaut. Die Bresser Profilschiene des Newton musste einer 3" Prismenschiene weichen, und oben drauf, zur Stabilisierung, auch als Griff dienend, kam eine Flachschiene. Da ein Newton mit den Offaxis-Massen von Fokussierer mit Kamera und Sucher schwierig zu balancieren ist, montierte ich hinten diametral dazu eine Schiene für ein Kontergewicht.

Der gereinigte Hauptspiegel mit neuer Mittenmarkierung

Die 3" Prismenschiene ist montiert, unten am Tubus sieht man die Schiene mit Klemme für das Kontergewicht

Die Aluschiene oben, zur Stabilisierung der Rohrschellen, dient gleichzeitig als Griff

Dicker Spike, Astigmatismus, "Zwetschke" - langwierige Fehlersuche

Also soweit sollte der Newton fertig sein, dachte ich. Optik justieren, raus zu einem Foto-Test. Sonderbare Abbildung. helle Sterne hatten einen "Stiel", einen fetten Spike, der die Spikes von der Spinne in einer Richtung überlagert. Hm? Was soll das? Rätseln war angesagt. Ich hatte bald den Fangspiegelhalter im Verdacht. Da steht eine der drei Rippen so keck in der vollen Länge des Halters, dass die prinzipiell in den Strahlengang ragen kann. Da war harte Arbeit angesagt. Mit Eisensäge und Feile rückte ich dem Fangspiegelhalter zu Leibe.

Danach wurde alles neu geschwärzt und eingebaut. Auf zu einem neuen Test. Doch, die Sterne zeigten im Startest immer noch einen starken Astigmatismus. Habe ich den Fangspiegel so schlecht geklebt? Vielleicht ist ja der Fangspiegel selbst astigmatisch? Her mit einem neuen, aufgeklebt, und neuer Test. Folge: keine Änderung, immer noch starker Astigmatismus. Häh? Bin ich jetzt zu blöd, einen Fangspiegel mit drei Silikonpatzen aufzukleben? Das gibt's doch nicht.

Jetzt wollte ich es wissen: Fangspiegel abgekletzelt, und neu aufgeklebt, aber nur mittig mit einem größeren Patzen Silikon. Also da kann nichts verspannen. Aber - im Startest immer noch dieser Astigmatismus, eine "Zwetschkenform" im defokussierten Beugungsbild. Ich hatte es als Verspannung gedeutet. Mich befiel eine Ahnung... Ich baute schnell die Hauptspiegelfassung ab, drehte den Spiegel in der Fassung, baute die Fassung wieder an - das Teleskop blieb dabei auf der Montierung, das war also "Nachtarbeit". Meine Befürchtung bewahrheitete sich - die "Zwetschke" war nun in der Orientierung verändert. Da haben wir es: Der Hauptspiegel hat eine interne Verspannung - der hat offensichtlich die Annealing Phase nicht mitbekommen. Schöne Bescherung. Lange Suche, Übeltäter endlich gefunden. Gut, die "Nase" des Fangspiegelhalters zu "zähmen" war sicher nicht für die Katz'. Der neue Fangspiegel schadet auch nicht, 94% Verspiegelung gab es zur Zeit der Herstellung des Bresser Newton in dieser Preisklasse sicher nicht. Aber nun stand die Arbeit einmal still.

Neuer Hauptspiegel? Fail. Die unendliche Geschichte geht weiter

Was tun? Wo kriegen wir einen anderen 8" f/4.5 Spiegel her? Nirgendwo zu finden - 800er und 1000er zu Hauf. Aber 900er? Es wäre da einer aus UK. Um deren Spiegel gibt es einiges Gerede. Sollen wir uns trauen, so einen zu nehmen? Eh einen besseren, "Research Grade", lamda/8, laut Angebot. Wenn wir nur die Hälfte glauben, hätt' er's tun sollen. Der Spiegel kam, und war schon mal im Durchmesser kleiner und dünner als der Bresser Originalspiegel. Also musste ich erst die Hauptspiegelfassung adaptieren. Sonst sollte ja alles passen. Raus zum Startest. Jessasna, was ist das für eine Scherbe! Turned Edge, rauh wie ein Reibeisen, im Ronchi Okular sieht man regelrecht die Polierstriche. Und, die Brennweite um gut 2 cm zu kurz. Fokuslage hat nicht gepasst, ich habe wiederum tricksen müssen, um einen Fototest durchführen zu können. Fotografisch zeigte die vernudelte Kante gleich mal kräftig Streulicht um helle Sterne, und das bei eh nur kurzer Belichtungszeit. Keine Frage, die Performance dieses Spiegels ist inakzeptabel. Zurück damit.

Und damit war die Lage festgefahren. Die Luft war irgendwie raus. Ich ventilierte, meinen uralten GSO 8" f/4 zu schlachten, der Tubus mit allem Drum und Dran ist eh noch ein recht grobes Frühwerk, so nicht brauchbar. Den Hauptspiegel könnte man nehmen, der ist einwandfrei. Dazu müsste ich schon den Tubus des Bresser Newton um ein hübsches Stück kürzen. Ganz wohl war mir nicht bei dem Gedanken, einen f/4 draus zu machen, das verschiebt doch Schwerpunkt und alles, nicht dass mir am Ende die Rohrschellen in den Fokussierer rein wachsen...  Also solche Entscheidungen müssen in mir reifen, und das kann länger dauern. Sicher könnte man auf f/4 umbauen, jedoch nicht ohne größeren Aufwand. Am Ende hätt' es ja vielleicht sein müssen. Gibt es doch eine andere Lösung?

Organspender gesucht

Mein Kunde hielt selbst auch Ausschau, es gab die Hoffnung, einen gebrauchten Newton mit einem 900er Spiegel wo zu finden, zum Schlachten. So ergab sich eine Sache, die unglaublich beginnt und noch unglaublicher enden sollte. Mein Kunde trieb tatsächlich einen alten Newton auf, es sah aus als wenn es eh ein 8" 900er sein könnte. Bei der Abholung befand sich das Teleskop auf einer relativ kleinen, für den Newton sicher unterdimensionierten Montierung, war verkehrt rum aufgesetzt, Spiegel oben, Fokussierer unten, und Gegengewichte waren nicht mal dran. Eine der Rohrschellen gebrochen. Der Spiegel sah komplett versifft aus, eine Spinne hatte sich's im Tubus gemütlich gemacht, in Gesellschaft der Fangspiegelspinne. Gut, der ganze Krempel sollte grad mal 20 Euro kosten, da kann im Fall des Falles nicht allzuviel verloren sein. 

Den Newton bekamt ich bei nächstbester Gelegenheit in die Hände. Also DAS ist ein "Möbel" besonderer Art. Mir dämmerte, so etwas ähnliches von Teleskop Verhau hatte ich schon einmal in der Hand, vor vielen, vielen Jahren. Was aufgefallen ist: Der Tubus ist im Vergleich zum Bresser sehr knapp dimensioniert. Es ist ein großer Fangspiegel drinnen, sah nach 75mm aus, zumindest mit Fassung. Wie sich's später herausstellte, auch nur ein 70er. Und der Fokussierer, ein Unikat, wahrlich. Der Fokus weiß ich wie weit über dem Tubus, dennoch ragt das Auszugrohr sehr, sehr weit in den Tubus hinein. Keine Frage, dieses Teleskop ist ein Werk frühzeitlicher chinesischer Teleskopbaukunst. Was uns vom CERN vor geraumer Zeit als Nachricht erreichte: es sei ein Hinweis gefunden worden, dass Photonen mit Photonen kollidieren könnten. Aber diese Erkenntnis hatten die Erbauer dieses Teleskops wohl schon damals, vor Jahrzehnten. Es muss einen Grund geben, warum man das Licht, das vom Fangspiegel in den Auszug Richtung Okular gespiegelt wird, gleich direkt in das Auszugrohr "einfüllen" wollte, ohne dass es mit quer dazu verlaufendem Licht in Kontakt kommen könnte. Einerlei, was für uns interessant war: Wenn man ein Maßband anlegt und abschätzt, das könnte ein 900er Hauptspiegel sein.

Der Okularauszug des Spender-Newton. Man beachte, wie weit das Auszugrohr in den Tubus ragt

Erst entfernte ich die eh schon verendete Spinne (in einem Teleskop gibt es nichts zu Essen) samt ihren Fäden aus dem Tubus, dann justierte ich die Optik provisorisch für einen Test. Ich montierte schnell eine Prismenschiene und verarztete die gebrochene Rohrschelle kurzerhand mit Klebeband. Rauf mit dem Tubus auf die Montierung. Erster Blick ins Okular: oh, das sind durchaus feine Sterne! Startest: Keine Spur von Astigmatismus oder Pinching, saubere, einwandfreie Abbildung! Überraschung: Der Hauptspiegel erwies sich sogar als sehr gut korrigiert! Also das war hoch erfreulich! Somit hatten wir einen Spender-Newton, und wenn man die 20 Euro für den Hauptspiegel allein rechnet, ist es noch ein Schnäppchen. 

Endlich, ein passender Spiegel, weitere Optimierungen

Somit wurde der Spiegel aus dem Spender-Newton ausgebaut, um die Brennweite zu bestimmen. Ich kam auf 880 mm. Und siehe da, auf einmal konnte ich die Hieroglyphen auf der Seite des Spiegels entziffern, das soll "f44" heißen. Somit hatte ich eine Bestätigung. Der Spiegel war mit 200 mm im Durchmesser etwas kleiner als der alte Bresser Hauptspiegel, daher musste ich erst die Zelle modifizieren, um den Spiegel einpassen und perfekt zentrieren zu können. Der Spiegel war auch deutlich dünner, somit waren auch die Klammern, die den Spiegel vor dem Herausfallen sichern, wenn man den Tubus auf den Kopf stellt, zu modifizieren. Zelle ist eigentlich ein bissl nobel ausgedrückt. Ich muss da mal ein paar Worte spendieren. Bei all diesen preiswerten Newton gibt es nicht einmal eine korrekte Dreipunkt-Auflage. Der Spiegel liegt bei allen mit dem Rand rundum auf der Fassung auf. Bestenfalls gibt es dort drei Korkplattl. Die meisten Spiegel sind eh so dick im Verhältnis zum Durchmesser, dass es schlicht egal ist.

Beim Bresser Newton war die Zelle hinten geschlossen. Eine Plastikplatte war dort eingeklebt. Irgendwer hat eine Schaumstoffmatte untergelegt, und somit den Spiegel von der Auflage an der Kante "befreit". Das mag der Vorbesitzer gemacht haben. Aber ganz ehrlich, der Bresser Spiegel ist ein ordentlicher Brocken, der würde sich nicht verformen, nur weil er auf der Kante aufliegt. Die Verspannung ist bei dem im Spiegel drin. Ich habe daher mal diese Plastikplatte raus gerissen, um dem Spiegel Luft zu verschaffen.

Die Unterseite des Spender-Spiegels ist ein bissl merkwürdig: Konzentrische Rillen, und die Kante ist rund. Der Spiegel wäre gerade mit der abgerundeten Kante aufgelegen, das hat mir nicht gefallen. Und da dieser Spiegel auch ziemlich dünn ist, musste die Plastikplatte, die einst unter dem Spiegel drin war, wieder rein. Auch dieses Stück Schaumstoffmatte, die unter dem ehemaligen Hauptspiegel lag, legte ich wieder ein, um den Spiegel ein bissl höher zu bekommen. Es handelt sich somit um eine Zelle mit Hunderttausendpunkt-Auflage... 

Ich hatte einen 90 mm Ventilator seit fast ewig da liegen. Es war irgendwie ein aufgelegter Elfer, den Lüfter hinten dran zu bauen, um den Spiegel so mit Luft zu befächeln. Somit bohrte ich erst acht 20 mm Löcher im Bereich der Ventilator Flügel, durch die der Lüfter Richtung Spiegel blasen kann. Einen vollen Kreis wollte ich nicht ausschneiden, um die Stabilität dieser Platte nicht zu sehr zu beeinträchtigen. Natürlich braucht es auch Befestigungslöcher, um den Lüfter montieren zu können. Damit die Luft auch wieder wo raus kann, bohrte ich rund um den Lüfter eben so viele Löcher von 20 mm Durchmesser. Eintrittsfläche ist gleich Austrittsfläche. Test: Der Luftstrom wird durch die Schaummatte etwas gebremst, verteilt sich über die Unterseite des Spiegels, und durch die Abzugslöcher, die ich geschaffen habe, kommt tatsächlich Luft auch wieder heraus. Ein Teil geht auch seitlich raus aus der Zelle, in den Tubus, so wird der Spiegel auch von der Seite mit Luft umfächelt. Diese Art von Lüftung, etwas sonderbar anmutend, hat sich als durchaus effektiv erwiesen.

Das hintere Ende des Tubus. Man sieht hier die Justierschrauben und Konterschrauben für den Hauptspiegel, den Ventilator und die Luft-Austrittsöffnungen. Dahinter ist die Schaumstoffmatte zu erkennen. Stecker für das Lüfterkabel habe ich in Absprache nicht vormontiert, das kann sich der neue Besitzer richten wie er will.

Der Newton wurde mit noch dreckigem Hauptspiegel wieder zusammengebaut und getestet. Visuell spielten die 20 mm weniger Brennweite keine Rolle, ich konnte fokussieren. Wie schon im Spender-Newton gesehen, der Spiegel liefert eine einwandfreie Abbildung! Alles gut soweit. Mit der geplanten Fokuslage der Kamera war klar: der Tubus des Bresser Newton muss ein klein wenig gekürzt werden. Ich hätte den Einhandwinkelschleifer nehmen können, entschied mich aber für die Eisensäge. Die Aktion ist geglückt, mit der Feile wurden Späne entfernt und die Kanten etwas abgefast. Nun mussten neue Befestigungslöcher für die Spiegelzelle gebohrt werden. Der versiffte Hauptspiegel wurde einer gründlichen Reinigung unterzogen. Das war schon eine umfangreichere Prozedur mit mehreren Durchgängen, weil sich nicht nur der Dreck gut "anpaniert" hat, sondern sich auch Fungus auf dem Spiegel breit gemacht hat. 

Der abgeschnitte Ring. Schaut nicht nach viel aus, es sind aber doch 15 mm

Der Spiegel aus dem Spender-Newton, gereinigt, mit Mittenmarkierung, fertig in die Zelle eingebaut. So versifft wie der ausgeschaut hat, jetzt schaut er fast aus wie neu.


Nun wollte ich die Fokus Position der Kamera testen, ob die wie geplant liegt. Alles zusammenbauen, klare Nacht abwarten, Aufbau, Komakorrektor mit Kamera installieren, fokussieren und abgedrückt, gleich so direkt auf den Auslöser. Natürlich verwackelt man beim Abdrücken, aber der Beweis, dass man die Kamera fokussieren kann, war erbracht, das Auszugrohr hat nur ganz wenig in den Teleskoptubus geschaut, sicher nicht in den Strahlengang. Passt so! Richtig gemessen, richtig gerechnet!


Die Fokusposition, also der Fokus liegt ausreichend über dem Tubus, es ist Fokussierweg nach innen und außen gegeben

Juhu, könnte man sagen. Noch, noch sind wir nicht fertig. Der Fangspiegel muss nochmals raus, und ordentlich aufgeklebt werden. Er hängt ja nur an einem einzigen Punkt in der Mitte, und ist so zu instabil. Also wurde auch diese Arbeit in Angriff genommen, der Fangspiegel anschließend nochmals seitlich nachgeschwärzt, detto der Fangspiegelhalter, der durch die ganzen Aktionen etwas abgegrabbelt war. 

Grande Finale, nicht ganz ohne Erkenntnisse

Alles soweit erledigt. Der endgültige Foto-Test will sein! Wiederum galt es, eine klare Nacht abzuwarten. Andi war zur Unterstützung hier. Vollmond Himmel, aber durchaus gutes Seeing der Wind hatte sich zum Glück gelegt. Es lief nicht gleich so wie geplant. Erste Testschüsse und Auswertung: Nein, das passt nicht. Mit der RA Balance war ich auch nicht sorgfältig genug, so erwies sich meine ieq45 mit dem Bröckerl von Newton "zickig". Ich musste dem Autoguider die Zügel straffer anziehen. Dennoch, die Abbildung war nicht das, was wir sehen wollten. 

Kamera runter, Okular rein: Aha, dejustiert. Es dämmerte mir: Ich hatte die Rohrschellen beim Justieren der Optik offen, konnte den Tubus rotieren. Um den Newton aber verwenden zu können, muss man doch die Rohrschellen anziehen... Also, Justierlaser geholt, den Fangspiegel nachjustiert, dann am Stern den Hauptspiegel dazu justiert. Nochmals die Kamera mit Komakorrektor dran, und siehe da, voilà!

DAS Test-Foto! Vollmond Himmel, egal. M13, halt nicht ganz in der Bildmitte, Satellitenspur, egal für einen Test. 3 Minuten bei ISO 400, Canon 1000D, astromodifiziert. Auf das Bild klicken für die volle Auflösung. So soll es sein! Perfekte Abbildung, bis in die Bildecken scharfe Sterne! Minimale Bearbeitung, vom Rohbild auf RGB, Schwarzpunkt, Farben nachbessern (Stichwort: blauer Mondhimmel), nichtmal Gammaanhebung über das, was Fitswork sowieso macht. Kleines Manko: die Ausleuchtung ist nicht perfekt zentriert. Das ist systembedingt bei diesem Teleskop und nicht behebbar.

Wenn es etwas zu bekriteln gibt: Die asymmetrische Ausleuchtung in der Längsachse des Sensors ist dem mangelnden Offset des Fangspiegels geschuldet. Der Fangspiegel steckt einfach zu tief im Tubus Richtung Hauptspiegel drin - sozusagen eine "Erbkrankheit" vom Bresser Newton. Ich habe beim Aufkleben des Fangspiegels etwas gegengesteuert, mehr ging nicht, ohne die Referenz zu verlieren, wie man den Spiegel beim Kleben ausrichtet. Mit dem Fangspiegelhalter bin ich auch schon ganz dicht an der Spinne dran. Dieses Problemchen ließe sich nur durch erheblichen Aufwand lösen, wobei dann die Distanz zwischen Spinnenkörper und Fangspiegelhalter sehr groß wäre, was der Justierstabilität auch nicht wirklich gut tut. Einerlei, es ist ein Komakorrektor in gewissem Abstand vor dem Sensor, da wird sich früher oder später Staub unbemerkt ansammeln und kann Bildartefakte verursachen. Flats werden sowieso notwendig sein für die Bildkalibrierung, und somit ist auch dieses Ausleuchtungsdefizit behoben. Die Bildecken wären ohnehin, auch wenn die Ausleuchtung perfekt zentriert wäre, dunkler, somit wären Flats auch von daher notwendig. Sobald ein größerer Sensor als APS-C eingesetzt wird, brauchen wir gar nicht mehr darüber diskutieren.

Der Tubus ist wohl stabiler als das, was man heute bei Brot- und Butter Newton bekommt, dennoch, die Rohrschellen quetschen auch diesen genug, dass die Optik nach Anziehen derselben etwas dejustiert ist. Aber, wenn man die Rohrschellen angezogen hat, die Optik so justiert, das Teleskop in perfekter Balance hat, somit nichts mehr ändert am Setup, es so wie es ist auf die Montierung setzt und so wieder runter holt, sollte die Justierung sehr wohl mehrere Einsätze überdauern. Das Kontergewicht bringt es mit sich, dass es vollkommen egal ist wie der Tubus gedreht ist, die Kamera dran hängt, seitlich, oben auf, unten dran, man lasse es einfach so wie es ist, und gut is' damit.

Das Kontergewicht, es ist mit der Schelle verschraubt und kann auf der Schiene verschoben werden. Ziel und Zweck, die Offaxis-Massen von Fokussierer mit Komakorrektor und Kamera sowie Sucher mit Autoguider Kamera gegenzubalancieren. Damit sollte der Tubus "rotationssymmetrisch" in Balance sein.

Der recht dünne Hauptspiegel wird sich unter normalen Umständen ziemlich rasch der Umgebungstemperatur anpassen. Bei stärkeren Temperaturunterschieden von der Lagerung zum Einsatz kann der Lüfter helfen, den Spiegel schneller runter zu kühlen.

Als letzte Aktion bekam der Newton noch Inbusschrauben zur Fangspiegel Justierung. Die Kreuzschlitz Dinger waren eh schon ein bissl verquollen. Dazu musste ich den Fangspiegel, der natürlich beim Tausch der Justierschrauben "außer Tritt" gekommen ist, neu positionieren und neu justieren. Kein großes Thema.

Fazit

Der fertige Foto-Newton im milden Herbstlicht der tief stehenden Sonne, die Nacht kann kommen. Sucher, ob schwarz oder weiß, ich hab hier meinen drauf, seinen Zweck soll er erfüllen

Aus dem alten 203/900 Bresser Irgendwas-Newton ist nun ein 200/880 Foto-Newton geworden, mit einer pipifeinen Abbildungsleistung. Sterne, wie man sie sonst vom Refraktor gewohnt ist. Nur die Spider-Spikes verraten den Newton. So gesehen, hat sich der Umbau gelohnt. Von dem einstigen Bresser Newton ist nur mehr der Frontring und die Spinne im Originalzustand erhalten geblieben. Die Rohrschellen kann man auch dazu nehmen, die wurden nur repariert, aber nicht verändert. Sonst, alles modifiziert oder getauscht. Auch wenn der Materialeinsatz von den Kosten nicht ganz ohne ist, es ist ein stabiler Tubus mit ordentlicher Tubusmechanik, so solide sind die preislich günstigen Newton heute nicht gebaut, und reden wir erst gar nicht von den wesentlich teureren Carbon Tuben, wo am Ende eh wieder Skywatcher oder GSO drin steckt - das ist sozusagen alter Wein in neuen Schläuchen.

Die unendliche Geschichte hat vom Spätherbst 2014 bis Herbstbeginn 2017 gedauert. Wie lang der Bresser vorher schon bei mir rumgestanden ist, da können wir wohl noch gut zwei Jahre drauf legen. Es ist ja nicht das längstdauernde Projekt bei mir. Wenn der f/4 Umbau angestanden wäre, hätte es wohl noch ein Weilchen gedauert. Irgendwie glaubt man, dass das nie was wird - am Ende wird es doch, und gut auch noch. Vielleicht denk ich zu viel herum an gewissen Dingen, aber besser als zu wenig. Und mir fällt wieder ein Brocken ab, die Seele hat mit diesem Projekt ihren Frieden gefunden. Es stehen weitere Dinge in der Pipeline, alles schön der Reihe nach. Man wird davon hören, äh, lesen.

Howdii